BVerfG, Beschluß vom 14. Dezember 2008 – 2 BvR 2338/07

Dem Beschluß liegen diverse Verfassungsbeschwerden von Personen zugrunde, die Betroffene der sog. Boden- oder der sog. Industriereform oder deren Rechtsnachfolger waren. Sie hatten vergeblich um eine straf- oder verwaltungsrechtliche Rehabilitierung wegen der durchgeführten Verfolgungsakte nachgesucht. Mit den Verfassungsbeschwerden rügen sie, der Gesetzgeber habe es unter Verstoß gegen geltendes Verfassungs- und Völkerrecht unterlassen, ihnen einen durchsetzbaren Rehabilitierungsanspruch einzuräumen. Im Wege der Verfassungsbeschwerde haben sie das Ziel verfolgt, den Gesetzgeber zum Erlaß einer entsprechenden Gesetzgebung zu veranlassen.

Wortlaut der Entscheidung

Verantwortliche Richter: 

Prof. Dr. Siegfried Broß, Richter des BVerfG
Prof. Dr. Dr. Udo di Fabio, °Richter des BVerfG
Herbert Landau, Richter des BVerfG

Anlaß und maßgeblicher Inhalt der Entscheidung: 

Dem Beschluß liegen diverse Verfassungsbeschwerden von Personen zugrunde, die Betroffene der sog. Boden- oder der sog. Industriereform oder deren Rechtsnachfolger waren. Sie hatten vergeblich um eine straf- oder verwaltungsrechtliche Rehabilitierung wegen der durchgeführten Verfolgungsakte nachgesucht. Mit den Verfassungsbeschwerden rügen sie, der Gesetzgeber habe es unter Verstoß gegen geltendes Verfassungs- und Völkerrecht unterlassen, ihnen einen durchsetzbaren Rehabilitierungsanspruch einzuräumen. Im Wege der Verfassungsbeschwerde haben sie das Ziel verfolgt, den Gesetzgeber zum Erlaß einer entsprechenden Gesetzgebung zu veranlassen.

Die 2. Kammer des Zweiten Senats des BVerfG hat die Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung angenommen. Eine verfassungsrechtliche Verpflichtung zu einer Rehabilitierung habe nicht bestanden, weil der Gesetzgeber für den in Rede stehenden Personenkreis bereits Ansprüche nach dem Ausgleichsleistungsgesetz erlassen habe. Dagegen seien Rehabilitierungsansprüche nach § 1 Abs. 1 Satz 3 VwRehaG i.V.m. § 1 Abs. 8 lit. a VermG ausgeschlossen. Dies sei auch verfassungskonform, weil die Sowjetunion bei den Verhandlungen über die Wiedervereinigung Deutschlands nach der maßgeblichen Einschätzung der Bundesregierung darauf bestanden habe, daß die Rechtmäßigkeit der Unrechtsakte nicht revidiert würde, was der Gesetzgeber als Rehabilitierungshindernis habe auffassen dürfen. Daß die Enteignungen zu mißbilligende Unrechtsakte gewesen seien, komme durch die Kompensation durch das Ausgleichsleistungsgesetz zum Ausdruck.

Warum die Entscheidung unvertretbar ist: 

Die Entscheidung ist zwar im Ergebnis zutreffend. Unvertretbar sind aber die Rechtsausführungen der 2. Kammer des Zweiten Senats des BVerfG, mit denen die Nichtannahme der Verfassungsbeschwerden begründet wird.

Ein verfassungsrechtlicher Anspruch gegen den Bundesgesetzgeber, eine Rehabilitierungsgesetzgebung zugunsten der Betroffenen der Boden- und Industriereform zu erlassen, besteht nicht, weil er auch wegen der Fälle politischer Verfolgung während der stalinistischen Machtursupation unter sowjetischer Besatzungshoheit eine umfassende Rehabilitierungsgesetzgebung erlassen hat, die deshalb verfolgungsbedingte Akte der Boden- und Industriereform erfaßt. Soweit mit diesen Begriffen dagegen lediglich bloße Konfiskationsmaßnahmen beschrieben werden, deren Unrechtsgehalt sich darin erschöpft, daß lediglich auf Vermögenswerte zugegriffen wurde, ohne damit eine Person zu verfolgen, hat der Gesetzgeber Ansprüche nach dem Ausgleichsleistungsgesetz begründet (vgl. die Regelungen in § 1 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AusglLeistG). Daher ist für einen Anspruch auf Erlaß einer weitergehenden Gesetzgebung von vornherein kein Raum. Allein mit dieser Begründung hätten die Verfassungsbeschwerden abgelehnt werden müssen. Sie hätte auch nicht eingelegt werden dürfen, weil sie vom Gesetzgeber etwas verlangen, was dieser bereits längst geregelt hat.

Die von den Mitgliedern der 2. Kammer des Zweiten Senats des BVerfG gegebene Begründung ist aber deshalb unvertretbar, weil darin die unzutreffende Rechtsprechung des BVerwG rezipiert wird, wonach das Ausgleichsleistungsgesetz auch verfolgungsbedingte Vermögenszugriffe auf besatzungsrechtlicher und besatzungshoheitlicher Grundlage erfaßt, während Rehabilitierungsansprüche wegen Vorgaben der UdSSR gesetzlich ausgeschlossen seien, was verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei. Nach den Darlegungen der Kammer soll dies sowohl wegen verwaltungs- als auch für strafrechtlicher Verfolgungsmaßnahmen gelten.

Das Ausgleichsleistungsgesetz gilt nach § 1 Abs. 1 AusglLeistG aber lediglich für Enteignungen auf besatzungsrechtlicher und besatzungshoheitlicher Grundlage, für welche der Anwendungsbereich des § 1 Abs. 8 lit. a, 1. Halbs. VermG ausgeschlossen ist. Dabei handelt es sich ausschließlich um Unrechtsakte, deren Unrechtsgehalt sich im entschädigungslosen, diskriminierenden Vermögenszugriff erschöpft. Dagegen greift das Ausgleichsleistungsgesetz für Akte der politischen Verfolgung von vornherein nicht ein. Dies stellt bereits § 1 Abs. 8 lit. a, 2. Halbs VermG ausdrücklich klar. Danach bleiben Ansprüche nach § 1 Abs. 6 und 7 VermG von der Regelung des § 1 Abs. 8 lit. a, 1. Halbs. VermG unberührt. Deshalb bleibt das Vermögensgesetz nach § 1 Abs. 6 und Abs. 7 VermG auch dann entsprechend anwendbar, wenn die politische Verfolgung unter Herrschaft des NS-Regimes oder während der sowjetischen Besatzungshoheit den Verlust eines Vermögenswertes zur Folge hatte, der erstmals oder erneut unter sowjetischer Besatzungshoheit eingezogen wurde.

Diese Klarstellung wiederholt § 1 Abs. 1 Satz 2 AusglLeistG für das Ausgleichsleistungsgesetz. Danach greift weder die Nichtanwendungsregel des § 1 Abs. 8 lit. a, 1. Halbs. VermG ein noch ist der Anwendungsbereich des Ausgleichsleistungsgesetzes betroffen, wenn ein Fall der politischen Verfolgung vorliegt, auch wenn diese Unrechtsmaßnahme auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage erfolgt ist. Vielmehr sind vermögensrechtliche Rechtsfolgen der Verfolgungsakte in entsprechender Anwendung von § 1 Abs. 6 und 7 VermG abzuwickeln. Dem geht bei NS-verfolgungsbedingten Vermögensschäden kein weiteres Verfahren voraus. Bei Verfolgungsmaßnahmen unter sowjetischer Besatzungshoheit muß dagegen zunächst eine straf- oder verwaltungsrechtliche Rehabilitierung beantragt werden.

Unabhängig davon ist in den Gesetzesmaterialien zum Ausgleichsleistungsgesetz ausdrücklich darauf hingewiesen worden, daß dieses Gesetz keine Beseitigung eines durch Maßnahmen der politischen Verfolgung zugefügten persönlichen Makels vorsieht (vgl. etwa: Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates zu § 7 Abs. 1 E-VwRehaG, in: Begründung der Bundesregierung zum Entwurf des Zweiten Gesetzes zur Bereinigung von SED-Unrecht, BT-Drucks. 12/4994, S. 67). Damit ist die Aussage der Kammer des BVerfG, Verfolgungsmaßnahmen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage seien von den Regelungen des Ausgleichsleistungsgesetzes erfaßt, mit geltendem Recht nicht vereinbar.

Diese Rechtslage wird durch die geltenden Rehabilitierungsgesetze bestätigt. Das Strafrechtliche Rehabilitierungsgesetz gilt für sämtliche Maßnahmen der politisch motivierten Strafverfolgung „aus der Zeit vom 8. Mai 1945 bis zum 2. Oktober 1990“. Regelungen, die den Anwendungsbereich des Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes für strafrechtliche Vermögenseinziehungen oder Geldstrafen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage einschränken, enthält das Gesetz nicht. Für die Darlegung ihrer gegenteiligen Behauptung, die sich ausdrücklich auch auf das Strafrechtliche Rehabilitierungsgesetz bezieht, beruft sich die 2. Kammer des Zweiten Senats des BVerfG freilich lediglich auf § 1 Abs. 1 Satz 3 VwRehaG i.V.m. § 1 Abs. 8 lit. a VermG. Vergleichbare Vorschriften enthält das Strafrechtliche Rehabilitierungsgesetz aber nicht. Auch diese Aussage der 2. Kammer des Zweiten Senats des BVerfG stellt damit einen klaren Rechtsfehler dar, der nur als eine im Rechtsstaat nicht vertretbare Einladung des Gerichts an die Fachgerichte verstanden werden kann, geltendes Recht zu brechen.

Für verfolgungsbedingte Vermögensschädigungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage ist aber auch das Verwaltungsrechtliche Rehabilitierungsgesetz nicht ausgeschlossen. Dies gilt zunächst deshalb, weil auch dieses Gesetz nach § 1 Abs. 1 Satz 1 VwRehaG sämtliche verfolgungsbedingten Verwaltungsentscheidungen aus der Zeit vom 8. Mai 1945 bis zum 2. Oktober 1990 erfaßt. Im Gegensatz zum Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz enthält § 1 Abs. 1 Satz 3 VwRehaG zwar die Regelung, das Gesetz finde auf Verwaltungsentscheidungen für die in § 1 Abs. 8 lit. a VermG erwähnten Fallgruppen keine Anwendung. Zu diesen Fallgruppen gehören aber gerade nicht die verfolgungsbedingten Vermögensschädigungen i.S.v. § 1 Abs. 8 lit. a, 2. Halbs. VermG, für welche § 1 Abs. 6 und Abs. 7 VermG unberührt bleiben. Diese Maßnahmen werden damit bereits aus den Fallgruppen des § 1 Abs. 8 VermG ausdrücklich ausgeschlossen. Im übrigen stellen verfolgungsbedingte Vermögensschädigungen von vornherein auch keine Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage i.S. von § 1 Abs. 8 lit. a, 1. Halbs. VermG dar, weil danach lediglich Enteignungsmaßnahmen erfaßt werden, deren Unrechtsgehalt sich in der Umstrukturierung der Eigentumsordnung erschöpft und mit der keine anderen Rechtsfolgen oder anderen Maßnahmen mit anderen Rechtsfolgen rechtlich oder tatsächlich verbunden waren.

Dennoch läuft die Regelung des § 1 Abs. 1 Satz 3 VwRehaG nicht leer. Im Gegensatz zum Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz umfaßt der Anwendungsbereich des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes nämlich nicht nur Akte der politischen Verfolgung, sondern auch reine Willkürakte. Soweit willkürliche Enteignungsmaßnahmen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage erfolgt sind, werden sie von § 1 Abs. 8 lit. a, 1. Halbs. VermG erfaßt.

Im übrigen wäre es systemwidrig, wenn die Rehabilitierung von Verfolgungsakten davon abhängig wären, ob sie straf- oder verwaltungsrechtlicher Natur war. Der Grad des deshalb wiedergutzumachenden Verfolgungsunrechts hängt davon nicht ab. In der Denkschrift zum Einigungsvertrag ist deshalb auch ausdrücklich dargelegt worden, das Verwaltungsentscheidungen, die eine politische Verfolgung dargestellt haben, ebenso wie politische Strafverfolgungsmaßnahmen rehabilitiert werden sollen (vgl. BT-Drucks. 11/7760, S. 355, 363).

Ein Rehabilitierungsausschluß von Akten politischer Verfolgung mit vermögensschädigenden Rechtsfolgen wird zudem von Art. 143 Abs. GG weder gefordert noch legitimiert. Diese Bestandsgarantie erfaßt ausschließlich eigentumsschädigende Unrechtsakte i.S.v. Art. 41 des Einigungsvertrages (EV), die vorsehen, daß sie nicht mehr rückgängig gemacht werden. Art. 41 Abs. 1 EV erklärt wiederum die Gemeinsame Erklärung vom 15. Juni1990 zum Bestandteil des Einigungsvertrages. Die Gemeinsame Erklärung schließlich sieht in Ziff. 1 Satz 1 GE zwar vor, daß Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage nicht mehr rückgängig zu machen sind. Davon sind aber nicht die in Ziff. 9 GE erwähnten Vermögenseinziehungen im Zusammenhang mit rechtsstaatswidrigen Strafverfahren erfaßt. Für diese Fälle sieht zudem Art. 17 EV ausdrücklich eine Rehabilitierung vor, ohne daß es deshalb eine Einschränkung für Verfolgungsakte auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage gäbe. In der Denkschrift zum Einigungsvertrag sind dem Akte der verwaltungsrechtlichen politischen Verfolgungen ausdrücklich gleichgestellt. Daher steht außer Frage, daß Art. 143 Abs. 3 GG vermögensschädigende Akte der politischen Verfolgung auch dann nicht erfaßt, wenn sie auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage erfolgt sind.

Die Aussagen der 2. Kammer des Zweiten Senats des BVerfG zu einem gesetzlichen Rehabilitierungsausschluß von Verfolgungsakten auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage sind daher mit geltendem Recht  nicht vereinbar.

Die Aussage der 2. Kammer des Zweiten Senats des BVerfG, für Akte der Boden- und Industriereform gebe es einen Rehabilitierungsausschluß, wäre deshalb nur dann unschädlich, wenn sie niemals solche der politischen Verfolgung, sondern ausschließlich Verstaatlichungsmaßnahmen gewesen sein sollten. Dies hat dieselbe Kammer in einem Beschluß vom 15. Dezember 2008 – 2 BvR 2462/07 – unter Berufung auf eine das Unrecht erkennbar nicht zutreffend aufarbeitende Arbeit von von der Beck (Die Konfiskationen in der Sowjetischen Besatzungszone von 1945 bis 1949, 1996, S. 91f.) zwar behauptet und dargelegt, es habe sich dabei um eine „nur vordergründig als politische Reinigungsaktion getarnte Verstaatlichung der Wirtschaft“ gehandelt.

Daß diese Darstellung der tatsächlich durchgeführten Verfolgung in aller Regel nicht den Tatsachen entspricht, ist dem BVerfG nicht anzulasten, da es kein Fachgericht ist und deshalb den Sachverhalt der Schädigung nicht festzustellen hat. Dies wäre, wie das BVerfG bereits im sog. Bodenreform II-Beschluß dargelegt hat, vielmehr Aufgabe der Fachgerichte, welche dieser Aufgabe bis heute freilich nicht nachgekommen sind. Daher seien hier einige maßgebliche Tatsachen der Verfolgung zunächst im Rahmen der Industriereform und im Anschluß daran der Bodenreform dargestellt, um zu belegen, daß es auf die Frage ankommt, ob die Rehabilitierungsgesetz auch für Verfolgungsmaßnahmen auf besatzungsrechtlicher und besatzungshoheitlicher Grundlagen einen Rehabilitierungsausschluß vorsieht oder nicht.

Soweit Industrielle in der SBZ als Kriegs- und Naziverbrecher beschuldigt worden sind, handelte es sich dabei immer um strafrechtliche Entnazifizierungsmaßnahmen. Sie waren auf die als Strafgesetz erlassenen, seinerzeit nicht veröffentlichten Richtlinien zum sächsischen Volksentscheid gestützt, die mit den Vereinbarungen der Alliierten im Potsdamer Abkommen zur Bestrafung der Kriegs- und Naziverbrecher gerechtfertigt wurden und ausdrücklich bestimmten, daß damit keine wirtschaftlichen Maßnahmen, sondern die Verfolgung von Naziverbrechern, aktivistischen Nazis  und Kriegsinteressenten bezweckt gewesen seien. Schon deshalb stimmt es mit den tatsächlichen, bislang von keinem Rehabilitierungsgericht herangezogenen Rechtsgrundlagen nicht überein, wenn auch diesen Fällen der Industriereform eine bloße Umstrukturierung der Eigentumsordnung attestiert wird. Der ausdrückliche gesetzliche Zweck der Richtlinien war vielmehr die Verfolgung von Naziverbrechern, aktivistischen Nazis und Kriegsverbrechern.

Aufgrund der sächsischen Richtlinien zum Volksentscheid, die auch in den übrigen Ländern und Provinzen angewandt wurden, sind in jedem Einzelfall Ermittlungen zur Schuld der Betroffenen als Naziverbrecher, aktivistische Nazis oder Kriegsinteressenten erhoben worden. Darüber wurde unter schwerster Mißachtung sämtlicher strafprozessualer Garantien – noch weitreichender als in den sog. Waldheimprozessen – durch die als extralegale Repressionsorgane agierenden Landes- und Präsidialkommissionen entschieden. Diese Entscheidungen wurden vom Kabinett der Landesregierung (Gesamtministerium) bestätigt, das den justitiellen Strafverfolgungsorganen der Entnazifizierung (sog. SMAD-Befehl Nr. 201-Gerichte) nach Ziff. 5 SMAD-Befehl Nr. 201, Ziff. 20 Ausführungsbestimmung Nr. 3 zum SMAD-Befehl Nr. 201 als spezifisch strafrechtlich agierendes Repressionsorgan gleichgestellt war. In Ost-Berlin wurde die Verfolgung unmittelbar auf die KRD Nr. 38 gestützt, die nach Maßgabe des SMAD-Befehls Nr. 201 ausschließlich und unmittelbar als Strafgesetz zur Entnazifizierung anzuwenden war.

Die im übrigen erlassenen Enteignungsgesetze haben dagegen lediglich eine Rechtsfolge geregelt, die mit einem Schuldspruch auf der Grundlage der Richtlinien zum sächsischen Volksentscheid oder der KRD Nr. 38 verbunden war. Andere Rechtsfolgen ergaben sich unmittelbar aus den Richtlinien zum sächsischen Volksentscheid sowie aus einer Vielzahl anderer Gesetze. Sie traten aufgrund des Schuldspruchs kraft Gesetzes ein, ohne daß es einer weiteren Entscheidung bedurfte. Diese Rechtsfolgen waren: Einziehung des betrieblichen und des privaten Vermögens, Einziehung der Altguthaben, Aberkennung des aktiven und passiven Wahlrechts, Berufsverbot mit Ausnahme niederer körperlicher Arbeiten und öffentlicher Tadel sowie Registrierung als Kriegs- und Naziverbrecher.

Der Schuldspruch deutscher Kommissionen führte allerdings nicht unmittelbar zu einer Internierung, Freiheitsstrafe oder gar zur Verhängung der Todesstrafe. Dies gilt aber ausschließlich deshalb, weil sich diese Maßnahmen die sowjetische Besatzungsmacht nach Maßgabe des KRG Nr. 10 noch selbst vorbehalten hatte, so daß vor Erlaß des SMAD-Befehls Nr. 201 am 16. August 1947 noch keine Zuständigkeit deutscher Organe zur Verhängung solcher Strafen im Entnazifizierungsverfahren bestand. Dies heißt aber nicht, daß nach den sächsischen Richtlinien zum Volksentscheid schuldig Gesprochene wegen der ihnen deshalb zur Last gelegten Taten nicht auch inhaftiert, interniert oder mit dem Tod bestraft worden wären. Vielmehr führte der Schuldspruch automatisch zu einer Meldung an die zuständigen sowjetischen Organe, die dann ihrerseits eine Verhaftung vornahmen oder durch deutsche Organe vornehmen ließen. Sofern die Betroffenen noch nicht aus dem Gebiet der SBZ geflohen waren, wurden sie dann auch verhaftet und infolge des Schuldspruchs der deutschen Kommissionen von Sowjetischen Militärtribunalen (SMT) als Nazi- und Kriegsverbrecher zu einer durchschnittlichen Freiheitsstrafe von 25 Jahren verurteilt. Sind Betroffene etwa aufgrund von Denunziationen zunächst von sowjetischen Organen inhaftiert worden, haben diese ihrerseits Meldung an die deutschen Organe gemacht, damit auch eine Verurteilung durch die deutschen Kommissionen erfolgen konnte.

Insofern gab es bis zum 16. August 1947 noch unterschiedliche Zuständigkeiten für die strafrechtliche Entnazifizierung von Industriellen, wobei den deutschen Organen nur die Sanktionen der Vermögenseinziehung, des Berufsverbots, des Entzugs der politischen Rechte, des öffentlichen Tadels und der Registrierung vorbehalten war. Freiheitsstrafen, Internierung und Todesstrafen konnten dagegen zunächst nur die SMT verhängen. Soweit diese bis zur Gründung der DDR am 7. Oktober 1949 noch nicht entschieden hatten, sind diese Verfahren von dem Sondergericht in Waldheim nach sowjetischen Vorgaben abgeschlossen worden.

Trotz der zunächst bestehenden unterschiedlichen Zuständigkeiten besteht aber kein Zweifel an einem einheitlichen Verfolgungsplan. Es ist daher sowohl unzulässig, die Sanktionen der Vermögenseinziehung von den Sanktionen des Berufsverbots und der Aberkennung der politischen Rechte (aktives und passives Wahlrecht) zu trennen und gesondert zu beurteilen, als auch die von deutschen und von sowjetischen Organen verhängten Sanktionen. Insofern stehen auch die gegen die als Nazi- und Kriegsverbrecher hoheitlich beschuldigten Industriellen verhängten Sanktionen der Annahme entgegen, diese Entnazifizierungsmaßnahmen seien eine nur vordergründig als politische Reinigungsaktion getarnte Verstaatlichung gewesen.

Die jedenfalls bis zum 16. August 1947 in Aufgabenteilung zwischen deutschen und sowjetischen Organen durchgeführte Entnazifizierung gegenüber Industriellen hat sich der Sache nach daheer überhaupt nicht von Waldheimfällen i. S. von § 1 II StrRehaG unterschieden, wie die Kammer in ihrem Beschluß vom 15. Dezember 2008 – 2 BvR 2462/07 – unterschieden. Dies gilt sowohl für das vollständige Fehlen rechtsstaatlicher Garantien als auch für die dabei verhängten Sanktionen, die gegenüber denjenigen, denen die SMT habhaft wurden, ebenfalls hohe Freiheits- und Todesstrafen zur Folge hatten. Der einzige Unterschied ist, daß die Entnazifizierung auf der Grundlage des sächsischen Volksentscheides durch deutsche Kommissionen und durch SMT in zwei unterschiedlichen, aber aufeinander bezogene Verfahren durchgeführt wurde. Dieser allein auf zunächst bestehende unterschiedliche Zuständigkeiten beruhende Unterschied ist jedoch rein formaler Natur und rechtfertigt es nicht, diese Fälle materiellrechtlich unterschiedlich zu behandeln. Das gilt erst recht, weil die Waldheimfälle, soweit von ihnen Industrielle betroffen waren, an die Stelle von SMT-Urteilen traten, die bis zum 7. Oktober 1949 von den SMT noch nicht erledigt waren.

Spezifisch strafrechtlich waren die Maßnahmen im übrigen deshalb, weil sie zu dem später durch den SMAD-Befehl Nr. 201 gesetzlich geregelten System des Entnazifizierungsrechts gehörten. Danach konnte u.a. die Sanktion der Vermögenseinziehung niemals in einem verwaltungs-, sondern nur in einem spezifisch strafrechtlichen Verfahren verhängt werden (vgl. nur Ziff. 5 SMAD-Befehl Nr. 201, Ziff. 20 Ausführungsbestimmung Nr. 3 zum SMAD-Befehl Nr. 201 i.V.m. KRD Nr. 38). Ohnehin wurden die Verfolgungsakte mit den Vereinbarungen des Potsdamer Abkommens. Danach mußte aber eine Bestrafung von Nazi- und Kriegsverbrechern erfolgen.

Zwar berufen sich die Richter der 2. Kammer des Zweiten Senats auch noch 18 Jahre seit der Herstellung der deutschen Einheit auf die davon wesentlich abweichende Sachverhaltsdarstellung im sog. Bodenreformurteil aus dem Jahre 1991. Diese stützte sich aber ausschließlich auf wesentlich unvollständige und ersichtlich aus dem Zusammenhang gerissene Angaben der Bundesregierung, mit denen das geschehene Unrecht maßgeblich verharmlost worden ist. Eigene Ermittlungen hat das BVerfG dabei nicht angestellt, sondern im Bodenreform II-Beschluß sogar ausdrücklich darauf hingewiesen, dies sei Aufgabe der Fachgerichte.

Damit steht den von diesen Maßnahmen Betroffenen nach § 1 I 1 StrRehaG ein Anspruch auf strafrechtliche Rehabilitierung zu, der uneingeschränkt sämtliche strafrechtlichen Fälle politischer Verfolgung erfaßt, die im Zeitraum vom 8. Mai 1945 bis zum 2. Oktober 1990 im Gebiet der ehemaligen DDR vorgenommen wurden.

  • 1 VIII lit. a, 1. Halbs. VermG läuft deshalb aber nicht leer, denn es hat auch bloße Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage gegeben, die den Maßnahmen, die im Rahmen der Industrie- und Wirtschaftsreform erfolgt sind, ebenfalls zugeordnet werden. Dies gilt etwa für die Enteignung von Banken, Versicherungen, Energieunternehmen, Bergwerken, privaten Eisenbahnunternehmen, Lichtspieltheater und Apotheken, aber auch für die Reparationsleistungen zugunsten der UdSSR.

Entsprechendes gilt – mit Ausnahme von Einzelfällen – auch für die Maßnahmen der sog. Bodenreform. Bei Inhabern von Höfen mit einer Größe von unter 100 ha war die Schuld des Betroffenen als Nazi- und Kriegsverbrecher in jedem Einzelfall von den Landesbodenkommissionen festzustellen. Die angewandten Straftatbestände ergaben sich jeweils aus den Ausführungsbestimmungen zu den Bodenreformverordnungen. Sie entsprachen Straftatbeständen der KRD Nr. 38 und der Richtlinien zum sächsischen Volksentscheid.

Im übrigen hatte der Schuldspruch eine vergleichbare Rechtsfolgen wie derjenige nach den sächsischen Richtlinien zum Volksentscheid. Zusätzliche Sanktionen waren aber außerdem der Kreisverweis und die Internierung nicht nur der Beschuldigten, sondern der gesamten Familien, sofern diese noch nicht geflohen waren. Dazu wurden mehrere Internierungslager unterhalten. Ein besonders bekannt gewordenes Internierungslager befand sich in Prora auf Rügen. Viele Betroffene wurden aber auch in andere NKWD-Speziallager verbracht oder in die UdSSR deportiert. Auch insofern ist es mit den tatsächlichen Verfolgungszusammenhängen nicht vereinbar, wenn die 2. Kammer des Zweiten Senats des BVerfG die Behauptung aufstellt, die Bodenreformverfolgung habe lediglich eine vordergründig als politische Reinigungsaktion getarnte Verstaatlichung dargestellt.

Bei Eigentümern über 100 ha wurde die Strafbarkeit als Nazi- und Kriegsverbrecher dagegen von Gesetzes wegen in den Bodenreformverordnungen vermutet. Dieser Personenkreis wurde damit strafrechtlich wegen ihrer Zugehörigkeit zur Gruppe der Junker, Feudalherren und Großgrundbesitzer verfolgt, die nach den Vorschriften der Bodenreformverordnungen per se Kriegs- und Naziverbrecher waren. In mehreren Ländern bzw. Provinzen hatten diese jedoch die Möglichkeit, den Nachweis zu erbringen, aktiver Antifaschisten gewesen zu sein. Gelang dieser Nachweis gegenüber der Landebodenkommission, wurde im Einzelfall kein hoheitlicher Vorwurf, Nazi- und Kriegsverbrecher gewesen zu sein, erhoben und ihnen wurde ein Resthof belassen. Im übrigen war die Verfolgung mit denselben Sanktionen verbunden wie bei den Personen mit Höfen unter 100 ha.

Sowohl bei Industriellen, die auf der Grundlage der Richtlinien zum sächsischen Volksentscheid verurteilt wurden, als bei Personen, die auf der Grundlage der Bodenreformverordnungen strafrechtlich verfolgt worden sind und deshalb interniert wurden oder dieser Gefahr nur durch ihre Flucht entkommen sind, sind Ansprüche auf strafrechtliche Rehabilitierung gegeben. Daher ist die Aussage der Mitglieder der 2. Kammer des Zweiten Senats des BVerfG, es bestehe für diese Fälle einen gesetzlichen Rehabilitierungsausschluß und sie könnten lediglich Ansprüche nach dem Ausgleichsleistungsgesetz erheblich bereits für das einfachrechtliche Entscheidungsergebnis. Insofern ist es für die weitere Rechtsverfolgung entscheidend, darauf hinzuweisen, daß die Aussagen der Kammerentscheidung insofern einen schweren Verstoß gegen geltendes Recht beinhalten.

LG Berlin, Urteil vom 28. November 2007 – 23 O 254/06

1905 wurde die Deutsche Nationaltheater AG (im folgenden: DNT AG) von einem berühmten jüdischen Theaterregisseur (im folgenden: MR) gegründet. Akionäre waren neben

MR mehrere seiner Freunde, Kollegen und Förderer, welche Geld zur Gründung und zum Betrieb u.a. des Deutschen Nationaltheaters gespendet und dafür Aktien an der DNT AG erhalten hatten, ohne daß jemals Rechte aus der Aktionärsstellung geltend gemacht worden wären. Anfang 1933 hielt MR über 77 % der Aktien, die übrigen Aktionäre knapp 23 %.

Nach der NS-Machtübernahme bemächtigten sich die NS-Organisationen der Treuhandgesellschaft für wirtschaftliche Unternehmen und Beteiligungen der Deutschen Arbeitsfront (im folgenden: TWU) und der Deutschen Bank der Arbeit AG (im folgenden: BdDA) zu rund 99 % der Aktien. Nach dem Vortrag des klagenden Bundes sind die Aktien der TWU nach dem Zusammenbruch des NS-Regimes auf der Grundlage des SMAD-Befehls Nr. 126 in Volkseigentum überführt worden, diejenigen der BdDA auf der Grundlage der Berliner Konzernverordnung. Der beklagte Liquidator der DNT AG bestreitet diese Konfiszierungen.

Wortlaut der Entscheidung

Verantwortliche Richter: 

Sabine Linz, Vorsitzende Richterin am LG
Burkhard Niebisch, Richter am LG
Stefan Bebensee, Richter am LG

Anlaß und maßgeblicher Inhalt der Entscheidung: 

1905 wurde die Deutsche Nationaltheater AG (im folgenden: DNT AG) von einem berühmten jüdischen Theaterregisseur (im folgenden: MR) gegründet. Akionäre waren neben

MR mehrere seiner Freunde, Kollegen und Förderer, welche Geld zur Gründung und zum Betrieb u.a. des Deutschen Nationaltheaters gespendet und dafür Aktien an der DNT AG erhalten hatten, ohne daß jemals Rechte aus der Aktionärsstellung geltend gemacht worden wären. Anfang 1933 hielt MR über 77 % der Aktien, die übrigen Aktionäre knapp 23 %.

Nach der NS-Machtübernahme bemächtigten sich die NS-Organisationen der Treuhandgesellschaft für wirtschaftliche Unternehmen und Beteiligungen der Deutschen Arbeitsfront (im folgenden: TWU) und der Deutschen Bank der Arbeit AG (im folgenden: BdDA) zu rund 99 % der Aktien. Nach dem Vortrag des klagenden Bundes sind die Aktien der TWU nach dem Zusammenbruch des NS-Regimes auf der Grundlage des SMAD-Befehls Nr. 126 in Volkseigentum überführt worden, diejenigen der BdDA auf der Grundlage der Berliner Konzernverordnung. Der beklagte Liquidator der DNT AG bestreitet diese Konfiszierungen.

Nachdem rund 77 % der Aktien bestandskräftig an die Rechtsnachfolger des MR zurückübertragen worden waren und das Vermögen der DNT AG liquidiert worden war, beanspruchte der Bund von dem Liquidator der DNT AG die Auskehrung von knapp 23 % des Liquidationsüberschusses.

Das LG Berlin hat der Klage stattgegeben. Dabei folgt es ohne Beweisaufnahme dem Vortrag des Bundes und nimmt an, daß die Aktien – wie vom Bund behauptet – konfisziert und in Volkseigentum überführt worden seien. Mit dem Wirksamwerden des Einigungsvertrages seien die Aktien nach Art 22 I 1 EVertr als ehemals volkseigenes Finanzvermögen in die Treuhandverwaltung des Bundes übergegangen. Da der Bund den Anspruch nur als Treuhänder verfolge, werde dieser auch nicht rechtsmißbräuchlich, also unter Verstoß gegen Treu und Glauben geltend gemacht.

Warum die Entscheidung unvertretbar ist: 

Die Entscheidung ist – jedenfalls mit dieser Begründung – gleich aus zwei Gründen unvertretbar:

  1. Ob die vom Bund behaupteten Konfiskationen stattgefunden haben, beurteilt sich nicht nach bundesdeutschem Recht, sondern nach sowjetischem Besatzungsrecht bzw nach dem 1949 in Ostberlin geltendem Recht. Inhalt dieses Rechts und seine Umsetzung in der Rechtspraxis sind damit Rechtstatsachen, über welche der bundesdeutsche Richter nach § 293 ZPO, insbesondere wenn die vom Kläger vorgetragenen Rechtstatsachen substantiiert bestritten werden, die vom Richter durch eine Beweisaufnahme zu ermitteln waren. Das LG Berlin hat eine solche Amtsermittlung vollständig unterlassen. Schon deshalb ist die Entscheidung so nicht vertretbar.
  2. Wäre die DNT AG nicht durch das NS-Regime verfolgungsbedingt geschädigt worden, hätte den Rechtsnachfolgern des MR ohne weiteres der gesamte Liquidationserlös zugestanden, weil die 1933 berechtigten Aktionäre keine Auskehrung des Liquidationserlöses verlangt haben und nach der Satzung der DNT AG i.L. der den nicht anmeldenden Aktionären zustehende Liquidationserlös denjenigen Aktionären zuwachsen sollte, welche ihre Aktionärsstellung zum Zweck der Geltendmachung des Anspruchs auf Erlösauskehr nachgewiesen haben.

Damit macht der Bund den Liquidationsüberschuß aufgrund einer Rechtsposition geltend, die ausschließlich auf den verfolgungsbedingten Schädigungen durch die nationalsozialistischen und die kommunistischen Machthaber beruht. Obgleich in der Rechtsprechung des BGH und im juristischen Schrifttum anerkannt ist, daß ein Gläubiger an der Durchsetzung einer auf einem verfolgungsbedingten Erwerb gestützten Forderung wegen Rechtsmißbrauchs und damit wegen eines Verstoßes gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) gehindert ist, meint das LG Berlin, darauf könne sich der beklagte Liquidator der DNT AG i.L. nicht berufen, weil der klagende Bund den Liquidationsüberschuß nur als Treuhänder für die eigentlich berechtigten Aktionäre geltend mache.

Es ist zwar richtig, daß mit dem Wirksamwerden des Einigungsvertrages nach Art. 22 Abs. 1 Satz 1 EVertr zunächst lediglich eine Treuhandverwaltung des Bundes begründet wurde. Der Bundesgesetzgeber hat aber nachträglich die Ausschlußfristen des § 30a Abs. 1 Satz 1 VermG eingefügt, mit deren Ablauf ein vermögensrechtlicher Anspruch eines NS-Geschädigten auch mit materieller Wirkung untergeht. Da die übrigen Aktionäre der DNT AG innerhalb der Ausschlußfristen des § 30a Abs. 1 Satz 1 VermG keine vermögensrechtlichen Ansprüche geltend gemacht haben, verfolgt der Bund seit dem Fristablauf den Anspruch auf Erlösauskehr ausschließlich noch zugunsten seines Fiskalvermögens. Diesem Begehren steht die Rechtsmißbräuchlichkeit auf die Stirn geschrieben, weil sie sich zum Nachteil von Rechtsnachfolgern des NS-verfolgten MR ausschließlich auf dessen nicht legitimierte, verfolgungsbedingte Schädigungen stützen können. Dies verkennt das LG Berlin.

BGH, Urteil vom 4. Mai 2007 – V ZR 162/06

Dem Urteil des BGH liegt ein Flächenerwerb eines Alteigentümers zugrunde, der von der durch die ehemalige Treuhandanstalt zur Privatisierung von ehemals volkseigenen land- und forstwirtschaftlichen Flächen gegründeten BVVG GmbH eine Waldfläche nach Maßgabe von § 3 Abs. 4 und 2 Satz 3 AusglLeistG erworben hatte. In dem Erwerbsvertrag hatte sich der Erwerber verpflichtet, die Tatbestandsvoraussetzungen des § 3 Abs. 4 AusglLeistG, der wiederum u.a. auf § 3 Abs. 2 Satz 3 AusglLeistG verweist, einzuhalten. Andernfalls sollte die BVVG GmbH das Recht haben, vom Erwerbsvertrag zurückzutreten. Nach Abschluß des Erwerbsvertrages stellte die BVVG GmbH fest, daß der Erwerber nicht in der Nähe der erworbenen Waldfläche ortsansässig war, trat vom Vertrag zurück und verlangte die Herausgabe der veräußerten Bodenfläche.

Wortlaut der Entscheidung

Verantwortliche Richter:  

Prof. Dr. Wolfgang Krüger, Vorsitzender Richter am BGH
Dr. Reiner Lemke, Richter am BGH
Dr. Jürgen Schmidt-Räntsch, Richter am BGH
Dr. Christina Stresemann, Richterin am BGH
Dr. Hans-Joachim Czub, Richter am BGH

Anlaß und maßgeblicher Inhalt der Entscheidung: 

Dem Urteil des BGH liegt ein Flächenerwerb eines Alteigentümers zugrunde, der von der durch die ehemalige Treuhandanstalt zur Privatisierung von ehemals volkseigenen land- und forstwirtschaftlichen Flächen gegründeten BVVG GmbH eine Waldfläche nach Maßgabe von § 3 Abs. 4 und 2 Satz 3 AusglLeistG erworben hatte. In dem Erwerbsvertrag hatte sich der Erwerber verpflichtet, die Tatbestandsvoraussetzungen des § 3 Abs. 4 AusglLeistG, der wiederum u.a. auf § 3 Abs. 2 Satz 3 AusglLeistG verweist, einzuhalten. Andernfalls sollte die BVVG GmbH das Recht haben, vom Erwerbsvertrag zurückzutreten. Nach Abschluß des Erwerbsvertrages stellte die BVVG GmbH fest, daß der Erwerber nicht in der Nähe der erworbenen Waldfläche ortsansässig war, trat vom Vertrag zurück und verlangte die Herausgabe der veräußerten Bodenfläche.

Der BGH ist in seinem Urteil vom 4. Mai 2007 der Rechtsauffassung der BVVG GmbH beigetreten und hat die Rücktrittserklärung für rechtmäßig erklärt. Dazu vertritt er die Meinung, nicht nur für die Erwerbstatbestände des § 3 Abs. 2 Sätze 1, 2 und 4 AusglLeistG, in denen die Verpflichtung zur Ortsansässigkeit ausdrücklich aufgeführt ist, sondern auch der Erwerbstatbestand des § 3 Abs. 2 Satz 3 AusglLeistG setzte die Ortsansässigkeit des Erwerbers voraus. Dies ergebe sich zwar nicht eindeutig aus dem Wortlaut, der aber auch lediglich als Klarstellung gegenüber § 3 Abs. 2 Satz 1 AusglLeistG aufgefaßt werden könne. Auch Sinn und Zweck der Norm seien nicht eindeutig. Im Gegensatz zu § 3 Abs. 2 Sätze 1, 2 und 4 AusglLeistG diene § 3 Abs. 2 Satz 3 AusgLeistG der Wiedergutmachung gegenüber Alteigentümern, die ihre Flächen unrechtmäßig verloren und nun keinen Rückgabeanspruch hätten, was eine Verpflichtung zur Ortsansässigkeit an sich ausschließe. § 3 Abs. 2 Satz 3 AusglLeistG sei aber auch Teil des in § 3 Abs. 2 AusglLeistG geregelten Förderprogramms, das der Schaffung gesunder Eigentumsstrukturen auf dem Gebiet der Land- und Forstwirtschaft in den neuen Bundesländern diene. Entscheidend beruft sich das Urteil des BGH freilich auf die die Verpachtung ehemals volkseigener land- und forstwirtschaftlicher Flächen regelnde Richtlinie der Treuhandanstalt vom 26. Juni 1992. Darin seien als Wiedereinrichter nur Personen erfaßt, „die ortsansässig sind oder im Zusammenhang mit der Wiedereinrichtung ortsansässig werden.“ Da auch § 3 Abs. 2 Satz 3 AusglLeistG voraussetzte, daß der Erwerber zuvor land- und forstwirtschaftliche Flächen gepachtet hat, habe der Gesetzgeber auch bei diesem Erwerbstatbestand auf die Richtlinie der Treuhandanstalt und auf den darin enthaltenen Begriff des Wiedereinrichters Bezug genommen.

Warum die Entscheidung unvertretbar ist: 

Das Urteil des BGH mißachtet elementare Auslegungsgrundsätze und prüft nicht die rechtlichen Konsequenzen, die sich daraus ergeben, daß es sich bei den Flächenerwerbsverträgen der BVVG GmbH um Allgemeine Geschäftsbedingungen i.S. von §§ 305ff. BGB handelt.

Bereits die Annahme, bei § 3 Abs. 2 Satz 3 AusglLeistG könne es sich um eine bloße Klarstellungsnorm gegenüber § 3 Abs. 2 Satz 1 AusglLeistG handeln, begegnet erheblichen Bedenken. Für eine solche Klarstellung hätte überhaupt kein Bedarf bestanden, weil sich bereits aus § 3 Abs. 2 Satz 1 AusglLeistG ergibt, daß im Rahmen des Förderprogramms sowohl Alteigentümer als auch Nicht-Alteigentümer dann erwerbsberechtigt sind, wenn sie einen Betrieb auf gepachteten Flächen wiedererrichtet haben und ortsansässig sind. Für eine bloße Klarstellung hätte es daneben des Tatbestandes in § 3 Abs. 2 Satz 3 AusglLeistG nicht bedurft.

Bedeutsamer aber ist der Umstand, daß der BGH es für möglich hält, Sinn und Zweck des § 3 Abs. 2 Satz 3 AusglLeistG könne sowohl die Wiedergutmachung für bestehendes Unrecht als auch eine Fördermaßnahme sein, mit der besondere Zwecke der Eigentumsbildung in den neuen Bundesländern verfolgt werden. Eine solche Vermengung von Zwecken des Gesetzes ist vielmehr ausgeschlossen. Dies zeigt die einfache Überlegung, daß es schon im Ansatz keine Wiedergutmachung für geschehenes Unrecht dargestellt wird, wenn geschädigte Alteigentümer i.S. von § 3 Abs. 2 Satz 3 AusglLeistG genauso gestellt werden, wie Personen, die niemals Betroffene von Unrechtsmaßnahmen waren. Von einer Wiedergutmachung läßt sich nur sprechen, wenn Alteigentümer in irgendeiner Weise besser gestellt werden als niemals geschädigte Wiedereinrichter. Im Vergleich zwischen den Regelungen von § 3 Abs. 2 Satz 1 AusglLeistG und § 3 Abs. 2 Satz 3 AusglLeistG ist dies lediglich der Vorzug, daß Alteigentümer nicht auch ortsansässig sein müssen. Nur darin besteht der Wiedergutmachungscharakter, der nicht mehr gegeben wäre, wenn Alteigentümer unterschiedslos auch dem Ortsansässigkeitsprinzip unterworfen wären.

Im übrigen ist auffällig, daß der BGH in seinem Urteil vom 4. Mai 2007 zwar eingehend den Gesetzeszweck der Wiedergutmachung begründet, für die Annahme, § 3 Abs. 2 Satz 3 AusglLeistG bezwecke zugleich eine Fördermaßnahme aber keine Begründung anzugeben weiß. Dazu verweist er lediglich auf einen in einem Eilverfahren ergangenen Beschluß des BVerfG, aus dem sich diese Rechtsmeinung ergeben könnte, verschweigt aber, daß das BVerfG später in einem Hauptsacheverfahren nur noch den Wiedergutmachungscharakter des § 3 Abs. 2 Satz 3 AusglLeistG, aber nicht mehr den Förderzweck im Rahmen des Flächenerwerbsprogramms annimmt.

Die für das Ergebnis des BGH entscheidende Richtlinie der Treuhandanstalt vom 26. Juni 1992 ist im übrigen – entgegen der nicht begründeten Behauptung des Senats – ohne Relevanz für die Auslegung des § 3 Abs. 2 Satz 3 AusglLeistG. Der BGH schließt auf die Bedeutung der Richtlinie lediglich deshalb, weil § 3 Abs. 2 Satz 3 AusglLeistG allein diejenigen Alteigentümer als Erwerber begünstigt, die bereits zuvor Flächen gepachtet haben. Dies war in der Praxis aufgrund der Richtlinie der Treuhandanstalt zwar nur möglich gegenüber Flächennutzern, welche sich wegen der Verpachtung zur Ortsansässigkeit verpflichtet haben. Daraus läßt sich aber nicht schließen, daß diese Verpflichtung automatisch auch für Erwerber gelten sollte.

Will man annehmen, daß der Gesetzgeber außergesetzliche Regelungen wie die Richtlinie der Treuhandanstalt im Rahmen eines verabschiedeten Gesetzes voraussetzt oder zum Inhalt des Gesetzes zu erheben beabsichtigt, müssen die außergesetzlichen Regelungen ausdrücklich in das Gesetzgebungsverfahren eingeführt und dem Bundestag, dem Bundesrat und deren Gremien als Entscheidungsgrundlage vorgelegen haben. Davon freilich kann ausweislich der gesamten Gesetzesmaterialien keine Rede sein. Schon deshalb sind er Rückgriff des BGH auf die Treuhandrichtlinie und die darauf gestützten Schlußfolgerungen unvertretbar. Die Richtlinie der Treuhandanstalt hätte bei der Auslegung vielmehr überhaupt nicht herangezogen werden dürfen. Sie ist ausweislich der Gesetzesmaterialien vielmehr eine bloße Praxisregelung der Exekutive, die als solche den Inhalt eines Gesetzes nicht bestimmt hat.

Damit aber nicht genug: Der Senat des BGH zitiert die Richtlinie der Treuhandanstalt in einer wesentlichen Beziehung unrichtig, weil er – sinnentstellend – ein Komma unterschlägt. Insofern führt der BGH wörtlich aus: „Die Richtlinie definiert Wiedereinrichter nämlich als Personen, „die ortsansässig sind oder im Zusammenhang mit der Wiedereinrichtung ortsansässig werden, ihren ursprünglichen landwirtschaftlichen Betrieb wiedereinrichten und selbst bewirtschaften wollen, und zwar auch solche, bei denen die Rückgabe ihres ursprünglichen Betriebes aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen ausgeschlossen ist sowie natürliche Personen, denen Vermögenswerte durch Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage entzogen worden sind oder deren Erben, die ihren ehemaligen Betrieb wiedereinrichten und selbst bewirtschaften wollen.“

Tatsächlich lautet aber die vom BGH zitierte Passage der Treuhandrichtlinie: „Wiedereinrichter, das sind Personen, die ortsansässig sind oder im Zusammenhang mit der Wiedereinrichtung ortsansässig werden, ihren ursprünglichen landwirtschaftlichen Betrieb wiedereinrichten und selbst bewirtschaften wollen, und zwar auch solche, bei denen die Rückgabe ihres ursprünglichen Betriebes aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen ausgeschlossen ist, sowie natürliche Personen, denen Vermögenswerte durch Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage entzogen worden ist oder deren Erben, die ihren ehemaligen Betrieb wiedereinrichten und selbst bewirtschaften; ….“

Der BGH unterdrückt in seinem Zitat also das Komma zwischen den Worten „ist“ und „sowie“ und will damit suggerieren, daß sich auch der nachfolgende Satzteil „sowie natürliche Personen, denen Vermögenswerte durch Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage entzogen worden ist oder deren Erben, die ihren ehemaligen Betrieb wiedereinrichten und selbst bewirtschaften“ in der Weise auf den ersten Satzteil bezieht, daß die darin aufgestellten Voraussetzungen auch für die nach dem Wort „sowie“ aufgeführte Fallgruppe bezieht. Dieses Verständnis ist aber ausgeschlossen, wenn man das tatsächlich in der Richtlinie enthaltene Komma beachtet.

Das gilt erst recht aufgrund des Umstandes, daß die nach dem Begriff „sowie“ beschriebene Fallgruppe nicht nur dadurch beschrieben wird, daß damit Alteigentümer, die Opfer von besatzungsrechtlichen oder besatzungshoheitlichen Enteignungen geworden sind, in Bezug genommen werden, sondern auch dadurch, daß diese Alteigentümer ihren Betrieb wiedereinrichten und selbst bewirtschaften. Die Wiederholung der Voraussetzungen der Wiedereinrichtung und der Selbstbewirtschaftung für die Fallgruppe der Alteigentümer wäre widersinnig, wenn man mit dem BGH annehmen wollte, auch für diese Fallgruppe sollten die im ersten Satzteil von Ziff. 4.5 lit a der Verpachtungsrichtlinie enthaltenen Voraussetzungen der Wiedereinrichtung, der Selbstbewirtschaftung und der Ortsansässigkeit gelten. Aus dem Umstand, daß die Richtlinie als Wiedereinrichter auch solche Alteigentümer behandeln, die ihren Betrieb wiedereinrichten und selbstbewirtschaften, in deutlichem Gegensatz zur Auffassung des BGH dafür, daß diese Alteigentümer auch für die Verpachtung nicht die Voraussetzung der Ortsansässigkeit erfüllen mußten.

Im Hinblick darauf, daß die BVVG den Rücktritt von den Erwerbsverträgen nur auf Vereinbarungen in diesen Verträgen stützen kann und daß diese Vereinbarungen vielfach verwandt wurden und damit Allgemeine Geschäftsbedingungen darstellen, hätte der BGH auch darauf eingehend müssen, ob die Rücktrittsklauseln auch nach den für Allgemeine Geschäftsbedingungen geltenden Regeln in §§ 305ff. BGB überhaupt wirksam vereinbart worden sind. Dazu findet sich in dem Urteil kein Wort, obgleich die vom BGH angenommene Vereinbarung einer Ortsansässigkeitsverpflichtung jedenfalls an der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB scheitert.

Die BVVG hat ihr Rücktrittsrecht in den Erwerbsverträgen allein darauf gestützt, daß der Erwerber die Verpflichtungen aus § 3 AusglLeistG erfüllt. In bezug auf die Ortsansässigkeit in den Fällen des § 3 Abs. 2 Satz 3 AusglLeistG ist diese Vereinbarung aus mehreren Gründen aber mehrdeutig, so daß Zweifel bei der Auslegung der Rücktrittsklausel zu Lasten der BVVG gehen. Zum einen ist bereits oben dargelegt, daß sich derart relevante Zweifel einer Verpflichtung zur Ortsansässigkeit bereits aus der gesetzlichen, von der Klausel in Bezug genommenen Regelung des § 3 Abs. 2 Satz 3 AusglLeistG ergeben. Selbst wenn man sich aber darüber hinwegsetzen wollte, ergäbe sich aus § 3 Abs. 2 Satz 3 AusglLeistG allenfalls, daß der Erwerber im Zeitpunkt des Erwerbes ortsansässig sein müßte. Aus der bloßen Verweisung auf § 3 AusglLeistG läßt sich für einen Erwerber aber nicht Umständen erkennen, daß er auch noch nach Vertragsschluß ortsansässig sein soll. Eine solche Verpflichtung ist vielmehr allein in § 1 Abs. 2 Satz 2 FlErwV geregelt, auf welche die Rücktrittsklausel gerade nicht verweist. Unabhängig davon ist die Regelung in § 1 Abs. 2 Satz 2 FlErwV nicht von der gesetzlichen Ermächtigung in § 4 Abs. 3 AusglLeistG gedeckt und daher nichtig.

Obgleich das Urteil des BGH vom 4. Mai 2007 prima facie den Eindruck einer ausgewogenen Begründung vermittelt, läßt es tatsächlich die maßgeblichen Entscheidungsgesichtspunkte außer acht. Es unterstützt damit durch eine insgesamt aufgrund mehrerer rechtlicher Fehlleistungen seit langem zu beobachtende Praxis der BVVG, die darauf abzielt, die Verpachtung und die Veräußerung von ehemals volkseigenen land- und forstwirtschaftlichen Flächen einseitig zugunsten der LPG-Nachfolgeunternehmen durchzuführen. Dabei ist längst bekannt, daß die gesetzgeberischen Ziele, die der Gesetzgeber zugunsten dieser Erwerbsanwärter mit dem in § 3 AusglLeistG auch geregelten Förderprogramm der ostdeutschen Land- und Forstwirtschaft verlangt hat, im wesentlichen nicht erreicht werden kann. Dies gilt einerseits deshalb, weil die LPG-Nachfolgeunternehmen in erheblichem Umfang aufgrund von diversen Machenschaften zu Lasten ehemaliger LPG-Mitglieder nicht entsprechend den gesetzlichen Vorschriften umgewandelt wurden, andererseits aber auch aufgrund des Umstandes, daß diese Unternehmen mit einer durchschnittlichen Größe von über 1.000 ha und einer weitgehenden Beschäftigung von Lohnarbeitnehmern nicht in der Lage sind, mit hinreichendem Gewinn zu wirtschaften und seit Jahren nur aufgrund übergebührlicher Subventionen und auf Kosten der Betriebssubstanz überleben.

LG Neubrandenburg, Beschluß vom 20.9.2006 – 712 RHS 38/04

Wortlaut der Entscheidung

Verantwortliche Richter:  

Klaus Kabisch, Vorsitzender Richter am LG
Reinhard Elfers, Richter am LG
Henning Kolf, Richter am LG

Anlaß und maßgeblicher Inhalt der Entscheidung: 

Die Entscheidung der Rehabilitierungskammer betrifft den Fall der Verfolgung eines Betroffenen im Rahmen der sog. Bodenreform. Die deshalb gestellten Anträge auf strafrechtliche Rehabilitierung haben die Richter der Rehabilitierungskammer mit der Begründung abgelehnt, die Frage, ob die Enteignung Strafcharakter gehabt habe, sei ohne Belang. Jedenfalls sei die besatzungshoheitliche Maßnahme nicht in einem förmlichen Strafverfahren ergangen. Sie sei also allenfalls eine Strafmaßnahme, aber keine strafrechtliche Maßnahme. Außerhalb eines Strafverfahrens seien gerichtliche oder behördliche Entscheidungen nur im Rahmen von § 2 StrRehaG rehabilitierungsfähig, dessen Voraussetzungen aber nicht vorlägen.

Warum die Entscheidung unvertretbar ist: 

Voraussetzung einer strafrechtlichen Rehabilitierung ist u.a. eine strafrechtliche Entscheidung eines staatlichen deutschen Gerichts (§ 1 Abs. 1 Satz 1 StrRehaG) oder eine (andere) strafrechtliche Maßnahme, die keine gerichtliche Entscheidung ist (§ 1 Abs. 5 StrRehaG). Davon ist aufgrund der Vorgaben in Art. 17 EVertr (politisch motivierte Strafverfolgungsmaßnahme) und in der Gesetzesbegründung zum Ersten Unrechtsbereinigungsgesetz (BT-Drucks. 12/1608, S. 18) auch bei Strafmaßnahmen „außerhalb eines förmlichen bzw. außerhalb eines geregelten Strafverfahrens“ auszugehen. Damit besteht eine grundsätzliche Rehabilitierungsfähigkeit gegenüber jedem staatlichen Hoheitsakt, der materiell-rechtlich nach Recht oder Rechtspraxis in SBZ oder DDR dem Strafrecht zuzuordnen war.

Auf die Förmlichkeit eines Strafverfahrens kommt es dagegen schon deshalb nicht an, weil dafür der Begriff der strafrechtlichen Maßnahmen nichts hergibt. Dies läßt sich auch nicht mit dem Wortspiel der Kammer begründen, die Enteignungen seien möglicherweise eine Strafmaßnahme, aber keine strafrechtliche Maßnahme gewesen. Beide Begriffe sind vielmehr identisch. Wichtiger noch ist der Umstand, daß mit einer Begrenzung auf förmliche Strafverfahren die besonders einschneidende Formen der strafrechtlichen Verfolgung einer strafrechtlichen Rehabilitierung entzogen werden, was dem mit der Rehabilitierung verfolgten Wiedergutmachungszweck diametral entgegensteht. Ohnehin stellt auch das BVerfG zur Bestimmung des strafrechtlichen Charakters einer Maßnahme ausschließlich auf ihren materiellen Gehalt ab und führt aus, daß bereits die Verhängung einer materiellen Strafe in einem verwaltungsrechtlichen Verfahren ohne Beachtung der Garantien des Strafprozeßrechts rechtsstaatswidrig sei (BVerfGE 22, 49, 73ff., 76ff., 81).

Daß es bei der Konkretisierung von § 1 Abs. 1 und 5 StrRehaG auf ein förmliches Strafverfahren nicht ankommen kann, ergibt sich im übrigen aus dem Zweck des Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes, vor allem daraus, die besonders schwerwiegenden Fälle von strafrechtlicher Verfolgung zu rehabilitieren. In der SBZ und DDR sind aber gerade diese Fälle häufig nicht in förmlichen, namentlich den Vorschriften der Strafprozeßordnung entsprechenden Verfahren durchgeführt worden. Diese Strafverfolgungsmaßnahmen könnten dann aber nicht rehabilitiert werden, wenn die durch nichts begründete und begründbare Auffassung der Kammer zutreffend wäre. Genannt seien etwa die vor der Wirtschaftsverwaltung durchgeführten Wirtschaftsstrafverfahren nach der Verfahrensordnung zur Wirtschaftsstrafverordnung, die weitgehende Beseitigung förmlicher strafprozessualer Garantien durch den SMAD-Befehl Nr. 201 und die dazu erlassene Ausführungsbestimmung Nr. 3 oder die ungesetzlichen Maßnahmen des Ministeriums für Staatssicherheit, das aber ausdrücklich als strafrechtliches Untersuchungsorgan agiert hat (vgl. § 88 II Nr. 2 StPO-DDR).

BVerwG, Urteil vom 24. September 2003 –8 C 27.02

Das Urteil vom 24. September 2003 betrifft einen auf § 1 Abs. 1 lit. a VermG gestützte Antrag auf Rückgabe eines im Rahmen der sog. Bodenreform geschädigten Rittergutes im Rahmen der sog. Bodenreform. Es bejaht diesen Anspruch grundsätzlich, weil es unterstellt, daß Zugriffe auf Vermögenswerte im Zuge der Bodenreform entschädigungslose Enteignungen i.S.v. von § 1 Abs. 1 lit. a VermG dargestellt hätten. Obgleich der Vermögensverlust noch vor Gründung der DDR, also unter sowjetischer Besatzungshoheit erfolgte, hat das Gericht im vorliegenden Fall keine Enteignung auf einer besatzungsrechtlichen oder besatzungshoheitlichen Grundlage angenommen, weil dazu ein konkretes Enteignungsverbot der Besatzungsmacht vorgelegen habe.

Wortlaut der Entscheidung

Verantwortliche Richter: 

Dr. Hellmuth Müller, Vorsitzender Richter am BVerwG
Dr. Martin Pagenkopf, Richter am BVerwG
Günter Krauß, Richter am BVerwG
Hartmut Golze, Richter am BVerwG
Dr. Sibylle von Heimburg, Richterin am BVerwG 

Anlaß und maßgeblicher Inhalt der Entscheidung: 

Das Urteil vom 24. September 2003 betrifft einen auf § 1 Abs. 1 lit. a VermG gestützte Antrag auf Rückgabe eines im Rahmen der sog. Bodenreform geschädigten Rittergutes im Rahmen der sog. Bodenreform. Es bejaht diesen Anspruch grundsätzlich, weil es unterstellt, daß Zugriffe auf Vermögenswerte im Zuge der Bodenreform entschädigungslose Enteignungen i.S.v. von § 1 Abs. 1 lit. a VermG dargestellt hätten. Obgleich der Vermögensverlust noch vor Gründung der DDR, also unter sowjetischer Besatzungshoheit erfolgte, hat das Gericht im vorliegenden Fall keine Enteignung auf einer besatzungsrechtlichen oder besatzungshoheitlichen Grundlage angenommen, weil dazu ein konkretes Enteignungsverbot der Besatzungsmacht vorgelegen habe.

Warum die Entscheidung unvertretbar ist: 

Das BVerwG hätte die auf § 1 Abs. 1 lit. a VermG gestützte Klage abweisen müssen, weil Vermögensschädigungen im Rahmen der Bodenreform stets gegen Personen oder Personengruppen gerichtet waren und daher Akte politischer Verfolgung dargestellt haben. Statt dessen bestehen auch wegen der vermögensrechtlichen Schädigungen Rehabilitierungsansprüche nach § 1 Abs. 1 S. 1 VwRehaG. Erst die Rehabilitierung des Betroffenen begründet Folgeansprüche und dabei auch vermögensrechtliche Ansprüche nach Maßgabe des Vermögensgesetzes (§ 7 Abs. 1 VwRehaG, § 1 Abs. 7 VermG). Für die Anwendbarkeit des Vermögensgesetzes ist es dann nach § 1 Abs. 8 lit. a, 2. Halbs. VermG unerheblich, ob der Vermögensverlust auf besatzungsbezogener Grundlage oder nach Gründung der DDR eingetreten ist. Auf die Frage eines im Einzelfall bestehenden Enteignungsverbots der sowjetischen Besatzungsmacht kommt es daher von vornherein nicht.

Daß § 1 Abs. 1 lit. a VermG vermögensschädigende Verfolgungsakte durch die Bodenreform nicht erfaßt, ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift. Es handelt sich hierbei um keine bloßen entschädigungslosen Enteignungen, sondern um verfolgungsbedingte Eingriffe in Vermögenswerte (§ 1 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 VwRehaG). Bei Enteignungen handelt es sich nur um rein objektbezogene Vermögensverluste, die die Persönlichkeitssphäre des Geschädigten nicht berühren. Wurde der Vermögenseingriff aber verübt, um eine bestimmte Person oder Personengruppe zu schädigen, liegt schon begrifflich keine bloße Enteignung vor.

Auch rechtssystematisch ist die Rechtslage eindeutig. Die unmittelbare Anwendbarkeit des Vermögensgesetzes ist in § 1 Abs. 1 – Abs. 5 VermG geregelt. Sämtliche dieser Tatbestände erfassen keine Vermögensverluste, die gegen Personen oder Personengruppen gerichtet waren. Sie stellen vielmehr ausnahmslos objektbezogene Vermögensschädigungen dar. Auf verfolgungsbedingte Vermögenszugriffe ist das Vermögensgesetz dagegen nur entsprechend anwendbar und zwar einerseits für verfolgungsbedingte Vermögenseingriffe unter NS-Herrschaft (§ 1 Abs. 6 VermG) und andererseits unter SED-Herrschaft (§ 1 Abs. 7 VermG, § 1 Abs. 1 und 2 VwRehaG, § 1 Abs. 1 StrRehaG). Dabei stellt § 1 Abs. 8 lit. a, 2. Halbs. VermG ausdrücklich klar, daß sich die Unanwendbarkeit des Vermögensgesetzes für Enteignungen auf besatzungsrechtlicher und besatzungshoheitlicher Grundlage nach § 1 Abw. 8 lit. a, 1. Halbs. VermG nicht für verfolgungsbedingte Vermögenszugriffe i.S.v. § 1 Abs. 6 und 7 VermG gilt. Aus dem Umkehrschluß daraus ergibt sich erneut zwingend, daß § 1 Abs. 1 lit. a VermG, dessen Geltung für besatzungsrechtliche und besatzungshoheitliche Enteignungen ausgeschlossen ist, lediglich objektbezogene entschädigungslose Enteignungen, nicht aber verfolgungsbedingte Vermögenseingriffe i.S.v. § 1 Abs. 6 und 7 VermG erfaßt.

Dabei ergibt sich keine Erweiterung des Anwendungsbereichs von § 1 Abs. 1 lit. a VermG aus dem Umstand, daß § 1 Abs. 7 VermG Ergebnis eines zweistufigen Verfahrens ist und erst eingreift, sobald eine Rehabilitierung vorliegt. Dies ergibt sich für strafrechtliche Verfolgungsakte bereits aus dem Umstand, daß jede wesentlich rechtsstaatswidrige strafrechtliche Vermögenseinziehung zu rehabilitieren ist, weil das Strafrechtliche Rehabilitierungsgesetz keine seinen Anwendungsbereich beschränkenden Regelungen enthält. Das Verwaltungsrechtliche Rehabilitierungsgesetz enthält zwar in § 1 Abs. 1 S. 2 und 3 VwRehaG Tatbestände, die den nach § 1 Abs. 1 S. 1 VwRehaG eröffneten Geltungsbereich beschränken. Sie dienen aber ganz überwiegend lediglich dem Zweck, Überschneidungen von Vermögensschädigungen, die bereits vom Vermögensgesetz oder seinen Nichtanwendungstatbeständen in § 1 Abs. 8 VermG erfaßt werden, mit solchen, für die der Anwendungsbereich des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes eröffnet ist, auszuschließen. Solche Überschneidungen hat der Gesetzgeber gegenüber vom Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz erfaßten Vermögenseinziehungen nicht gesehen. Dieses Gesetz erfaßt aber keine nur objektbezogenen Vermögensverluste, sondern gilt ausschließlich für verfolgungsbedingte Vermögenseinziehungen. Da auch das verwaltungsrechtliche Rehabilitierungsrecht nach der Denkschrift zum Einigungsvertrag (BT-Drucks. 11/7760, S. 355, 363) vergleichbar dem strafrechtlichen Rehabilitierungsrecht ausgestaltet werden sollte, spricht nichts dafür, daß verwaltungsrechtliche verfolgungsbedingte Vermögensverluste nicht ausschließlich dem Rehabilitierungsrecht, sondern dem Vermögensgesetz zugeordnet werden sollten. Der Regelungen in § 1 Abs. 1 S. 2 und 3 VwRehaG bedurfte es gleichwohl, weil das Verwaltungsrechtliche Rehabilitierungsgesetz, anders als das Strafrechtliche Rehabilitierungsgesetz auch willkürliche, also auch rein objektbezogene, die Persönlichkeitssphäre des Betroffenen nicht berührende Vermögenseingriffe erfaßt (§ 1 Abs. 2, 2. Alt. VwRehaG), die ihrerseits bereits in den Anwendungsbereich des Vermögensgesetzes fallen (vgl. insbesondere § 1 Abs. 3 VermG). Für diese Überschneidung mußte das Verwaltungsrechtliche Rehabilitierungsgesetz eine Abgrenzung zum Vermögensgesetz vornehmen, um doppelte Ansprüche zu vermeiden. Insofern gelten die Ausschlußtatbestände in § 1 Abs. 1 S. 2 und 3 VwRehaG nur für willkürliche, nicht aber auch für verfolgungsbedingte Vermögensschädigungen.

Diese Regelungen entsprechen auch dem unterschiedlichen Unrechtsgehalt von verfolgungsbedingten und rein objektbezogenen Vermögensverlusten. Das Rehabilitierungsrecht reagiert auf Eingriffe in die Persönlichkeitssphäre und beseitigt mit der Rehabilitierung den politischen Makel, der dem Betroffenen unter SED-Herrschaft zugefügt worden ist. Das Vermögensrecht bezieht sich dagegen nur auf objektbezogene Vermögenszugriffe, denen gegenüber kein politischer Makel des Betroffenen zu beseitigen ist, weil er mit dieser Form des Unrechts nicht verbunden war. Es beschränkt sich damit ausschließlich auf die Gewährung eines vermögensrechtlichen Ausgleichs in Form von Rückgabe, Entschädigung oder Erlösherausgabe. Durch die bloße Anwendung des Vermögensgesetzes auch auf verfolgungsbedingte Vermögenseingriffe im Zuge der Bodenreform unterbleibt per se die Beseitigung des politischen Makels. Dies aber ist mit dem Zweck des Rehabilitierungsrechts unvereinbar.

Wegen der Ausschlußtatbestände in § 1 Abs. 1 S. 2 und 3 VwRehaG führt eine gesetzwidrige Ausweitung des Geltungsbereichs der entschädigungslosen Enteignungen i.S.v. § 1 Abs. 1 lit. a VermG auch auf verfolgungsbedingte Vermögenszugriffe zudem dazu, daß die gesetzliche Anordnung der verwaltungsrechtlichen Rehabilitierung verfolgungsbedingter Vermögenseingriffe (§ 1 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, 1. Alt. VwRehaG) leer läuft. Das aber widerspricht dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers, der Eingriffe in Vermögenswerte in § 1 Abs. 1 S. 1 VwRehaG als eine zentrale Form der politischen Verfolgung angegeben hat, die zu rehabilitieren ist. Dazu führt denn auch vom 3. Senat des BVerwG begründete rehabilitierungsrechtliche Rechtsprechung, die eine Rehabilitierung nur für den in § 1 Abs. 3 VwRehaG geregelten Spezialfall der Vertreibungen im Rahmen der Aktionen „Ungeziefer“ und „Kornblume“, nicht aber für den in § 1 Abs. 1 S. 1 VwRehaG Normalfall der politischen Verfolgung zuläßt.

Diese Differenzierung führt zudem zu nicht nachvollziehbaren Ergebnissen, die allein von der willkürlichen Ausgestaltung des Verfolgungsgeschehens des SED-Regimes abhängt. Hat es das Verfolgungsgeschehen derart ausgestaltet, daß der Vermögenszugriff nur unbeabsichtigte Folge des Eingriffs in die Persönlichkeitssphäre war, soll nach der Rechtsprechung des BVerwG eine verwaltungsrechtliche Rehabilitierung möglich sein, nicht aber dann, wenn mit dem Persönlichkeitseingriff auch der Zugriff auf das Vermögen des Betroffenen bezweckt war. Beide Unrechtsformen unterschieden sich in ihrem Unrechtsgehalt aber keineswegs. Die Differenzierung des BVerwG ist damit ebenso willkürlich wie die entsprechende Unrechtsausgestaltung im SED-Regime.

Nichts anderes ergibt sich auch aus den Erläuterungen der Bundesregierung zum Entwurf des Vermögensgesetzes (BT-Drucks. 11/7831). Wenn dort ausgeführt wird, bei den von § 1 Abs. 8 lit. a VermG erfaßten Enteignungen auf besatzungsrechtlicher und besatzungshoheitlicher Grundlage handele es sich um entschädigungslose Enteignungen im Bereich der Industrie zugunsten der Länder der SBZ und im Bereich der Landwirtschaft im Rahmen der sog. demokratischen Bodenreform, die nicht mehr rückgängig gemacht werden sollen, dann beziehen sich auch diese Ausführungen ausschließlich auf Enteignungen, die es bei diesen Aktionen ebenfalls in erheblichem Umfang gegeben hat, nicht aber auf verfolgungsbedingte Vermögenseingriffe.

BVerfG, Beschluß vom 4. Juli 2003 – 1 BvR 834/02

Die nicht zur Entscheidung angenommene Verfassungsbeschwerde betrifft die vom BVerwG (Urteil vom 21. Februar 2002 – 3 C 16.01 –, siehe dort) abgelehnte verwaltungsrechtliche Rehabilitierung eines Gutsbesitzers, der als Ortsgruppenleiter der NSDAP von der sowjetischen Besatzungsmacht verhaftet und 1947 im Lager des NKWD den Tod fand. Sein landwirtschaftliches Anwesen wurde auf der Grundlage des SMAD-Befehls Nr. 124 enteignet. Wegen der Verhaftung und der Lagerhaft wurde er 1995 von der Generalstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation rehabilitiert.

Wortlaut der Entscheidung

Verantwortliche Richter: 

Dr. h.c. Renate Jaeger, Richterin am BVerfG
Dr. Dieter Hömig, Richter am BVerfG
Prof. Dr. Brun-Otto Bryde, Richter am BVerfG

Anlaß und maßgeblicher Inhalt der Entscheidung: 

Die nicht zur Entscheidung angenommene Verfassungsbeschwerde betrifft die vom BVerwG (Urteil vom 21. Februar 2002 – 3 C 16.01 –, siehe dort) abgelehnte verwaltungsrechtliche Rehabilitierung eines Gutsbesitzers, der als Ortsgruppenleiter der NSDAP von der sowjetischen Besatzungsmacht verhaftet und 1947 im Lager des NKWD den Tod fand. Sein landwirtschaftliches Anwesen wurde auf der Grundlage des SMAD-Befehls Nr. 124 enteignet. Wegen der Verhaftung und der Lagerhaft wurde er 1995 von der Generalstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation rehabilitiert.

Verstöße wegen der Ablehnung der verwaltungsrechtlichen Rehabilitierung der Enteignung des Gutes gegen Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG hat die 2. Kammer des Ersten Senats des BVerfG verneint, weil sie für vermögensschädigende Maßnahmen, die einer ausländischen Staatsgewalt zuzurechnen seien, nicht herzuleiten gewesen seien.

Im übrigen habe die Auffassung der Verwaltungsgerichte, daß die Eltern des Beschwerdeführe im Hinblick auf die Regelung des § 1 Abs.1 S. 3 VwRehaG nicht verwaltungsrechtlich zu rehabilitieren seien, das Willkürverbot aus Art. 3 Abs. 1 GG nicht verletzt, weil das BVerwG die Regelung im Einklang mit Wortlaut, Sinn, Zweck und Entstehungsgeschichte der Klausel in der Weise ausgelegt habe, daß damit eine Umgehung des in § 1 Abs. 8 Buchst. a, 1. Halbs. VermG enthaltenen Restitutionsausschlusses durch eine verwaltungsrechtliche Rehabilitierung umgangen werden sollte. 

Schließlich sei auch die Ungleichbehandlung von auf der Grundlage des SMAD-Befehls Nr. 124 enteigneten und Betroffenen, deren Vermögenswerte durch ein Sowjetisches Militärtribunal eingezogen worden seien, was eine Rehabilitierung durch Organe der Russischen Föderation gerechtfertigt. Dies ergebe sich daraus, daß die UdSSR anläßlich der Verhandlungen über die deutsche Wiedervereinigung die Anerkennung der Gesetzlichkeit, Rechtmäßigkeit und Legitimität ihrer Maßnahmen als Besatzungsmacht gefordert habe. Damit habe sie Unrechtsvorwürfe durch deutsche Staatsorgane verhindern wollen. Daneben trete, daß die DDR ein Verbot, Enteignungen auf besatzungsrechtlicher und besatzungshoheitlicher Grundlage rückgängig zu machen, gefordert habe.

Warum die Entscheidung unvertretbar ist: 

Die 2. Kammer des Ersten Senats hat zwar Verstöße gegen die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 und Art. 14 Abs-1 GG mit Recht verneint, weil sie weder örtlich (ratione loci) noch zeitlich (ratione temporis) in der SBZ galten. Grundlegende Rechtsfehler enthalten aber die Begründungen, mit denen die Kammer auch die Verletzung des Willkürgrundsatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) verneint.

Zunächst ist es nicht vertretbar, wenn die Kammer darlegt, § 1 Abs. 8 Buchst. a, 1. Halbs. VermG enthalte ein Restitutionsverbot, das durch eine verwaltungsrechtliche Rehabilitierung nicht umgangen werden sollte, weshalb § 1 Abs. 1 S. 3 VwRehaG auch sie für Enteignungen auf besatzungsrechtlicher und besatzungshoheitlicher Grundlage ausschließe. § 1 Abs. 8 Buchst. a, 1. Halbs. VermG enthält aber schon nach seinem Wortlaut eindeutig kein Rückgabeverbot. § 1 VermG regelt ausschließlich den positiven und den negativen Anwendungsbereich des Gesetzes, nicht aber das Bestehen oder Nichtbestehen vermögensrechtlicher Ansprüche. Dies ist erst Regelungsgegenstand der §§ 3 ff. VermG. Deshalb enthält § 1 Abs. 8 VermG lediglich vier Fallgruppen, die an sich in den Anwendungsbereich des Vermögensgesetzes fallen, dort aber wieder ausgenommen wird, weil für sie vermögensrechtliche Ansprüche anderweitig, etwa im Ausgleichsleistungs- oder im Vermögenszuordnungsgesetz, geregelt sind. § 1 Abs. 8 VermG verhindert damit lediglich, daß es zu keinen doppelten Wiedergutmachungsansprüchen – nach dem Vermögensgesetz und nach anderen Rechtsgrundlagen – kommt.

Im Vermögensgesetz ist für die Fallgruppen in § 1 Abs. 8 VermG zwingend auch deshalb kein Rückübertragungsverbot enthalten, weil der Gesetzgeber für sie außerhalb des Vermögensgesetzes wiederholt eine Rückgabe vorgesehen hat. Dies gilt nach § 5 Abs. 1 AusglLeistG zunächst für auf besatzungsrechtlicher und besatzungshoheitlicher Grundlage enteignete bewegliche Sachen. Auch die Regelungen über den von land- und forstwirtschaftlichen Flächen in § 3 Abs. 5 AusglLeistG, die damit die Rückübertragung von unter Besatzungshoheit entzogene Flächen an die Alteigentümer ermöglichen, stehen der Annahme, es habe ein Restitutionsverbot gegeben, entgegen. Gleiches gilt für die Fallgruppe der Enteignungen von öffentlich-rechtlichen Körperschaften (§ 1 Abs. 8 Buchst. d VermG), weil für sie Rückgabeansprüche nach § 11 Abs. 1 S. 1 VZOG bestehen.

Mehr noch: Die Annahme eines Rückgabeverbotes steht auch in offenkundigem Widerspruch zu den Feststellungen des BVerfG im sog. Bodenreformurteil vom 23. April 1991 (BVerfGE 84, 90 ff.). Dort wird das in Nr. 1 S. 1 der Gemeinsamen Erklärung vom 15. Juni 1990 (GE) enthaltene Verbot, Enteignungen auf besatzungsrechtlicher und besatzungshoheitlicher Grundlage nicht mehr rückgängig zu machen, gerade nicht als allgemeines Rückgabeverbot verstanden, sondern lediglich als Verbot, diese Enteignungen nicht mehr rückgängig zu machen und ihre Rechtsfolgen durch eine Rückgabe umfassend zu bereinigen. Nur eine derartige Rückgabe, die ihr entgegenstehende Interessen, etwa den Schutz redlicher Erwerber oder überwiegender öffentlicher Nutzungsinteressen, nicht berücksichtigt, sollte durch Nr. 1 S. 1 GE ausgeschlossen werden (vgl. BVerfGE 84, 90, 121). Dagegen weist das Bodenreformurteil auf die in Nr. 1 S. 4 GE ausdrücklich vorbehaltenen Ausgleichsleistungen hin, für deren Ausgestaltung es von seiten der UdSSR und der DDR keine Vorgaben gegeben habe (BVerfGE 84, 90, 121, 127, 129.). Deshalb hält das Bodenreformurteil auch einen Rückerwerb der besatzungsbezogen enteigneten Vermögenswerte für zulässig (BVerfGE 84, 90, 126 f., 131; ebenso: BVerfGE 94, 12, 46). Demzufolge steht die Behauptung eines allgemeinen Rückgabeverbots auch in klarem Widerspruch zu den Feststellungen, die im Bodenreformurteil aufgrund einer eigens durchgeführten Beweisaufnahme getroffen wurden.

Da der Betroffene durch die auf den SMAD-Befehl Nr. 124 gestützte Schädigung seines Vermögens einer politischen Verfolgung ausgesetzt war, war Verfahrensgegenstand zudem tatsächlich keine Enteignung i.S.v. § 1 Abs. 8 Buchst. a, 1. Halbs. VermG, sondern ein verfolgungsbedingter Entzug von Vermögenswerten i.S.v. § 1 Abs. 1 S. 1 VwRehaG, § 1 Abs. 8 Buchst. a, 2. Halbs. VermG. Die Annahme einer Enteignung steht ebenfalls in offenkundigem Widerspruch zu geltendem Recht, so daß die Kammer das Urteil des BVerwG vom 21. Februar 2002 auch deshalb als Willkürentscheidung hätte beurteilen müssen (vgl. Besprechung des Urteils des BVerwG vom 21. Februar 2002 – 3 C 16.01 –). Da das BVerwG sein Urteil aber begründet hat, hätten in der Verfassungsbeschwerde eingehend dargelegt werden müssen, weshalb ein offenkundiger Widerspruch der Entscheidungsgründe zum geltenden Recht bestand. Dies allerdings dürfte unterblieben sein, so daß die Kammer keine Veranlassung hatte, darauf näher einzugehen, sondern sich darauf zurückziehen konnte, auf die Begründung des BVerwG zu verweisen, die sich auf Wortlaut, Sinn und Zweck sowie Entscheidungsgeschichte des § 1 Abs. 1 S. 3 VwRehaG berufen hatte.

Soweit die Kammer schließlich die unterschiedliche Handhabung der Rechtsprechung des BVerwG von Vermögenseinziehungen durch Sowjetische Militärtribunale, die durch Organe der russischen Föderation rehabilitiert worden sind, einerseits und durch deutsche Organe unter sowjetischer Besatzungshoheit andererseits mit der Aussage gerechtfertigt hat, die UdSSR habe anläßlich der Verhandlungen über die deutsche Wiedervereinigung gefordert, deutsche Staatsorgane dürften ihr wegen ihrer Maßnahmen unter ihrer Besatzungshoheit keine Unrechtsvorwürfe unterbreiten und der Bundesgesetzgeber habe entsprechend dieser Einschätzung entscheiden dürfen, ist auch dies unvertretbar. Diese Angabe steht in offenkundigem Widerspruch zu den Vereinbarungen in der Gemeinsamen Erklärung der beiden deutschen Regierungen vom 15. Juni 1990, deren Inhalt ein Vertreter der UdSSR am 12. September 1990 zustimmend zur Kenntnis genommen hat, zu den Feststellungen des BVerfG im Bodenreformurteil vom 23. April 1991 und zu diversen gesetzlichen Regelungen, mit denen auch eine Wiedergutmachung für besatzungsbezogene Maßnahmen vorgesehen sind.

Nr. 1 GE enthält nicht nur die Vereinbarung, daß Enteignungen auf besatzungsrechtlicher und besatzungshoheitlicher Grundlage nicht mehr rückgängig gemacht werden dürfen. Vielmehr hat sich die Bundesregierung in Nr. 1 S. 4 GE auch Ausgleichsleistungen vorbehalten. Ebenso wie eine durch Nr. 1 S. 1 GE ausgeschlossene Rückgängigmachung erfolgen Ausgleichsleistungen aber nur deshalb, weil die entschädigungslosen, besatzungsbezogenen Enteignungen als Unrecht beurteilt werden. Gleiches gilt für die in Nr. 9 GE vereinbarte Rehabilitierung von strafrechtlichen Vermögenseinziehungen, die sich auch auf solche Maßnahmen unter sowjetischer Besatzungshoheit beziehen. Sieht aber bereits die Gemeinsame Erklärung vor, daß es dem vereinten Deutschland möglich sein soll, Wiedergutmachungsleistungen für Unrechtsmaßnahmen unter Besatzungshoheit vorzusehen, wird mit deshalb erfolgenden Wiedergutmachungsentscheidungen die Rechtswidrigkeit der unter Besatzungshoheit verübten Maßnahmen festgestellt. Damit wird der UdSSR als Besatzungsmacht ebenfalls ein Unrechtsvorwurf unterbreitet. Da die UdSSR aber keine Einwendungen gegen die deutsch-deutschen Vereinbarungen in der Gemeinsamen Erklärung hatte, ist es deshalb denknotwendig ausgeschlossen, daß sie mit der Forderung, das vereinte Deutschland müsse die Gesetzmäßigkeit, Rechtmäßigkeit und Legitimität ihrer Maßnahmen zur Zeit der sowjetischen Besatzung anerkennen, verhindern wollte, daß deutsche Staatsorgane im Rahmen wiedergutmachungsrechtlicher Entscheidungen deren Rechtswidrigkeit feststellen und damit die Besatzungsmacht mit einem Unrechtsvorwurf konfrontieren.

Diese Einschätzung liegt auch der bundesdeutschen Wiedergutmachungsgesetzgebung zugrunde. Der Bundesgesetzgeber hat das Ausgleichsleistungsgesetz erlassen, das nach § 1 Abs. 1 S. 1 AusglLeistG Ausgleichsleistungen für entschädigungslose Enteignungen auf besatzungsrechtlicher und besatzungshoheitlicher Grundlage, also für rechtsstaatswidrige Maßnahmen vorsieht. Darüber hinaus gelten das Straf- und das Verwaltungsrechtliche Rehabilitierungsgesetz auch für im Zeitraum vom 8. Mai 1945 bis zum 7. Oktober 1949 verübte Maßnahmen der politischen Verfolgung sowie Willkürakte, also für wesentlich rechtsstaatswidrige Unrechtsakte während der sowjetischen Besatzungsherrschaft. Dabei erfassen die Rehabilitierungsgesetze sowohl Unrechtsakte mit vermögensschädigenden Maßnahmen als auch Zugriffe auf andere Rechtsgüter. Diese Gesetze sind jeweils von der Bundesregierung entworfen worden. Insofern ist es ausgeschlossen, daß sie während der Verhandlungen mit der Sowjetunion zur der Einschätzung gelangte, sie sei gehindert, eine Gesetzgebung zur Wiedergutmachung besatzungshoheitlicher Unrechtsakte zu erlassen.

Die Aussage der Kammer steht schließlich auch in offenem Widerspruch zu den Feststellungen im Bodenreformurteil des BVerfG vom 23. April 1991. Dort wurde ausdrücklich betont, daß sich die Bundesregierung Ausgleichsleistungen für das Unrecht der besatzungsbezogenen Enteignungen vorbehalten habe, daß es von seiten der UdSSR und der DDR keine Vorgaben für deren Ausgestaltung gegeben habe und daß sie deshalb auch einen Rückerwerb vorsehen könnten. Der Präsident und Vorsitzende des Ersten Senats des BVerfG, Prof. Dr. Roman Herzog der maßgeblich am Bodenreformurteil mitgewirkt hat, hat denn auch in einer Publikation dargelegt, mit der Forderung nach Anerkennung der Gesetzmäßigkeit, Rechtmäßigkeit und Legitimität ihrer Maßnahmen habe die UdSSR nur die für abziehende Besatzungsmächte übliche Indemnität eingefordert, mit der bundesdeutsche Schadensersatzansprüche wegen des verübten Unrechts gegen die Sowjetunion als Siegermacht ausgeschlossen werden sollten (Herzog, in: Sobotka, Wiedergutmachungsverbot?, Die Enteignungen in der ehemaligen SBZ zwischen 1945 und 1949,  S. 153 ff.).

Die allein das völkerrechtliche Verhältnis zwischen der Bundesrepublik und der Sowjetunion betreffende Indemnitätsforderung rechtfertigt die von der Kammer geprüfte Ungleichbehandlung von durch die SMT und durch deutsche Organe verübte Vermögensschädigungen jedoch offenkundig nicht.

BVerwG, Beschluß vom 11. April 2002 –3 B 16.01

Der Beschluß ist in einem Verfahren über die Zulassung der Revision ergangen, dessen Ausgangsverfahren die Vermögensschädigung eines gräflichen Gutes mit einer Größe von über 100 ha im Rahmen der Bodenreform zum Gegenstand hatte. Der 3. Senat des BVerwG hat die Beschwerde für unbegründet erachtet, weil kein Zulassungsgrund i.S.v. § 132 Abs. 2 VwGO gegeben sei. Dazu legt er insbesondere dar, daß die in der Beschwerde vor allem aufgeworfene Frage, ob Bodenreformmaßnahmen verwaltungsrechtlich zu rehabilitieren seien, bereits hinreichend geklärt sei. Deshalb seien in der Revision keine Grundsatzfragen mehr klärungsbedürftig. Dies ist angesichts des kurz zuvor ergangenen Urteils des 3. Senats des BVerwG vom 21. Februar 2002 – 3 C 16.01 –, das allerdings zu einer auf den SMAD-Befehl Nr. 124 gestützten Enteignung ergangen war, wahrscheinlich vertretbar. Unvertretbar sind aber die weiteren – für das Ergebnis der Entscheidung über die Zulassungsbeschwerde allerdings nicht erheblichen – Ausführungen, mit denen der Senat begründet, weshalb für auf einer politischen Verfolgung beruhende Vermögensschädigungen eine verwaltungsrechtliche Rehabilitierung ausgeschlossen sei.

Wortlaut der Entscheidung

Verantwortliche Richter: 

Prof. Dr. Hans-Joachim Driehaus, Vorsitzender Richter am BVerwG
Dr. Hermann Borgs-Maciejewski, Richter am BVerwG
Peter Kimmel, Richter am BVerwG

Anlaß und maßgeblicher Inhalt der Entscheidung: 

Der Beschluß ist in einem Verfahren über die Zulassung der Revision ergangen, dessen Ausgangsverfahren die Vermögensschädigung eines gräflichen Gutes mit einer Größe von über 100 ha im Rahmen der Bodenreform zum Gegenstand hatte. Der 3. Senat des BVerwG hat die Beschwerde für unbegründet erachtet, weil kein Zulassungsgrund i.S.v. § 132 Abs. 2 VwGO gegeben sei. Dazu legt er insbesondere dar, daß die in der Beschwerde vor allem aufgeworfene Frage, ob Bodenreformmaßnahmen verwaltungsrechtlich zu rehabilitieren seien, bereits hinreichend geklärt sei. Deshalb seien in der Revision keine Grundsatzfragen mehr klärungsbedürftig. Dies ist angesichts des kurz zuvor ergangenen Urteils des 3. Senats des BVerwG vom 21. Februar 2002 – 3 C 16.01 –, das allerdings zu einer auf den SMAD-Befehl Nr. 124 gestützten Enteignung ergangen war, wahrscheinlich vertretbar. Unvertretbar sind aber die weiteren – für das Ergebnis der Entscheidung über die Zulassungsbeschwerde allerdings nicht erheblichen – Ausführungen, mit denen der Senat begründet, weshalb für auf einer politischen Verfolgung beruhende Vermögensschädigungen eine verwaltungsrechtliche Rehabilitierung ausgeschlossen sei.

Zur Begründung seiner Ansicht, eine verwaltungsrechtliche Rehabilitierung sei für vermögensschädigende Maßnahmen der politischen Verfolgung ausgeschlossen, beruft sich der Senat zunächst auf sein zu § 1 Abs. 1 S. 2 VwRehaG ergangenes Urteil vom 23. August 2001 – 3 C 39.00 –. Danach werde ein zielgerichteter Zugriff auf Vermögenswerte, der nicht lediglich eine Nebenfolge einer als grob rechtsstaatswidriger Eingriff in die Persönlichkeitssphäre zu beurteilende hoheitliche Maßnahme der DDR war, vom Vermögensgesetz erfaßt und demzufolge nach § 1 Abs. 1 S. 2 VwRehaG aus dem Geltungsbereich des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes ausgeschlossen. Bereits diese im Urteil vom 23. August 2001 vorgenommene Abgrenzung zwischen Recht der offenen Vermögensfragen und verwaltungsrechtlichem Rehabilitierungsrecht ist allerdings mit geltendem Recht unvereinbar (siehe dazu die Besprechung des Urteils des BVerwG vom 23. August 2001 – 3 C 39.00 –). Schon weil die Bestimmung der Reichweite des auf die Fallgruppen des § 1 Abs. 8 VermG verweisenden Ausschlußtatbestandes diese Abgrenzung vollkommen übernimmt, ist auch seine Auslegung durch den Senat erkennbar rechtswidrig.

Auch die weiteren Ausführungen des 3. Senats zum Regelungsgehalt von § 1 Abs. 1 S. 3 VwRehaG stehen in offenkundigem Widerspruch zu gesetzlichen Vorschriften. Dies gilt zunächst für die Aussage, die Vorschrift bringe zum Ausdruck, daß Enteignungen auf besatzungsrechtlicher und besatzungshoheitlicher Grundlage „unter keinen Umständen rückgängig zu machen sind, gleichgültig, welchem der hier in Rede stehenden Gesetze sie ohne diese Ausschlussklausel unterfallen würde.“ Diese Aussage ist unvereinbar mit der Regelung des § 5 Abs. 1 AusglLeistG. Danach gilt für bewegliche Vermögenswerte, die auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage ergangen sind, der Rückgabegrundsatz. Unvereinbar ist die Aussage auch mit den Regelungen des § 6 Abs. 5 AusglLeistG. Danach haben Opfer der Bodenreform die Möglichkeit, bestimmte Flächen zurück zu erwerben, was Flächen, die 1945 geschädigt worden sind, einschließt. Im übrigen verweist § 1 Abs. 1 S. 3 VwRehaG nicht nur auf die Fallgruppe der in § 1 Abs. 8 Buchst. a, 1. Halbs. VermG in Bezug genommenen Enteignungen auf besatzungsrechtlicher und besatzungshoheitlicher Grundlage. Vielmehr gilt die Ausschlußregelung auch für die von § 1 Abs. 8 Buchst. d VermG erfaßten Gebietskörperschaften. Deshalb müßte auch für sie die Aussage des 3. Senats zutreffend sein. Tatsächlich stehen ihnen aber nach Maßgabe von § 11 Abs. 1 VZOG Rückübertragungsansprüche zu. Der Sache nach steht damit die Angabe des Senats, mit § 1 Abs. 8 VermG solle sichergestellt werden, daß die dort genannten Vermögensschädigungen nicht mehr rückgängig gemacht werden sollen, womit gemeint ist, daß sie keine Rückgabeansprüche mehr auslösen dürfen. Diese Aussage steht gleich in evidentem Widerspruch zu mehreren gesetzlichen Regelungen, die eine Rückgabe von in § 1 Abs. 8 VerrmG erfaßten Vermögenswerten vorsehen.

Soweit sich der Senat dann auf die Gesetzesmaterialien zum Entwurf von § 1 Abs. 1 S. 3 VwRehaG (Begründung der Bundesregierung zum Entwurf des Zweiten SED-Unrechtsbereinigungsgesetzes, BT-Drucks. 12/4994, S. 23) bezieht, stellt seine Argumentation einen logischen Trugschluß, also einen Denkfehler, dar. In der Begründung heißt es zwar, daß mit den Ausschlußklauseln des § 1 Abs. 8 Buchst., 1. Halbs. VermG, § 1 Abs. 1 S. 3 VwRehaG „im wesentlichen zwei große Enteignungsaktionen aus dem Anwendungsbereich des Vermögensgesetzes und der verwaltungsrechtlichen Rehabilitierung ausgeschlossen werden: Die entschädigungslosen Enteignungen im Bereich der Industrie zugunsten der Länder der ehemaligen SBZ bzw. im Rahmen der sogenannten ,demokratischen Bodenreform‘.“ Beide Aktionen haben aber nicht nur aus Enteignungen, sondern auch aus straf- und verwaltungsrechtlichen Verfolgungsmaßnahmen bestanden, mit denen Vermögenswerte eingezogen wurden. Daß diese nicht vom Begriff der „Enteignung“ umfaßt sind, ergibt sich bereits aus Nr. 9 der Gemeinsamen Erklärung vom 15. Juni 1990 (GE) und Art. 17 des Einigungsvertrages (EV), wonach sich die DDR ohne Einschränkungen zur strafrechtlichen Rehabilitierung von strafrechtlichen Vermögenseinziehungen verpflichtet hat. Dementsprechend sieht § 1 Abs. 1 und 5 StrRehaG auch die strafrechtliche Rehabilitierung von wesentlich rechtsstaatswidrigen strafrechtlichen Vermögenseinziehungen vor, die sich im Zeitraum vom 8. Mai 1945 bis zum 2. Oktober 1990 ereignet haben. Damit können strafrechtliche Vermögenseinziehungen nicht zugleich Enteignungen sein. Entsprechendes ergibt sich für verfolgungsbedingte verwaltungsrechtliche Vermögensentziehungen, weil sie nach dem Inhalt der Denkschrift zu Art. 17 EV (BT-Drucks. 11/7760, S. 363) ebenso wie strafrechtliche Verfolgungsakte rehabilitiert werden sollen. Deshalb gilt auch das Verwaltungsrechtliche Rehabilitierungsgesetz für im Zeitraum vom 8. Mai 1945 bis zum 2. Oktober 1990 verübte, wesentlich rechtsstaatswidrige verwaltungsrechtliche Verfolgungsfälle. Dennoch unterstellt der 3. Senat des BVerwG bei seiner Argumentation, daß auch verfolgungsbedingte Vermögensschädigungen vom Begriff der Enteignung umfaßt werden sollten. Deshalb gründet diese Argumentation auf der unrichtigen Annahme, als Enteignungen seien auch auf einer politischen Verfolgung beruhende Vermögensverluste zu verstehen. Damit ist auch die gezogene Schlußfolgerung, die Begründung der Bundesregierung zum Zweiten Unrechtsbereinigungsgesetz bestätige den Ausschluß auch von verfolgungsbedingten Vermögensentziehungen, unrichtig. Soweit der Senat darlegt, die Klarstellung in § 1 Abs. 8 Buchst. a, 2. Halbs. VermG, wonach die Ausschlußregelung des § 1 Abs. 8 Buchst. a, 1. Halbs. VermG in den von § 1 Abs. 7 VwRehaG erfaßten Fällen unberührt bleibt, setze zunächst die Aufhebung der vermögensschädigenden Verfolgungsmaßnahme voraus, ist dies zwar richtig. Wenn er dann aber darlegt, eine solche Aufhebung scheitere an der Ausschlußregelung des § 1 Abs. 1 S. 3 VwRehaG, ist diese Aussage jedenfalls deshalb nicht vertretbar, weil die Unberührtheitsklausel des § 1 Abs. 8 Buchst. a, 2. Halbs. VermG dann vollständig leerläuft, soweit sie auch Fälle des § 1 Abs. 7 VermG erfaßt. In der SBZ haben verfolgungsbedingte Vermögensschädigungen nämlich ausnahmslos den Vermögensverlust bezweckt. § 1 Abs. 1 S. 3 VwRehaG schließt dann stets die verwaltungsrechtliche Rehabilitierung aus, wenn auch solche Vermögenszugriffe unter das Vermögensgesetz fallen, wie der 3. Senat des BVerwG meint. Entsprechendes gilt für die Unberührtheitsklauseln in § 1 Abs. 1 S. 2 und Abs. 1a S. 2 AusglLeistG. Auch wegen dieses Leerlaufs ist es unvertretbar, Vermögensverluste, die infolge einer politischen Verfolgung eingetreten, als vom Vermögensgesetz erfaßte Enteignu

BVerwG, Urteil vom 23. Oktober 2001 –3 C 39.00

Das Urteil betrifft den verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsantrag zu einer auf das Baulandgesetz der DDR gestützten, 1987 erfolgten Enteignung eines Grundstücks, das vormals im Eigentum einer offenen Handelsgesellschaft (OHG) stand. Das VG Berlin hatte die Klage abgewiesen, weil die Enteignung weder eine politische Verfolgung noch einen Willkürakt im Einzelfall dargestellt habe und daher die gesetzlichen Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 S. 1 VwRehaG nicht erfüllt habe.

Wortlaut der Entscheidung

Verantwortliche Richter: 

Prof. Dr. Hans-Joachim Driehaus, Vorsitzender Richter am BVerwG
Dr. Hermann Borgs-Maciejewski, Richter am BVerwG
Peter Kimmel,  Richter am BVerwG
Dr. Bernd Brunn, Richter am BVerwG
Hans Jürgen van Schewick, Richter am BVerwG

Anlaß und maßgeblicher Inhalt der Entscheidung: 

Das Urteil betrifft den verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsantrag zu einer auf das Baulandgesetz der DDR gestützten, 1987 erfolgten Enteignung eines Grundstücks, das vormals im Eigentum einer offenen Handelsgesellschaft (OHG) stand. Das VG Berlin hatte die Klage abgewiesen, weil die Enteignung weder eine politische Verfolgung noch einen Willkürakt im Einzelfall dargestellt habe und daher die gesetzlichen Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 S. 1 VwRehaG nicht erfüllt habe.

Das BVerwG geht dagegen zunächst nicht auf die Frage ein, ob die Enteignung eine von § 1 Abs. 1 S. 1 VwRehaG erfaßte Verfolgungs- oder Willkürmaßnahme dargestellt hat. Vielmehr stützt es die Zurückweisung der Revision darauf, daß das Verwaltungsrechtliche Rehabilitierungsgesetz nach § 1 Abs. 1 S. 2 VwRehaG nicht auf Maßnahmen anwendbar sei, die in den Anwendungsbereich des Vermögensgesetzes fallen.

Dazu hat der 3. Senat dargelegt, nach der Rechtsprechung des BVerwG (BVerwGE 99, 82, 85) setzten Ansprüche nach dem Vermögensgesetz Maßnahmen voraus, die zielgerichtet den Verlust des zurückgeforderten Vermögenswertes bezweckt haben. Demgegenüber zielten die in § 1 VwRehaG vorausgesetzten Unrechtsmaßnahmen auf andere Zwecke ab und seien durch grob rechtsstaatswidrige Eingriffe in die Persönlichkeitssphäre des Geschädigten gekennzeichnet (BVerwGE 102, 89, 93). Solche Eingriffe führten zwar nicht selten auch zu Vermögensentziehungen. Sie stellten aber gleichsam nur die Nebenfolge des primär bezweckten Zugriffs auf die Persönlichkeitssphäre des Betroffenen dar (BVerwGE 106, 210).

Demgemäß habe die Rechtsprechung des BVerwG Ansprüche nach dem Vermögensgesetz verneint, wenn sich die inkriminierte Maßnahme nicht als zielgerichteter Zugriff auf den Vermögenswert, sondern als primär personenbezogener Unrechtsakt erwiesen habe (BVerwGE 102, 89, 90). Entsprechendes müsse aber auch für den umgekehrten Fall gelten: Maßnahmen, deren vorrangiger Zweck das Ansichbringen eines Vermögenswertes gewesen sei, unterfielen allein dem Vermögensgesetz und schlössen die Anwendung des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes aus. Dies gelte selbst dann, wenn der auf das Vermögensgesetz gestützte Anspruch aus anderen Gründen nicht zum Erfolg führe, etwa wegen Verneinung unlauterer Machenschaften i.S.v. § 1 Abs. 3 VermG.

Da es bei der Enteignung auch an einem finalen Element fehle, eine Benachteiligung des Betroffenen herbeizuführen, sei auch das Merkmal „Willkürakte im Einzelfall“ i.S.v. § 1 Abs. 2 VwRehaG nicht erfüllt, das die Tendenz und Absicht voraussetze, den Adressaten bewusst zu benachteiligen.

Warum die Entscheidung unvertretbar ist: 

Das Urteil ist bereits mit Ausführungen begründet, die sich anläßlich dieses Falles gar nicht gestellt haben. Der Senat geht davon aus, daß die Enteignung nicht darauf gerichtet war, den Adressaten zu benachteiligen. Damit ist der Kläger durch sie weder politisch verfolgt noch durch einen Willkürakt i.S.v. § 1 Abs. 2 VwRehaG im Einzelfall geschädigt worden. Deshalb ist schon der in § 1 Abs. 1 S. 1 VwRehaG geregelte Anwendungsbereich des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes nicht betroffen. Die durch das Gericht entschiedene Frage, ob dieser nach § 1 Abs. 1 S. 2 VwRehaG wegen eines Vorrangs des Vermögensgesetzes ausgeschlossen ist, hat sich daher von vornherein gar nicht mehr gestellt.

Wesentlich gravierender jedoch ist die Fehlleistung, daß der Senat der Bestimmung des § 1 Abs. 1 S. 2 VwRehaG einen Inhalt zuschreibt, der ihm nach den gesetzlichen Regelungen offenkundig nicht zukommt. Der Senat stellt dazu die Behauptung auf, das Vermögensgesetz sei stets anzuwenden, wenn die Machthaber in er DDR den Zugriff auf Vermögenswerte bezweckt hätten. Nur dann, wenn ein solcher Zweck nicht feststellbar sei und ein nur die Persönlichkeitssphäre benachteiligender Unrechtsakt allein die an sich nicht intendierte Nebenfolge einer Vermögensschädigung herbeigeführt habe, soll das Verwaltungsrechtliche Rehabilitierungsgesetz eingreifen. Dies soll selbst dann gelten, wenn ein bezweckter Vermögenszugriff weitere gesetzliche Voraussetzungen nicht erfüllt.

Es mag zwar durchaus zutreffend sein, daß die Anwendung des Vermögensgesetzes eine Vermögensschädigung voraussetzt, mit der die Machthaber in der DDR den Zugriff auf Vermögenswerte bezweckt haben. Ob daraus aber auch, wie der Senat meint, folgt, daß das Vermögensgesetz immer anwendbar ist, wenn in SBZ und DDR mit der vermögensrechtlichen Schädigungsmaßnahme ein solcher Zweck verfolgt ist, kann jedoch nicht einfach behauptet werden. Vielmehr sind dazu die gesetzlichen Vorgaben für die Bestimmung des Geltungsbereichs des Vermögensgesetzes heranzuziehen und anzuwenden. Dies aber hat er Senat vollständig unterlassen. Statt dessen behauptet er den vollständigen Ausschluß des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes für sämtliche Fälle, in denen das SED-Regime den Zugriff auf Vermögenswerte bezweckt hat und zwar selbst dann, wenn das Vermögensgesetz auf den Fall gar nicht anwendbar ist, weil andere Tatbestandselemente in § 1 Abs. 1 bis 5 VermG nicht vorliegen. Dabei beruht die vom 3. Senat des BVerwG angenommene Abgrenzung von Vermögensgesetz und Verwaltungsrechtlichem Rehabilitierungsgesetz ausschließlich auf der Grundlage von Einzelfallentscheidungen des BVerwG, nicht aber auf der Auslegung der maßgeblichen gesetzlichen Vorgaben. Sie setzt deren Aussage, das Vermögensgesetz verlange, daß der Vermögenszugriff seinerzeit bezweckt war, in der Weise absolut, dieser Zweck bedinge stets die Anwendung des Vermögensgesetzes. Außerdem schließe er die Anwendung des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes selbst dann aus, wenn das Vermögensgesetz trotz des bezweckten Vermögenszugriffs nicht anwendbar ist, weil andere Tatbestandselemente von § 1 Abs. 1 bis 5 VermG nicht erfüllt sind.

Diese Argumentation ist schon deshalb unvertretbar, weil sich aus den in Bezug genommenen Entscheidungen des BVerwG nur ergibt, daß die Anwendbarkeit des Vermögensgesetzes in den entschiedenen Fällen jeweils einen bezweckten Vermögenszugriff voraussetzten, nicht aber, daß ein solcher Zweck allein die Anwendbarkeit des Vermögensgesetzes und die Anwendbarkeit des Verwaltungsrechtlichen Vermögenszugriffs per se ausschließe. Dies gilt erst recht für die Annahme, der Zweck des Zugriffs auf Vermögenswerte schließe selbst dann die Anwendbarkeit des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes aus, wenn das Vermögensgesetz trotz der bezweckten Vermögensschädigung nicht anwendbar ist. Zu dieser Konstellation haben sich die zitierten Entscheidungen des BVerwG nicht geäußert. Insofern beruht die Argumentation des 3. Senats auf einem Trugschluß und stellt schon deshalb einen Verstoß gegen die Denkgesetze dar.

Noch schwerer wiegt, daß der Senat die maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften nicht berücksichtigt und in offenem Widerspruch dazu entschieden hat. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut von § 1 Abs. 1 Buchst. a VermG und § 1 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 VwRehaG. Danach gilt das Vermögensgesetz nur für Enteignungen, das Verwaltungsrechtliche Rehabilitierungsgesetz dagegen für Zugriffe auf Vermögenswerte, die „der politischen Verfolgung gedient oder Willkürakte im Einzelfall dargestellt haben“. Dabei meint der Begriff der Enteignung schon nach seinem Wortsinn nur den bloßen Entzug des Eigentums durch den Staat, erfaßt aber nicht auch die Vermögensschädigung, die auf einer politischen Verfolgung beruht. Sie wird nicht als Enteignung, sondern als Vermögensentziehung oder strafrechtliche Vermögenseinziehung bezeichnet. Schon der Wortlaut der genannten Bestimmungen spricht deshalb dafür, das Vermögensgesetz nur den Vermögensentzug, der nicht verfolgungsbedingt erfolgt ist, regelt, während das Verwaltungsrechtliche Rehabilitierungsgesetz Vermögenszugriffe erfaßt, die Folge einer politischen Verfolgung waren. Für die Annahme des 3. Senats des BVerwG, das Vermögensgesetz gelte auch für verfolgungsbedingte Vermögenszugriffe, wenn die DDR damit zugleich auf das Vermögen abgezielt habe, während das Verwaltungsgerichtliche Rehabilitierungsgesetz nur dann anwendbar sein soll, wenn der Vermögensverlust lediglich die (unbeabsichtigte) Folge einer gegen die Persönlichkeitssphäre gerichteten Verfolgungsmaßnahme war, geben die Gesetzestexte von § 1 Abs. 1 Buchst. a VermG und § 1 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 VwRehaG nichts her.

Hinzu kommt, daß § 1 Abs. 1 und 5 StrRehaG auch die Rehabilitierung von strafrechtlichen Vermögenseinziehungen und Geldstrafen vorsieht. Mit der Verhängung dieser Strafen zielte die DDR immer auch auf den Vermögensverlust des strafrechtlich politisch Verfolgten ab. Häufig sind Wirtschaftsstraf- und strafrechtliche Entnazifizierungsverfahren sogar ausschließlich deshalb durchgeführt worden, um sich des Vermögens des verfolgten Unternehmensinhabers zu bemächtigen. Dennoch enthält das Strafrechtliche Rehabilitierungsgesetz keinen Anwendungsausschluß für vermögensschädigende Strafverfolgungsmaßnahmen. Wenn aber auf vermögensschädigende Verfolgungsakte auch das Vermögensgesetz anwendbar sein sollte, könnte ein Betroffener für vermögensschädigende Verfolgungsakte sowohl Rehabilitierungsansprüche als auch vermögensrechtliche Ansprüche geltend machen. Insofern wäre er etwa in der Lage, nach der strafrechtlichen Rehabilitierung als Folgeanspruch die Rückgabe des Vermögenswertes und im parallel verlaufenden vermögensrechtlichen Verfahren zusätzlich eine Entschädigung für den Vermögensverlust zu verlangen. Dies ist schon mit dem im Wiedergutmachungsrecht verfolgten Grundsatz der unzulässigen doppelten Wiedergutmachung nicht vereinbar.

Unvertretbar ist die Entscheidung des 3. Senats des BVerwG schließlich deshalb, weil der Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 S. 3 VwRehaG leer läuft, wenn der Geltungsbereich des Vermögensgesetzes grundsätzlich auch auf verfolgungsbedingte Vermögensverluste ausgedehnt wird. Die DDR hat den Vermögenszugriff nämlich stets auch dann bezweckt, wenn sie eine Person politisch verfolgt hat. Insofern stellte der Zugriff auf die Persönlichkeitssphäre auch einen politischen Mißbrauch dar, um Vermögenswerte in Volkseigentum zu überführen. Die einzige Ausnahme bilden Vermögensverluste, die als Folge der Zwangsaussiedlung an der innerdeutschen Demarkationslinie vorgenommen worden sind. Diese Fälle aber sind speziell in § 1 Abs. 3 VwRehaG geregelt.

Die rechtlich nicht vertretbare Abgrenzung von Vermögensgesetz und Verwaltungsrechtlichem Rehabilitierungsgesetz, die das BVerwG in dieser Entscheidung eigentlich gar nicht hätte vornehmen müssen, weil die Enteignung auf der Grundlage des Baulandgesetzes weder eine politische Verfolgungsmaßnahme noch einen Willkürakt im Einzelfall darstellte, ist aber offenbar hier deshalb schon erfolgt, um sie bei späteren Entscheidungen zur Boden- und Industriereform darauf zurückgreifen und als bereits entschieden hinstellen zu können.

BVerfG, Beschluß vom 18. April 1996 – 1 BvR 1452/90 u.a. (sog. Bodenreform II-Beschluß)

Der sog. Bodenreform II-Beschluß des BVerfG vom 18. April 1996 ist im Anschluß an das sog. Bodenreformurteil des BVerfG vom 23. April 1991 ergangen. Grund dafür war der Umstand, daß mehrere Beschwerdeführer geltend gemacht hatten, das sog. Bodenreformurteil beruhe auf falschen Tatsachen, weil es für die Wiedergutmachung der Enteignungen auf besatzungsrechtlicher und besatzungshoheitlicher Grundlage keine Vorbedingungen von UdSSR und DDR gegeben habe.

Wortlaut der Entscheidung

Verantwortliche Richter: 

Dr. Otto Seidl, Vizepräsident des BVerfG
Prof. Dr. Dieter Grimm, Richter am BVerfG
Dr. Jürgen Kühling, Richter am BVerfG
Helga Seibert, Richterin am BVerfG
Dr. h.c. Renate Jaeger, Richterin am BVerfG
Prof. Dr. Evelyn Haas, Richterin am BVerfG
Dr. Dieter Hömig, Richter am BVerfG
Prof. Dr. Udo Steiner, Richter am BVerfG

Anlaß und maßgeblicher Inhalt der Entscheidung: 

Der sog. Bodenreform II-Beschluß des BVerfG vom 18. April 1996 ist im Anschluß an das sog. Bodenreformurteil des BVerfG vom 23. April 1991 ergangen. Grund dafür war der Umstand, daß mehrere Beschwerdeführer geltend gemacht hatten, das sog. Bodenreformurteil beruhe auf falschen Tatsachen, weil es für die Wiedergutmachung der Enteignungen auf besatzungsrechtlicher und besatzungshoheitlicher Grundlage keine Vorbedingungen von UdSSR und DDR gegeben habe.

Der Bodenreform II-Beschluß wird zumeist lediglich als Bestätigung des Bodenreformurteils verstanden. Tatsächlich unterscheiden sich beide Entscheidungen jedoch grundlegend. Dabei ist das Bodenreformurteil de lege artis begründet, der Bodenreform II-Beschluß, der überwiegend bereits von anderen Richtern gefällt worden ist, dagegen nicht.

Um dies zu verstehen, muß zunächst auf das Bodenreformurteil vom 18. April 1991 eingegangen werden. Dessen Gegenstand war lediglich die Vereinbarung in Nr. 1 der Gemeinsamen Erklärung der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik zur Regelung offener Vermögensfragen vom 15. Juni 1990 (GE). Die darin enthaltenen Regelungen waren zunächst lediglich politische Absichtserklärungen der Regierungen der beiden deutschen Staaten, wie bei einer künftigen Wiedergutmachungsgesetzgebung mit Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage verfahren werden sollte. Dagegen ist im Bodenreformurteil nicht über die Wiedergutmachungsgesetzgebung selbst entschieden worden, weil diese für derartige Schädigungen noch nicht erlassen war. Die maßgeblichen Vereinbarungen in Nr. 1 GE haben folgenden Wortlaut:

„Die Enteignungen auf besatzungsrechtlicher und besatzungshoheitlicher Grundlage (1945 bis 1949) sind nicht mehr rückgängig zu machen. Die Regierungen der Sowjetunion und der Deutschen Demokratischen Republik sehen keine Möglichkeit, die damals getroffenen Maßnahmen zu revidieren. Die Regierung der Bundesrepublik Deutschland nimmt dies im Hinblick auf die historische Entwicklung zur Kenntnis. Sie ist der Auffassung, daß einem künftigen gesamtdeutschen Parlament eine abschließende Entscheidung über etwaige staatliche Ausgleichsleistungen vorbehalten bleiben muß.”

Den Inhalt dieser Vereinbarungen hat das BVerfG im Bodenreformurteil aufgrund einer eingehenden Beweisaufnahme über die Verhandlungen der Regierungen der BRD und der DDR wie folgt bestimmt (BVerfGE 84, 90, 121):

„Die Regelung in Nr. 1 Satz 1 der Gemeinsamen Erklärung verbietet es, die Enteignungen als nichtig zu behandeln, und schließt es darüber hinaus aus, ihre Folgen durch eine Rückgabe der enteigneten Objekte umfassend zu bereinigen. ….. Die angegriffene Regelung schließt es im übrigen nicht aus, daß im Rahmen der beabsichtigten Ausgleichsleistung auch die Möglichkeit eines Rückerwerbs ihres ehemaligen Eigentums eingeräumt wird, soweit dies im Einzelfall möglich und von der Interessenlage her angezeigt ist.”

Im Bodenreformurteil hat das BVerfG also festgestellt, daß Enteignungen auf besatzungsrechtlicher und besatzungshoheitlicher Grundlage lediglich als nicht als nichtig behandelt werden dürfen. Dagegen sollte es dem Gesetzgeber aufgrund der Vereinbarung in Nr. 1 Satz 4 GE sehr wohl möglich sein, einen Rückerwerb zugunsten der Alteigentümer vorzusehen, also öffentlich-rechtlich gesprochen auch eine Rückgabe.

Diese Bestimmung des Inhalts von Nr. 1 GE entspricht auch den Forderungen, welche die DDR und die UdSSR während der Verhandlungen über die deutsche Wiedervereinigung erhoben haben:

Danach wollte die DDR verhindern, daß seit 1945 an Bürger der DDR übertragene Vermögenswerte an Geschädigte besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Enteignungen zurückgegeben werden. Dies wäre aber rechtlich zwingende Folge gewesen, wenn diese Schädigungsmaßnahmen vom Bundesgesetzgeber als von Anfang als nichtig behandelt worden wären. Dagegen ging es der DDR nicht um die Festschreibung von ehemaligem Volkseigentum und um die Sicherung von Eigentum des bundesdeutschen Staates. Wegen dieses Vermögens hat die DDR niemals Forderungen erhoben, weshalb der bundesdeutsche Gesetzgeber darum auch einen Rückerwerb (Rückschenkung) oder- öffentlich-rechtlich gesprochen – eine Rückgabe vorsehen können sollte.

Die Gemeinsame Erklärung ist im übrigen zwar nicht mit der UdSSR abgeschlossen worden. Überhaupt existieren keine völkerrechtlichen Vereinbarungen mit der Sowjetunion hinsichtlich der Behandlung von Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage. Die UdSSR hat sich jedoch auf rein politischer Ebene mit den Vereinbarungen in der Gemeinsamen Erklärung einverstanden erklärt und damit zum Ausdruck gebracht, daß damit ihre Forderungen erfüllt sind. Insofern hatte die UdSSR auch jeweils nur verlangt, Deutschland dürfe die völkerrechtliche Legitimität und die Rechtmäßigkeit der Enteignungen nicht in Frage stellen. Damit wollte sie verhindern, daß das vereinte Deutschland wegen besatzungshoheitlicher Maßnahmen der Sowjetunion als Besatzungsmacht völkerrechtliche Schadensersatzansprüche gegen die UdSSR geltend macht. Dieser Forderung ist durch das Verbot, diese Enteignungen als nichtig zu behandeln, entsprochen worden. Für die ausschließlich innerdeutsche Rechtsfrage einer Wiedergutmachung einschließlich der Rückgabe von in ehemaligem Volkseigentum stehenden Vermögenswerten hat sich die UdSSR dagegen nie interessiert. Ihre Forderungen bezogen sich ausschließlich auf die außenpolitischen Aspekte.

Im Gegensatz zur Bestimmung des Regelungsgehalts von Nr. 1 GE. durch das Bodenreformurteil nimmt der Bodenreform II-Beschluß an, durch Art. 143 Abs. 3 GG i.V.m. Art. 41 Abs. 1 EV i.V.m. Nr. 1 Satz 1 GE sei „der Ausschluß der Rückgabe von Vermögenswerten, die in den Jahren 1945 – 1949 in der sowjetisch besetzten Zone Deutschlands auf besatzungsrechtlicher oder -hoheitlicher Grundlage enteignet wurde”, im Grundgesetz „für bestandskräftig erklärt worden”. Damit behauptet das Gericht, Nr. 1 Satz 1 GE enthalte nicht nur ein Verbot, die Enteignungen auf besatzungsrechtlicher und besatzungshoheitlicher Grundlage als nichtig zu behandeln, sondern umfasse auch ein Rückgabeverbot. Dazu wird jedoch der Inhalt von Nr. 1 Satz 1 und 4 GE. nicht nach den für völkerrechtliche Normen maßgeblichen Grundsätzen ausgelegt. Statt dessen legt der Erste Senat lediglich dar, „die Einschätzung, ob die Wiedervereinigung in der Tat von der Zustimmung zum Restitutionsausschluß abhing, war Sache der Bundesregierung. Dieser steht im Bereich der Außenpolitik – Gleiches gilt für die Deutschlandpolitik im Verhältnis zur DDR (vgl. BVerfGE 36, 1 [17f.] – ein breiter Raum politischen Ermessens zu. ….”

Warum die Entscheidung unvertretbar ist: 

Der Bodenreform II-Beschluß unterstellt einen Inhalt von Nr. 1 Satz 1 GE, der diesem nicht zukommt und den er nach den eingehenden Feststellungen des BVerfG im Bodenreformurteil auch nicht aufweist. Danach steht außer Frage, daß Nr. 1 Satz 1 GE gerade kein Rückgabeverbot enthält, sondern eine Rückgabe als Ausgleichsleistung nach Nr. 1 Satz 4 GE sogar ausdrücklich zugelassen hat, wenn dies der Sache nach noch möglich und von der Interessenlage her geboten ist (so ausdrücklich: BVerfGE 84, 90, 121, 127).

Wenn das BVerfG im Bodenreform II-Beschluß im Anschluß an die Rechtsprechung des 7. Senats des BVerwG seit seinem Urteil vom 29. April 1994 – 7 C 59.93 – zu einer von den Feststellungen des BVerfG im Bodenreformurteil abweichenden Bestimmung des Regelungsgehalts von Nr. 1 Satz 1 GE kommen wollte, hätte es diese Vorschrift nach den für die Auslegung völkerrechtlicher Verträge maßgeblichen Maßstäben interpretieren und eingehend belegen müssen, weshalb der vom BVerfG nach umfassender Beweisaufnahme im Jahre 1991 im Bodenreformurteil festgestellte Inhalt der Vereinbarung in Nr. 1 Satz 1 GE unzutreffend ist. Dazu hätte der Senat im einzelnen die tatsächlich gestellten Forderungen von DDR und UdSSR erneut ermitteln müssen, die nach den Feststellungen des BVerfG im Bodenreformurteil vom 23. April 1991 lediglich darauf gerichtet waren, DDR-Bürger vor Rückgabeforderungen und die UdSSR vor völkerrechtlichen Schadensersatzansprüchen zu schützen. Dazu äußert sich der Bodenreform II-Beschluß jedoch nicht.

Insofern ist es unerheblich, wenn der Bodenreform II-Beschluß statt dessen der Frage nach dem außenpolitischen Spielraum der Bundesregierung bei den deutsch-deutschen und deutsch-sowjetischen Wiedervereinigungsverhandlungen nachgeht. Darauf kommt es bei der Bestimmung des Inhalts von Nr. 1 Satz 1 GE nicht an. Diese Frage stellt sich erst, wenn der Inhalt einer (quasi)-völkerrechtlichen Vereinbarung bereits feststeht. Damit liegt der gesamte Begründungsaufwand, den der Erste Senat im Bodenreform II-Beschluß vorgenommen hat, um die Beachtung des außenpolitischen Beurteilungsspielraums der Bundesregierung zu belegen, neben der Sache.

Der Bodenreform II-Beschluß ist auch deshalb unvertretbar, weil er in sich widersprüchlich begründet ist. Der die Überzeugungskraft des gesamten Beschlusses ausschließende Widerspruch ergibt sich aus dem Umstand, daß der Senat einerseits behauptet, Nr. 1 Satz 1 GE enthalte ein Verbot der Rückgabe (BVerfGE 94, 12, 33, 46), andererseits aber ausdrücklich an der Feststellung im Bodenreformurteil festhält, Nr. 1 Satz 4 GE erkläre den Rückerwerb „im Rahmen der Gewährung von Ausgleichsleistungen” für zulässig (so in: BVerfGE 94, 12, 46). Da ein Rückerwerb auch eine Rückschenkung einschließt, ist es logisch ausgeschlossen, daß Nr. 1 Satz 1 GE ein Verbot der Rückgabe enthält.

Unvereinbar ist die Angabe, Nr. 1 Satz 1 GE enthalte ein Rückgabeverbot, auch mit der einfachgesetzlichen Umsetzung im Vermögensgesetz. Sie ist in der Bestimmung des § 1 Abs. 8 lit. a, 1. Halbs. VermG erfolgt, die das BVerwG zwar ebenfalls als Rückgabeverbot ausgibt. Dies aber steht in offenem Widerspruch zum tatsächlichen Regelungsgehalt der Norm, die ebenso wie für die Tatbestände in § 1 Abs. 8 lit. b – d VermG nur auch für Enteignungen auf besatzungsrechtlicher und besatzungshoheitlicher Grundlage nur die Anwendbarkeit des Vermögensgesetzes ausschließt. Dies ist deshalb erfolgt, weil der Ausgleich für Vermögensschädigungen in den in § 1 Abs. 8 VermG nach Maßgabe anderer Vorschriften erfolgt, ohne daß damit eine Aussage verbunden ist, ob dies durch eine Rückgabe oder eine andere Form des Vermögensausgleichs erfolgt. Insofern sieht § 5 Abs. 1 AusglLeistG ausdrücklich einen Rückgabeanspruch für auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage enteignete bewegliche Vermögenswerte vor. Der Gesetzgeber hätte sich also selbst widersprochen, wenn er in § 1 Abs. 8 VermG ein Rückgabeverbot geregelt hätte.

Der Bodenreform II-Beschluß ist also problematisch, weil er – im Widerspruch zu den Feststellungen im Bodenreformurteil vom 23. April 1991 – die einfachrechtlich und – durch die Bezugnahme auf die einfachrechtliche Rechtslage in Art. 143 Abs. 3 GG – auch die verfassungsrechtlich unrichtige Rechtsprechung des BVerwG, die ein in Nr. 1 GE nicht enthaltenes Rückgabeverbot behauptet hat, übernimmt. Damit führt die rechtlich unzutreffende Beschreibung der durch Nr. 1 Satz 1 GE vorgegebenen Rechtslage durch das BVerfG zu einer rechtlich unvertretbaren Perpetuierung der unzutreffenden Rechtsprechung des BVerwG.

BVerwG, Urteil vom 29. April 1994 –7 C 59.93

Das Urteil betrifft die Revision eines auf das Vermögensgesetz gestützten Antrags, mit dem die Rückgabe eines auf die Berliner Liste 1 gesetzten und 1949 enteigneten Unternehmens begehrt wurde. Mit der Revision war geltend gemacht worden, die Ausschlußregelung des § 1 Abs. 8 lit. a, 1. Halbs. VermG sei verfassungswidrig, weil nach dem Bodenreformurteil des BVerfG vom 23. April 1991 neue Tatsachen bekannt geworden seien, wonach es keine Vorbedingungen der UdSSR und der DDR dafür gegeben habe, Enteignungen auf besatzungsrechtlicher und besatzungshoheitlicher Grundlage nicht mehr rückgängig zu machen. Die Begründung des BVerfG im Bodenreformurteil, mit der insbesondere die dem Ausschlußtatbestand des § 1 Abs. 8 lit. a, 1. Halbs. VermG zugrunde liegende deutsch-deutsche Vereinbarung in Nr. 1 Satz 1 der Gemeinsamen Erklärung vom 15. Juni 1990 (GE) verfassungsrechtlich gerechtfertigt worden sei, sei damit nicht mehr tragfähig.

Wortlaut der Entscheidung

Verantwortliche Richter: 

Dr. Stefan Paetow, Richter am BVerwG
Dr. Franz Bardenhewer, Richter am BVerwG
Dr. Michael Bertrams, Richter am BVerwG
Dieter Kley, Richter am BVerwG
Georg Herbert, Richter am BVerwG 

Anlaß und maßgeblicher Inhalt der Entscheidung: 

Das Urteil betrifft die Revision eines auf das Vermögensgesetz gestützten Antrags, mit dem die Rückgabe eines auf die Berliner Liste 1 gesetzten und 1949 enteigneten Unternehmens begehrt wurde. Mit der Revision war geltend gemacht worden, die Ausschlußregelung des § 1 Abs. 8 lit. a, 1. Halbs. VermG sei verfassungswidrig, weil nach dem Bodenreformurteil des BVerfG vom 23. April 1991 neue Tatsachen bekannt geworden seien, wonach es keine Vorbedingungen der UdSSR und der DDR dafür gegeben habe, Enteignungen auf besatzungsrechtlicher und besatzungshoheitlicher Grundlage nicht mehr rückgängig zu machen. Die Begründung des BVerfG im Bodenreformurteil, mit der insbesondere die dem Ausschlußtatbestand des § 1 Abs. 8 lit. a, 1. Halbs. VermG zugrunde liegende deutsch-deutsche Vereinbarung in Nr. 1 Satz 1 der Gemeinsamen Erklärung vom 15. Juni 1990 (GE) verfassungsrechtlich gerechtfertigt worden sei, sei damit nicht mehr tragfähig.

Das Urteil vom 29. April 1994 hat die Revision abgewiesen. Dazu führt es aus, der mit der Klage geltend gemachte Rückgabeanspruch bestehe nicht, weil § 1 Abs. 8 lit. a, 1. Halbs. VermG die Restitution von auf besatzungsrechtlicher und besatzungshoheitlicher Grundlage enteigneten Vermögenswerten ausschließe. Diese Regelung sei vom BVerfG auch für verfassungswidrig erklärt worden, weil die UdSSR mit ihren Forderungen nach der Anerkennung der Rechtmäßigkeit und Legitimität sowie der Unumkehrbarkeit und Unantastbarkeit der unter ihrer Besatzungshoheit vorgenommenen Maßnahmen habe verhindern wollen, daß ihr deshalb im nachhinein ein Vorwurf gemacht werde. Schließlich hat das Gericht auch angenommen, daß es sich bei den auf die Liste 1 gesetzten Unternehmen auch um von § 1 Abs. 8 lit. a, 1. Halbs. VermG erfaßte auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage enteignete Vermögenswerte handelte.

Warum die Entscheidung unvertretbar ist: 

Das Urteil bildet mit dem am selben Tag ebenfalls zu einem Fall zur Berliner Liste 1 ergangenen Urteil 7 C 47.93 die Grundlage dafür, daß die auf einer politischen Verfolgung beruhenden Vermögenszugriffe im Rahmen der in der SBZ und Ostberlin vorgenommenen Boden- und Industriereform juristisch nicht aufgearbeitet sind. Dabei ist Urteil im Ergebnis zwar zutreffend entschieden. Die dafür gegebenen Begründungsansätze jedoch sind insgesamt unvertretbar.

Im Ergebnis ist die Entscheidung zutreffend, weil es sich bei den Maßnahmen der Berliner Liste 1 um straf- oder verwaltungsrechtliche Akte der politischen Verfolgung handelt, die ihrerseits, auch soweit sie eine Vermögensschädigung zum Gegenstand hatten, von vornherein nicht in den Anwendungsbereich des Vermögensgesetzes fallen, weil sie keine entschädigungslosen Enteignungen i.S.v. § 1 Abs. 1 lit. a, Abs. 8 lit. a, 1. Halbs., sondern strafrechtliche Vermögenseinziehungen (§ 1 Abs. 1 und 5 StrRehaG, Nr. 9 GE, Art. 17 Einigungsvertrag – EV –) oder verwaltungsrechtliche, verfolgungsbedingte Zugriffe auf Vermögenswerte (§ 1 Abs. 1 Satz 1 VwRehaG) darstellen. Die Betroffenen hätten also einen Rehabilitierungsantrag stellen müssen. Der auf das Vermögensgesetz gestützte Rückgabeantrag war dagegen unbegründet, weil dieses Gesetz per se keine strafrechtlichen Vermögenseinziehungen und keine verwaltungsrechtlichen, auf einer politischen Verfolgung beruhenden Zugriffe auf Vermögenswerte erfaßt. Mit dieser Begründung hätte das BVerwG die Revision abweisen müssen.

Die davon wesentlich abweichende Begründung ist dagegen mit geltendem Recht unvertretbar, wobei die Unvertretbarkeit im April 1994 noch nicht ganz so offensichtlich zutage trat wie bereits wenig später. Zu diesem Zeitpunkt waren nämlich weder das Verwaltungsrechtliche Rehabilitierungsgesetz vom 23. Juni 1994 noch das Ausgleichsleistungsgesetz vom 27. September 1994 (AusglLeistG) erlassen worden, deren Regelungen die Unhaltbarkeit der Begründungsansätze in den Urteilen vom 29. April 1994 noch offenkundiger gemacht haben. Lediglich das Vermögenszuordnungsgesetz vom 22. März 1991 (VZOG) war schon erlassen.

Bereits im April 1994 war es freilich offenkundig unvertretbar, den Regelungsgehalt des § 1 Abs. 8 lit. a, 1. Halbs. VermG als „Restitutionsausschluß“ zu bezeichnen. Das Urteil vom 29. April 1994 beschreibt den Inhalt der Norm denn auch zunächst zutreffend. Dazu heißt es richtig: „Nach § 1 Abs. 8 lit. a VermG gilt das Vermögensgesetz nicht für Enteignungen von Vermögenswerten auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage. In diesen Fällen ist demnach ein Anspruch des Geschädigten auf Rückübertragung des enteigneten Vermögenswerts nach § 3 Abs. 1 i.V.m. §§ 1 und 2 Abs. 1 VermG ausgeschlossen.“ Damit ist korrekt dargelegt, daß das Vermögensgesetz auch in den Fällen des § 1 Abs. 8 lit. a VermG nicht anwendbar ist und sich deshalb auch kein Rückgabeanspruch aus § 3 Abs. 1 VermG ergeben kann. Damit ist aber keine Aussage darüber getroffen, ob sich ein Rückgabeanspruch nicht aus einem anderen Gesetz ergeben kann.

Nur wenig später spricht das Urteil dann aber nur noch von dem Restitutionsausschluß des § 1 Abs. 8 lit. a VermG. Damit unterschiebt es der Norm einen ganz anderen Regelungsgehalt, nämlich den, damit werde die Rückgabe von auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage ausgeschlossen. Das aber bedeutet: Die Norm schließt nicht nur die Anwendbarkeit des Vermögensgesetzes aus, sondern auch, daß eine Rückgaberegelung gesetzlich ausgeschlossen ist, also auch nicht mehr in einem anderen Gesetz vorgesehen werden kann, ohne daß ein Widerspruch zum in § 1 Abs. 8 lit. a VermG enthaltenen Restitutionsausschluß besteht.

Dieser ganz andere Inhalt steht in offenkundigen Widerspruch zu auch bereits im April 1994 erlassenen gesetzlichen Regelungen. Er widerspricht evident dem Umstand, daß § 1 VermG ausschließlich den positiven und den negativen Geltungsbereich des Vermögensgesetzes, nicht aber bereits einzelne Ansprüche oder deren Ausschluß regelt. Im übrigen schließt § 1 Abs. 8 VermG den Anwendungsbereich des Vermögensgesetzes nicht nur für Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage aus, sondern nach § 1 Abs. 8 lit. d VermG etwa auch für Enteignungen von Gebietskörperschaften im Beitrittsgebiet, soweit sie vom Kommunalvermögensgesetz erfaßt sind. Für diese Enteignungen sah § 11 Abs. 1 Satz 1 VZOG aber bereits im April 1994 Rückübertragungsansprüche ausdrücklich vor. Damit stand es bereits im Zeitpunkt des Erlasses des Urteils vom 29. April 1994 in offenem Widerspruch, wenn dort angenommen wurde, § 1 Abs. 8 VermG habe Restitutionsausschlußregelungen enthalten. Seit Erlaß des Ausgleichsleistungsgesetzes steht die Annahme, § 1 Abs. 8si lit. a VermG enthalte einen Restitutionsausschluß, außerdem in offenem Widerspruch zur Begründung des Rückgabegrundsatzes für bewegliche, auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage enteignete Vermögenswerte in § 5 Abs. 1 AusglLeistG.

Unvertretbar ist darüber hinaus die Behauptung des 7. Senats des BVerwG, das Bodenreformurteil des BVerfG habe die auf besatzungsrechtliche und besatzungshoheitliche Enteignungen bezogenen Regelungen mit der Annahme gerechtfertigt, damit sei dem Umstand Rechnung getragen worden, daß die UdSSR im Rahmen der deutschen Wiedervereinigung verlangt habe, daß ihr das besiegte Deutschland wegen der unter ihrer Besatzungshoheit verübten Maßnahmen keinen Unrechtsvorwurf machen dürfe. Ein solcher Vorwurf sei aber mit der Rückgabe verbunden, weil sie wegen der unter Besatzungshoheit vorgenommenen Unrechtsakte erfolge.

Wäre diese Behauptung zutreffend, müßte jede Form der Wiedergutmachung für unter Besatzungshoheit verübten Unrechts ausgeschlossen sein, weil sie unabhängig davon, ob sie in Form der Rückgabe, des Rückerwerbs, der Rehabilitierung, der Entschädigung oder der Erlösherausgabe erfolgt ist, ausschließlich wegen verübten Staatsunrechts gewährt wird. Deshalb steht die Aussage bereits in offenkundigem Widerspruch zur deutsch-deutschen Vereinbarung in Nr. 1 Satz 4 GE, mit der sich die Bundesrepublik Deutschland das Recht vorbehalten, Ausgleichsleistungen für besatzungsbezogene Enteignungen zu gewähren. Ein offener Widerspruch besteht auch zu Nr. 9 GE, soweit davon auch strafrechtliche Vermögenseinziehungen unter Besatzungshoheit erfaßt werden. Gegen diese deutsch-deutschen Vereinbarungen in der Gemeinsamen Erklärung, die der sowjetischen Seite anläßlich der Zwei-plus-Vier-Verhandlungen durch Schreiben der beiden deutschen Außenminister vom 12. September 1990 übergeben wurde, hat sie keine Einwendungen erhoben. Wenn sie aber, wie das BVerwG dies behauptet, einen deutschen Unrechtsvorwurf wegen der von der UdSSR unter ihrer Besatzungshoheit hätte vermeiden wollen, hätte sie dem Vorbehalt von Ausgleichsleistungen und der Vereinbarung der Rehabilitierung von strafrechtlichen Vermögenseinziehungen widersprochen. Das ist nicht erfolgt.

Das Verständnis des Bodenreformurteils des BVerfG durch das BVerwG, wonach die dort erwähnten Forderungen der UdSSR nach Anerkennung der Rechtmäßigkeit und Legitimität ihrer Maßnahmen einen Unrechtsvorwurf gegenüber der sowjetischen Seite verhindern sollte, steht zudem im offenen Widerspruch zu Inhalten dieses Urteils. Das Bodenreformurteil bestätigt nämlich nicht nur, daß es der Bundesrepublik Deutschland trotz der Forderungen der UdSSR möglich sein soll, für unter sowjetischer Besatzungshoheit verübte Enteignungen Ausgleichsleistungen zu gewähren. Vielmehr sollte sie danach auch berechtigt sein, den Betroffenen eine Rückerwerbsmöglichkeit einzuräumen. Nach den Feststellungen des Bodenreformurteils sollte es nur unmöglich sein, die Enteignungen als nichtig zu behandeln und auf dieser Grundlage umfassend zu bereinigen. Damit aber zielte der Vorbehalt der UdSSR ausschließlich auf den beim Abzug von Besatzungsmächten üblichen Indemnitätsvorbehalt ab, wonach es der Bundesrepublik Deutschland verwehrt sein sollte, die Enteignungen als nichtig zu behandeln und darauf gestützt völkerrechtliche Schadensersatzansprüche gegenüber der UdSSR zu stellen.

Schließlich steht auch die Annahme des Urteils des BVerwG vom 29. April 1994 im Widerspruch zu gesetzlichen Vorschriften, verfolgungsbedingte Vermögensschädigungen wie die Vermögensentziehung gegenüber den auf der Berliner Liste 1 verzeichneten Unternehmensinhabern seien grundsätzlich ohne vorherige Rehabilitierung vom Anwendungsbereich des Vermögensgesetzes erfaßt. Dies war auch bereits im Zeitpunkt des Erlasses dieses Urteils offenkundig. Damals galt bereits das Strafrechtliche Rehabilitierungsgesetz, dessen Anwendungsbereich – ohne Ausschlußregelung – für Strafmaßnahmen und damit auch für strafrechtliche Vermögenseinziehungen den Zeitraum von 8. Mai 1945 bis zum 2. Oktober 1990 umfaßte und dabei auch für nicht gerichtliche Strafmaßnahmen galt (§ 1 Abs. 1 und 5 StrRehaG). Diese Regelungen entsprachen den deutsch-deutschen Vereinbarungen anläßlich der Verhandlungen über die Herstellung der Einheit Deutschlands in Art. 41 Abs. 1 EV i.V.m. Nr. 9 GE sowie Art. 17 EV. Deshalb war es im April 1994 bereits offenkundig, daß strafrechtliche Vermögenseinziehungen keine Enteignungen i.S.v. § 1 Abs. 1 lit. a, Abs. 8 lit. a, 1. Halbs. VermG sein konnten, weil sie ausnahmslos auch im Fall ihrer Besatzungshoheitlichkeit einen strafrechtlichen Rehabilitierungsanspruch auslösen sollte.

Dies wurde durch die ebenfalls bereits im April 1994 bestehende gesetzliche Regelung in § 1 Abs. 8 lit. a, 2. Halbs. VermG bestätigt, wonach die in § 1 Abs. 8 lit. a, 1. Halbs. VermG vorgesehene Unanwendbarkeit des Vermögensgesetzes in den Fällen des § 1 Abs. 6 und 7 VermG nicht gelten, die Anwendbarkeit dieses Gesetzes vielmehr unberührt bleiben sollte. Damit war bereits klargestellt worden, daß mit der strafrechtlichen Rehabilitierung auch von unter Besatzungshoheit erfolgter strafrechtlicher Vermögenseinziehungen das Vermögensgesetz anwendbar bleiben sollte.

Soweit verfolgungsbedingte Vermögensschädigungen verwaltungsrechtlicher Natur waren, war im April 1994 zwar das Verwaltungsrechtliche Rehabilitierungsgesetz noch nicht erlassen worden. Aber es gab bereits die Denkschrift zum Einigungsvertrag, die zu Art. 17 EV ausgeführt hatte, daß auch verwaltungsrechtliche Verfolgungsmaßnahmen zu rehabilitieren seien.

Mit dem Inkrafttreten des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes vom 23. Juni 1994 bestand deshalb ein weiterer offenkundiger Widerspruch des Urteils vom 29. April 1994 zu gesetzlichen Regelungen. Dieses Gesetz sieht in § 1 Abs. 1 Satz 1 VwRehaG u.a. die verwaltungsrechtliche Rehabilitierung für verfolgungsbedingte Verwaltungsentscheidungen vor, die zu einem Zugriff auf Vermögenswerte geführt haben. Im Gegensatz zum Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz wird die Anwendbarkeit des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes nach § 1 Abs. 1 Sätze 2 und 3 VwRehaG zwar u.a. dann ausgeschlossen, wenn die Vermögensschädigungen bereits vom Vermögensgesetz erfaßt werden oder wenn es sich um eine der Fallgruppen des § 1 Abs. 8 VermG handelt. Nimmt man aber mit dem Urteil vom 29. April 1994 an, auch verfolgungsbedingte Vermögensschädigungen seien vom Vermögensgesetz erfaßt, läuft der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Satz 1 VwRehaG jedenfalls für Zugriffe auf Vermögenswerte leer, weil das Verwaltungsrechtliche Rehabilitierungsgesetz dann – abgesehen von dem besonders in § 1 Abs. 3 VwRehaG geregelten Zugriff auf Vermögenswerte, die anläßlich der Zwangsaussiedlungen an der innerdeutschen Grenze erfolgt sind – stets durch das Vermögensgesetz verdrängt würde. Der Leerlauf gesetzlicher Regelungen darf dem Gesetzgeber aber nicht unterstellt werden.

Nachdem dann auch aus Ausgleichsleistungsgesetz vom 27. September 1994 erlassen war, hat es sich ebenfalls nicht für die Fälle in § 1 Abs. 6 und 7 VermG für anwendbar erklärt. Für verfolgungsbedingte Vermögenszugriffe unter NS- oder SED-Herrschaft bleiben anderweitige Regelungen durch das Ausgleichsleistungsgesetz vielmehr unberührt (§ 1 Abs. 1 S. 2, Abs. 1a S. 2 AusglLeistG). Auch diese Regelungen laufen vollständig leer, wenn verfolgungsbedingte Vermögensschädigungen unter Besatzungshoheit von der Fallgruppe des § 1 Abs. 8 lit. a, 1. Halbs. VermG erfaßt wäre, weil es dann keine besatzungsrechtlichen oder besatzungshoheitlichen Vermögenszugriffe gibt, auf die das Vermögensgesetz nach § 1 Abs. 7 VermG nach einer verwaltungsrechtlichen Rehabilitierung entsprechend anwendbar sein könnte.

Damit stehen sämtliche Begründungsansätze des Urteils vom 29. April 1994 in offenkundigem Widerspruch zu gesetzlichen Vorschriften. Dennoch bildet es die Grundlage für die weitere Rechtsprechungsentwicklung des BVerwG, mit der es eine verwaltungsrechtliche Rehabilitierung von verfolgungsbedingten Vermögenzugriffen unter Besatzungshoheit ausnahmslos abgelehnt hat.