BVerfG, Beschluß vom 14. Dezember 2008 – 2 BvR 2338/07

Dem Beschluß liegen diverse Verfassungsbeschwerden von Personen zugrunde, die Betroffene der sog. Boden- oder der sog. Industriereform oder deren Rechtsnachfolger waren. Sie hatten vergeblich um eine straf- oder verwaltungsrechtliche Rehabilitierung wegen der durchgeführten Verfolgungsakte nachgesucht. Mit den Verfassungsbeschwerden rügen sie, der Gesetzgeber habe es unter Verstoß gegen geltendes Verfassungs- und Völkerrecht unterlassen, ihnen einen durchsetzbaren Rehabilitierungsanspruch einzuräumen. Im Wege der Verfassungsbeschwerde haben sie das Ziel verfolgt, den Gesetzgeber zum Erlaß einer entsprechenden Gesetzgebung zu veranlassen.

Wortlaut der Entscheidung

Verantwortliche Richter: 

Prof. Dr. Siegfried Broß, Richter des BVerfG
Prof. Dr. Dr. Udo di Fabio, °Richter des BVerfG
Herbert Landau, Richter des BVerfG

Anlaß und maßgeblicher Inhalt der Entscheidung: 

Dem Beschluß liegen diverse Verfassungsbeschwerden von Personen zugrunde, die Betroffene der sog. Boden- oder der sog. Industriereform oder deren Rechtsnachfolger waren. Sie hatten vergeblich um eine straf- oder verwaltungsrechtliche Rehabilitierung wegen der durchgeführten Verfolgungsakte nachgesucht. Mit den Verfassungsbeschwerden rügen sie, der Gesetzgeber habe es unter Verstoß gegen geltendes Verfassungs- und Völkerrecht unterlassen, ihnen einen durchsetzbaren Rehabilitierungsanspruch einzuräumen. Im Wege der Verfassungsbeschwerde haben sie das Ziel verfolgt, den Gesetzgeber zum Erlaß einer entsprechenden Gesetzgebung zu veranlassen.

Die 2. Kammer des Zweiten Senats des BVerfG hat die Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung angenommen. Eine verfassungsrechtliche Verpflichtung zu einer Rehabilitierung habe nicht bestanden, weil der Gesetzgeber für den in Rede stehenden Personenkreis bereits Ansprüche nach dem Ausgleichsleistungsgesetz erlassen habe. Dagegen seien Rehabilitierungsansprüche nach § 1 Abs. 1 Satz 3 VwRehaG i.V.m. § 1 Abs. 8 lit. a VermG ausgeschlossen. Dies sei auch verfassungskonform, weil die Sowjetunion bei den Verhandlungen über die Wiedervereinigung Deutschlands nach der maßgeblichen Einschätzung der Bundesregierung darauf bestanden habe, daß die Rechtmäßigkeit der Unrechtsakte nicht revidiert würde, was der Gesetzgeber als Rehabilitierungshindernis habe auffassen dürfen. Daß die Enteignungen zu mißbilligende Unrechtsakte gewesen seien, komme durch die Kompensation durch das Ausgleichsleistungsgesetz zum Ausdruck.

Warum die Entscheidung unvertretbar ist: 

Die Entscheidung ist zwar im Ergebnis zutreffend. Unvertretbar sind aber die Rechtsausführungen der 2. Kammer des Zweiten Senats des BVerfG, mit denen die Nichtannahme der Verfassungsbeschwerden begründet wird.

Ein verfassungsrechtlicher Anspruch gegen den Bundesgesetzgeber, eine Rehabilitierungsgesetzgebung zugunsten der Betroffenen der Boden- und Industriereform zu erlassen, besteht nicht, weil er auch wegen der Fälle politischer Verfolgung während der stalinistischen Machtursupation unter sowjetischer Besatzungshoheit eine umfassende Rehabilitierungsgesetzgebung erlassen hat, die deshalb verfolgungsbedingte Akte der Boden- und Industriereform erfaßt. Soweit mit diesen Begriffen dagegen lediglich bloße Konfiskationsmaßnahmen beschrieben werden, deren Unrechtsgehalt sich darin erschöpft, daß lediglich auf Vermögenswerte zugegriffen wurde, ohne damit eine Person zu verfolgen, hat der Gesetzgeber Ansprüche nach dem Ausgleichsleistungsgesetz begründet (vgl. die Regelungen in § 1 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AusglLeistG). Daher ist für einen Anspruch auf Erlaß einer weitergehenden Gesetzgebung von vornherein kein Raum. Allein mit dieser Begründung hätten die Verfassungsbeschwerden abgelehnt werden müssen. Sie hätte auch nicht eingelegt werden dürfen, weil sie vom Gesetzgeber etwas verlangen, was dieser bereits längst geregelt hat.

Die von den Mitgliedern der 2. Kammer des Zweiten Senats des BVerfG gegebene Begründung ist aber deshalb unvertretbar, weil darin die unzutreffende Rechtsprechung des BVerwG rezipiert wird, wonach das Ausgleichsleistungsgesetz auch verfolgungsbedingte Vermögenszugriffe auf besatzungsrechtlicher und besatzungshoheitlicher Grundlage erfaßt, während Rehabilitierungsansprüche wegen Vorgaben der UdSSR gesetzlich ausgeschlossen seien, was verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei. Nach den Darlegungen der Kammer soll dies sowohl wegen verwaltungs- als auch für strafrechtlicher Verfolgungsmaßnahmen gelten.

Das Ausgleichsleistungsgesetz gilt nach § 1 Abs. 1 AusglLeistG aber lediglich für Enteignungen auf besatzungsrechtlicher und besatzungshoheitlicher Grundlage, für welche der Anwendungsbereich des § 1 Abs. 8 lit. a, 1. Halbs. VermG ausgeschlossen ist. Dabei handelt es sich ausschließlich um Unrechtsakte, deren Unrechtsgehalt sich im entschädigungslosen, diskriminierenden Vermögenszugriff erschöpft. Dagegen greift das Ausgleichsleistungsgesetz für Akte der politischen Verfolgung von vornherein nicht ein. Dies stellt bereits § 1 Abs. 8 lit. a, 2. Halbs VermG ausdrücklich klar. Danach bleiben Ansprüche nach § 1 Abs. 6 und 7 VermG von der Regelung des § 1 Abs. 8 lit. a, 1. Halbs. VermG unberührt. Deshalb bleibt das Vermögensgesetz nach § 1 Abs. 6 und Abs. 7 VermG auch dann entsprechend anwendbar, wenn die politische Verfolgung unter Herrschaft des NS-Regimes oder während der sowjetischen Besatzungshoheit den Verlust eines Vermögenswertes zur Folge hatte, der erstmals oder erneut unter sowjetischer Besatzungshoheit eingezogen wurde.

Diese Klarstellung wiederholt § 1 Abs. 1 Satz 2 AusglLeistG für das Ausgleichsleistungsgesetz. Danach greift weder die Nichtanwendungsregel des § 1 Abs. 8 lit. a, 1. Halbs. VermG ein noch ist der Anwendungsbereich des Ausgleichsleistungsgesetzes betroffen, wenn ein Fall der politischen Verfolgung vorliegt, auch wenn diese Unrechtsmaßnahme auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage erfolgt ist. Vielmehr sind vermögensrechtliche Rechtsfolgen der Verfolgungsakte in entsprechender Anwendung von § 1 Abs. 6 und 7 VermG abzuwickeln. Dem geht bei NS-verfolgungsbedingten Vermögensschäden kein weiteres Verfahren voraus. Bei Verfolgungsmaßnahmen unter sowjetischer Besatzungshoheit muß dagegen zunächst eine straf- oder verwaltungsrechtliche Rehabilitierung beantragt werden.

Unabhängig davon ist in den Gesetzesmaterialien zum Ausgleichsleistungsgesetz ausdrücklich darauf hingewiesen worden, daß dieses Gesetz keine Beseitigung eines durch Maßnahmen der politischen Verfolgung zugefügten persönlichen Makels vorsieht (vgl. etwa: Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates zu § 7 Abs. 1 E-VwRehaG, in: Begründung der Bundesregierung zum Entwurf des Zweiten Gesetzes zur Bereinigung von SED-Unrecht, BT-Drucks. 12/4994, S. 67). Damit ist die Aussage der Kammer des BVerfG, Verfolgungsmaßnahmen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage seien von den Regelungen des Ausgleichsleistungsgesetzes erfaßt, mit geltendem Recht nicht vereinbar.

Diese Rechtslage wird durch die geltenden Rehabilitierungsgesetze bestätigt. Das Strafrechtliche Rehabilitierungsgesetz gilt für sämtliche Maßnahmen der politisch motivierten Strafverfolgung „aus der Zeit vom 8. Mai 1945 bis zum 2. Oktober 1990“. Regelungen, die den Anwendungsbereich des Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes für strafrechtliche Vermögenseinziehungen oder Geldstrafen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage einschränken, enthält das Gesetz nicht. Für die Darlegung ihrer gegenteiligen Behauptung, die sich ausdrücklich auch auf das Strafrechtliche Rehabilitierungsgesetz bezieht, beruft sich die 2. Kammer des Zweiten Senats des BVerfG freilich lediglich auf § 1 Abs. 1 Satz 3 VwRehaG i.V.m. § 1 Abs. 8 lit. a VermG. Vergleichbare Vorschriften enthält das Strafrechtliche Rehabilitierungsgesetz aber nicht. Auch diese Aussage der 2. Kammer des Zweiten Senats des BVerfG stellt damit einen klaren Rechtsfehler dar, der nur als eine im Rechtsstaat nicht vertretbare Einladung des Gerichts an die Fachgerichte verstanden werden kann, geltendes Recht zu brechen.

Für verfolgungsbedingte Vermögensschädigungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage ist aber auch das Verwaltungsrechtliche Rehabilitierungsgesetz nicht ausgeschlossen. Dies gilt zunächst deshalb, weil auch dieses Gesetz nach § 1 Abs. 1 Satz 1 VwRehaG sämtliche verfolgungsbedingten Verwaltungsentscheidungen aus der Zeit vom 8. Mai 1945 bis zum 2. Oktober 1990 erfaßt. Im Gegensatz zum Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz enthält § 1 Abs. 1 Satz 3 VwRehaG zwar die Regelung, das Gesetz finde auf Verwaltungsentscheidungen für die in § 1 Abs. 8 lit. a VermG erwähnten Fallgruppen keine Anwendung. Zu diesen Fallgruppen gehören aber gerade nicht die verfolgungsbedingten Vermögensschädigungen i.S.v. § 1 Abs. 8 lit. a, 2. Halbs. VermG, für welche § 1 Abs. 6 und Abs. 7 VermG unberührt bleiben. Diese Maßnahmen werden damit bereits aus den Fallgruppen des § 1 Abs. 8 VermG ausdrücklich ausgeschlossen. Im übrigen stellen verfolgungsbedingte Vermögensschädigungen von vornherein auch keine Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage i.S. von § 1 Abs. 8 lit. a, 1. Halbs. VermG dar, weil danach lediglich Enteignungsmaßnahmen erfaßt werden, deren Unrechtsgehalt sich in der Umstrukturierung der Eigentumsordnung erschöpft und mit der keine anderen Rechtsfolgen oder anderen Maßnahmen mit anderen Rechtsfolgen rechtlich oder tatsächlich verbunden waren.

Dennoch läuft die Regelung des § 1 Abs. 1 Satz 3 VwRehaG nicht leer. Im Gegensatz zum Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz umfaßt der Anwendungsbereich des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes nämlich nicht nur Akte der politischen Verfolgung, sondern auch reine Willkürakte. Soweit willkürliche Enteignungsmaßnahmen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage erfolgt sind, werden sie von § 1 Abs. 8 lit. a, 1. Halbs. VermG erfaßt.

Im übrigen wäre es systemwidrig, wenn die Rehabilitierung von Verfolgungsakten davon abhängig wären, ob sie straf- oder verwaltungsrechtlicher Natur war. Der Grad des deshalb wiedergutzumachenden Verfolgungsunrechts hängt davon nicht ab. In der Denkschrift zum Einigungsvertrag ist deshalb auch ausdrücklich dargelegt worden, das Verwaltungsentscheidungen, die eine politische Verfolgung dargestellt haben, ebenso wie politische Strafverfolgungsmaßnahmen rehabilitiert werden sollen (vgl. BT-Drucks. 11/7760, S. 355, 363).

Ein Rehabilitierungsausschluß von Akten politischer Verfolgung mit vermögensschädigenden Rechtsfolgen wird zudem von Art. 143 Abs. GG weder gefordert noch legitimiert. Diese Bestandsgarantie erfaßt ausschließlich eigentumsschädigende Unrechtsakte i.S.v. Art. 41 des Einigungsvertrages (EV), die vorsehen, daß sie nicht mehr rückgängig gemacht werden. Art. 41 Abs. 1 EV erklärt wiederum die Gemeinsame Erklärung vom 15. Juni1990 zum Bestandteil des Einigungsvertrages. Die Gemeinsame Erklärung schließlich sieht in Ziff. 1 Satz 1 GE zwar vor, daß Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage nicht mehr rückgängig zu machen sind. Davon sind aber nicht die in Ziff. 9 GE erwähnten Vermögenseinziehungen im Zusammenhang mit rechtsstaatswidrigen Strafverfahren erfaßt. Für diese Fälle sieht zudem Art. 17 EV ausdrücklich eine Rehabilitierung vor, ohne daß es deshalb eine Einschränkung für Verfolgungsakte auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage gäbe. In der Denkschrift zum Einigungsvertrag sind dem Akte der verwaltungsrechtlichen politischen Verfolgungen ausdrücklich gleichgestellt. Daher steht außer Frage, daß Art. 143 Abs. 3 GG vermögensschädigende Akte der politischen Verfolgung auch dann nicht erfaßt, wenn sie auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage erfolgt sind.

Die Aussagen der 2. Kammer des Zweiten Senats des BVerfG zu einem gesetzlichen Rehabilitierungsausschluß von Verfolgungsakten auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage sind daher mit geltendem Recht  nicht vereinbar.

Die Aussage der 2. Kammer des Zweiten Senats des BVerfG, für Akte der Boden- und Industriereform gebe es einen Rehabilitierungsausschluß, wäre deshalb nur dann unschädlich, wenn sie niemals solche der politischen Verfolgung, sondern ausschließlich Verstaatlichungsmaßnahmen gewesen sein sollten. Dies hat dieselbe Kammer in einem Beschluß vom 15. Dezember 2008 – 2 BvR 2462/07 – unter Berufung auf eine das Unrecht erkennbar nicht zutreffend aufarbeitende Arbeit von von der Beck (Die Konfiskationen in der Sowjetischen Besatzungszone von 1945 bis 1949, 1996, S. 91f.) zwar behauptet und dargelegt, es habe sich dabei um eine „nur vordergründig als politische Reinigungsaktion getarnte Verstaatlichung der Wirtschaft“ gehandelt.

Daß diese Darstellung der tatsächlich durchgeführten Verfolgung in aller Regel nicht den Tatsachen entspricht, ist dem BVerfG nicht anzulasten, da es kein Fachgericht ist und deshalb den Sachverhalt der Schädigung nicht festzustellen hat. Dies wäre, wie das BVerfG bereits im sog. Bodenreform II-Beschluß dargelegt hat, vielmehr Aufgabe der Fachgerichte, welche dieser Aufgabe bis heute freilich nicht nachgekommen sind. Daher seien hier einige maßgebliche Tatsachen der Verfolgung zunächst im Rahmen der Industriereform und im Anschluß daran der Bodenreform dargestellt, um zu belegen, daß es auf die Frage ankommt, ob die Rehabilitierungsgesetz auch für Verfolgungsmaßnahmen auf besatzungsrechtlicher und besatzungshoheitlicher Grundlagen einen Rehabilitierungsausschluß vorsieht oder nicht.

Soweit Industrielle in der SBZ als Kriegs- und Naziverbrecher beschuldigt worden sind, handelte es sich dabei immer um strafrechtliche Entnazifizierungsmaßnahmen. Sie waren auf die als Strafgesetz erlassenen, seinerzeit nicht veröffentlichten Richtlinien zum sächsischen Volksentscheid gestützt, die mit den Vereinbarungen der Alliierten im Potsdamer Abkommen zur Bestrafung der Kriegs- und Naziverbrecher gerechtfertigt wurden und ausdrücklich bestimmten, daß damit keine wirtschaftlichen Maßnahmen, sondern die Verfolgung von Naziverbrechern, aktivistischen Nazis  und Kriegsinteressenten bezweckt gewesen seien. Schon deshalb stimmt es mit den tatsächlichen, bislang von keinem Rehabilitierungsgericht herangezogenen Rechtsgrundlagen nicht überein, wenn auch diesen Fällen der Industriereform eine bloße Umstrukturierung der Eigentumsordnung attestiert wird. Der ausdrückliche gesetzliche Zweck der Richtlinien war vielmehr die Verfolgung von Naziverbrechern, aktivistischen Nazis und Kriegsverbrechern.

Aufgrund der sächsischen Richtlinien zum Volksentscheid, die auch in den übrigen Ländern und Provinzen angewandt wurden, sind in jedem Einzelfall Ermittlungen zur Schuld der Betroffenen als Naziverbrecher, aktivistische Nazis oder Kriegsinteressenten erhoben worden. Darüber wurde unter schwerster Mißachtung sämtlicher strafprozessualer Garantien – noch weitreichender als in den sog. Waldheimprozessen – durch die als extralegale Repressionsorgane agierenden Landes- und Präsidialkommissionen entschieden. Diese Entscheidungen wurden vom Kabinett der Landesregierung (Gesamtministerium) bestätigt, das den justitiellen Strafverfolgungsorganen der Entnazifizierung (sog. SMAD-Befehl Nr. 201-Gerichte) nach Ziff. 5 SMAD-Befehl Nr. 201, Ziff. 20 Ausführungsbestimmung Nr. 3 zum SMAD-Befehl Nr. 201 als spezifisch strafrechtlich agierendes Repressionsorgan gleichgestellt war. In Ost-Berlin wurde die Verfolgung unmittelbar auf die KRD Nr. 38 gestützt, die nach Maßgabe des SMAD-Befehls Nr. 201 ausschließlich und unmittelbar als Strafgesetz zur Entnazifizierung anzuwenden war.

Die im übrigen erlassenen Enteignungsgesetze haben dagegen lediglich eine Rechtsfolge geregelt, die mit einem Schuldspruch auf der Grundlage der Richtlinien zum sächsischen Volksentscheid oder der KRD Nr. 38 verbunden war. Andere Rechtsfolgen ergaben sich unmittelbar aus den Richtlinien zum sächsischen Volksentscheid sowie aus einer Vielzahl anderer Gesetze. Sie traten aufgrund des Schuldspruchs kraft Gesetzes ein, ohne daß es einer weiteren Entscheidung bedurfte. Diese Rechtsfolgen waren: Einziehung des betrieblichen und des privaten Vermögens, Einziehung der Altguthaben, Aberkennung des aktiven und passiven Wahlrechts, Berufsverbot mit Ausnahme niederer körperlicher Arbeiten und öffentlicher Tadel sowie Registrierung als Kriegs- und Naziverbrecher.

Der Schuldspruch deutscher Kommissionen führte allerdings nicht unmittelbar zu einer Internierung, Freiheitsstrafe oder gar zur Verhängung der Todesstrafe. Dies gilt aber ausschließlich deshalb, weil sich diese Maßnahmen die sowjetische Besatzungsmacht nach Maßgabe des KRG Nr. 10 noch selbst vorbehalten hatte, so daß vor Erlaß des SMAD-Befehls Nr. 201 am 16. August 1947 noch keine Zuständigkeit deutscher Organe zur Verhängung solcher Strafen im Entnazifizierungsverfahren bestand. Dies heißt aber nicht, daß nach den sächsischen Richtlinien zum Volksentscheid schuldig Gesprochene wegen der ihnen deshalb zur Last gelegten Taten nicht auch inhaftiert, interniert oder mit dem Tod bestraft worden wären. Vielmehr führte der Schuldspruch automatisch zu einer Meldung an die zuständigen sowjetischen Organe, die dann ihrerseits eine Verhaftung vornahmen oder durch deutsche Organe vornehmen ließen. Sofern die Betroffenen noch nicht aus dem Gebiet der SBZ geflohen waren, wurden sie dann auch verhaftet und infolge des Schuldspruchs der deutschen Kommissionen von Sowjetischen Militärtribunalen (SMT) als Nazi- und Kriegsverbrecher zu einer durchschnittlichen Freiheitsstrafe von 25 Jahren verurteilt. Sind Betroffene etwa aufgrund von Denunziationen zunächst von sowjetischen Organen inhaftiert worden, haben diese ihrerseits Meldung an die deutschen Organe gemacht, damit auch eine Verurteilung durch die deutschen Kommissionen erfolgen konnte.

Insofern gab es bis zum 16. August 1947 noch unterschiedliche Zuständigkeiten für die strafrechtliche Entnazifizierung von Industriellen, wobei den deutschen Organen nur die Sanktionen der Vermögenseinziehung, des Berufsverbots, des Entzugs der politischen Rechte, des öffentlichen Tadels und der Registrierung vorbehalten war. Freiheitsstrafen, Internierung und Todesstrafen konnten dagegen zunächst nur die SMT verhängen. Soweit diese bis zur Gründung der DDR am 7. Oktober 1949 noch nicht entschieden hatten, sind diese Verfahren von dem Sondergericht in Waldheim nach sowjetischen Vorgaben abgeschlossen worden.

Trotz der zunächst bestehenden unterschiedlichen Zuständigkeiten besteht aber kein Zweifel an einem einheitlichen Verfolgungsplan. Es ist daher sowohl unzulässig, die Sanktionen der Vermögenseinziehung von den Sanktionen des Berufsverbots und der Aberkennung der politischen Rechte (aktives und passives Wahlrecht) zu trennen und gesondert zu beurteilen, als auch die von deutschen und von sowjetischen Organen verhängten Sanktionen. Insofern stehen auch die gegen die als Nazi- und Kriegsverbrecher hoheitlich beschuldigten Industriellen verhängten Sanktionen der Annahme entgegen, diese Entnazifizierungsmaßnahmen seien eine nur vordergründig als politische Reinigungsaktion getarnte Verstaatlichung gewesen.

Die jedenfalls bis zum 16. August 1947 in Aufgabenteilung zwischen deutschen und sowjetischen Organen durchgeführte Entnazifizierung gegenüber Industriellen hat sich der Sache nach daheer überhaupt nicht von Waldheimfällen i. S. von § 1 II StrRehaG unterschieden, wie die Kammer in ihrem Beschluß vom 15. Dezember 2008 – 2 BvR 2462/07 – unterschieden. Dies gilt sowohl für das vollständige Fehlen rechtsstaatlicher Garantien als auch für die dabei verhängten Sanktionen, die gegenüber denjenigen, denen die SMT habhaft wurden, ebenfalls hohe Freiheits- und Todesstrafen zur Folge hatten. Der einzige Unterschied ist, daß die Entnazifizierung auf der Grundlage des sächsischen Volksentscheides durch deutsche Kommissionen und durch SMT in zwei unterschiedlichen, aber aufeinander bezogene Verfahren durchgeführt wurde. Dieser allein auf zunächst bestehende unterschiedliche Zuständigkeiten beruhende Unterschied ist jedoch rein formaler Natur und rechtfertigt es nicht, diese Fälle materiellrechtlich unterschiedlich zu behandeln. Das gilt erst recht, weil die Waldheimfälle, soweit von ihnen Industrielle betroffen waren, an die Stelle von SMT-Urteilen traten, die bis zum 7. Oktober 1949 von den SMT noch nicht erledigt waren.

Spezifisch strafrechtlich waren die Maßnahmen im übrigen deshalb, weil sie zu dem später durch den SMAD-Befehl Nr. 201 gesetzlich geregelten System des Entnazifizierungsrechts gehörten. Danach konnte u.a. die Sanktion der Vermögenseinziehung niemals in einem verwaltungs-, sondern nur in einem spezifisch strafrechtlichen Verfahren verhängt werden (vgl. nur Ziff. 5 SMAD-Befehl Nr. 201, Ziff. 20 Ausführungsbestimmung Nr. 3 zum SMAD-Befehl Nr. 201 i.V.m. KRD Nr. 38). Ohnehin wurden die Verfolgungsakte mit den Vereinbarungen des Potsdamer Abkommens. Danach mußte aber eine Bestrafung von Nazi- und Kriegsverbrechern erfolgen.

Zwar berufen sich die Richter der 2. Kammer des Zweiten Senats auch noch 18 Jahre seit der Herstellung der deutschen Einheit auf die davon wesentlich abweichende Sachverhaltsdarstellung im sog. Bodenreformurteil aus dem Jahre 1991. Diese stützte sich aber ausschließlich auf wesentlich unvollständige und ersichtlich aus dem Zusammenhang gerissene Angaben der Bundesregierung, mit denen das geschehene Unrecht maßgeblich verharmlost worden ist. Eigene Ermittlungen hat das BVerfG dabei nicht angestellt, sondern im Bodenreform II-Beschluß sogar ausdrücklich darauf hingewiesen, dies sei Aufgabe der Fachgerichte.

Damit steht den von diesen Maßnahmen Betroffenen nach § 1 I 1 StrRehaG ein Anspruch auf strafrechtliche Rehabilitierung zu, der uneingeschränkt sämtliche strafrechtlichen Fälle politischer Verfolgung erfaßt, die im Zeitraum vom 8. Mai 1945 bis zum 2. Oktober 1990 im Gebiet der ehemaligen DDR vorgenommen wurden.

  • 1 VIII lit. a, 1. Halbs. VermG läuft deshalb aber nicht leer, denn es hat auch bloße Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage gegeben, die den Maßnahmen, die im Rahmen der Industrie- und Wirtschaftsreform erfolgt sind, ebenfalls zugeordnet werden. Dies gilt etwa für die Enteignung von Banken, Versicherungen, Energieunternehmen, Bergwerken, privaten Eisenbahnunternehmen, Lichtspieltheater und Apotheken, aber auch für die Reparationsleistungen zugunsten der UdSSR.

Entsprechendes gilt – mit Ausnahme von Einzelfällen – auch für die Maßnahmen der sog. Bodenreform. Bei Inhabern von Höfen mit einer Größe von unter 100 ha war die Schuld des Betroffenen als Nazi- und Kriegsverbrecher in jedem Einzelfall von den Landesbodenkommissionen festzustellen. Die angewandten Straftatbestände ergaben sich jeweils aus den Ausführungsbestimmungen zu den Bodenreformverordnungen. Sie entsprachen Straftatbeständen der KRD Nr. 38 und der Richtlinien zum sächsischen Volksentscheid.

Im übrigen hatte der Schuldspruch eine vergleichbare Rechtsfolgen wie derjenige nach den sächsischen Richtlinien zum Volksentscheid. Zusätzliche Sanktionen waren aber außerdem der Kreisverweis und die Internierung nicht nur der Beschuldigten, sondern der gesamten Familien, sofern diese noch nicht geflohen waren. Dazu wurden mehrere Internierungslager unterhalten. Ein besonders bekannt gewordenes Internierungslager befand sich in Prora auf Rügen. Viele Betroffene wurden aber auch in andere NKWD-Speziallager verbracht oder in die UdSSR deportiert. Auch insofern ist es mit den tatsächlichen Verfolgungszusammenhängen nicht vereinbar, wenn die 2. Kammer des Zweiten Senats des BVerfG die Behauptung aufstellt, die Bodenreformverfolgung habe lediglich eine vordergründig als politische Reinigungsaktion getarnte Verstaatlichung dargestellt.

Bei Eigentümern über 100 ha wurde die Strafbarkeit als Nazi- und Kriegsverbrecher dagegen von Gesetzes wegen in den Bodenreformverordnungen vermutet. Dieser Personenkreis wurde damit strafrechtlich wegen ihrer Zugehörigkeit zur Gruppe der Junker, Feudalherren und Großgrundbesitzer verfolgt, die nach den Vorschriften der Bodenreformverordnungen per se Kriegs- und Naziverbrecher waren. In mehreren Ländern bzw. Provinzen hatten diese jedoch die Möglichkeit, den Nachweis zu erbringen, aktiver Antifaschisten gewesen zu sein. Gelang dieser Nachweis gegenüber der Landebodenkommission, wurde im Einzelfall kein hoheitlicher Vorwurf, Nazi- und Kriegsverbrecher gewesen zu sein, erhoben und ihnen wurde ein Resthof belassen. Im übrigen war die Verfolgung mit denselben Sanktionen verbunden wie bei den Personen mit Höfen unter 100 ha.

Sowohl bei Industriellen, die auf der Grundlage der Richtlinien zum sächsischen Volksentscheid verurteilt wurden, als bei Personen, die auf der Grundlage der Bodenreformverordnungen strafrechtlich verfolgt worden sind und deshalb interniert wurden oder dieser Gefahr nur durch ihre Flucht entkommen sind, sind Ansprüche auf strafrechtliche Rehabilitierung gegeben. Daher ist die Aussage der Mitglieder der 2. Kammer des Zweiten Senats des BVerfG, es bestehe für diese Fälle einen gesetzlichen Rehabilitierungsausschluß und sie könnten lediglich Ansprüche nach dem Ausgleichsleistungsgesetz erheblich bereits für das einfachrechtliche Entscheidungsergebnis. Insofern ist es für die weitere Rechtsverfolgung entscheidend, darauf hinzuweisen, daß die Aussagen der Kammerentscheidung insofern einen schweren Verstoß gegen geltendes Recht beinhalten.

BVerfG, Beschluß vom 4. Juli 2003 – 1 BvR 834/02

Die nicht zur Entscheidung angenommene Verfassungsbeschwerde betrifft die vom BVerwG (Urteil vom 21. Februar 2002 – 3 C 16.01 –, siehe dort) abgelehnte verwaltungsrechtliche Rehabilitierung eines Gutsbesitzers, der als Ortsgruppenleiter der NSDAP von der sowjetischen Besatzungsmacht verhaftet und 1947 im Lager des NKWD den Tod fand. Sein landwirtschaftliches Anwesen wurde auf der Grundlage des SMAD-Befehls Nr. 124 enteignet. Wegen der Verhaftung und der Lagerhaft wurde er 1995 von der Generalstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation rehabilitiert.

Wortlaut der Entscheidung

Verantwortliche Richter: 

Dr. h.c. Renate Jaeger, Richterin am BVerfG
Dr. Dieter Hömig, Richter am BVerfG
Prof. Dr. Brun-Otto Bryde, Richter am BVerfG

Anlaß und maßgeblicher Inhalt der Entscheidung: 

Die nicht zur Entscheidung angenommene Verfassungsbeschwerde betrifft die vom BVerwG (Urteil vom 21. Februar 2002 – 3 C 16.01 –, siehe dort) abgelehnte verwaltungsrechtliche Rehabilitierung eines Gutsbesitzers, der als Ortsgruppenleiter der NSDAP von der sowjetischen Besatzungsmacht verhaftet und 1947 im Lager des NKWD den Tod fand. Sein landwirtschaftliches Anwesen wurde auf der Grundlage des SMAD-Befehls Nr. 124 enteignet. Wegen der Verhaftung und der Lagerhaft wurde er 1995 von der Generalstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation rehabilitiert.

Verstöße wegen der Ablehnung der verwaltungsrechtlichen Rehabilitierung der Enteignung des Gutes gegen Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG hat die 2. Kammer des Ersten Senats des BVerfG verneint, weil sie für vermögensschädigende Maßnahmen, die einer ausländischen Staatsgewalt zuzurechnen seien, nicht herzuleiten gewesen seien.

Im übrigen habe die Auffassung der Verwaltungsgerichte, daß die Eltern des Beschwerdeführe im Hinblick auf die Regelung des § 1 Abs.1 S. 3 VwRehaG nicht verwaltungsrechtlich zu rehabilitieren seien, das Willkürverbot aus Art. 3 Abs. 1 GG nicht verletzt, weil das BVerwG die Regelung im Einklang mit Wortlaut, Sinn, Zweck und Entstehungsgeschichte der Klausel in der Weise ausgelegt habe, daß damit eine Umgehung des in § 1 Abs. 8 Buchst. a, 1. Halbs. VermG enthaltenen Restitutionsausschlusses durch eine verwaltungsrechtliche Rehabilitierung umgangen werden sollte. 

Schließlich sei auch die Ungleichbehandlung von auf der Grundlage des SMAD-Befehls Nr. 124 enteigneten und Betroffenen, deren Vermögenswerte durch ein Sowjetisches Militärtribunal eingezogen worden seien, was eine Rehabilitierung durch Organe der Russischen Föderation gerechtfertigt. Dies ergebe sich daraus, daß die UdSSR anläßlich der Verhandlungen über die deutsche Wiedervereinigung die Anerkennung der Gesetzlichkeit, Rechtmäßigkeit und Legitimität ihrer Maßnahmen als Besatzungsmacht gefordert habe. Damit habe sie Unrechtsvorwürfe durch deutsche Staatsorgane verhindern wollen. Daneben trete, daß die DDR ein Verbot, Enteignungen auf besatzungsrechtlicher und besatzungshoheitlicher Grundlage rückgängig zu machen, gefordert habe.

Warum die Entscheidung unvertretbar ist: 

Die 2. Kammer des Ersten Senats hat zwar Verstöße gegen die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 und Art. 14 Abs-1 GG mit Recht verneint, weil sie weder örtlich (ratione loci) noch zeitlich (ratione temporis) in der SBZ galten. Grundlegende Rechtsfehler enthalten aber die Begründungen, mit denen die Kammer auch die Verletzung des Willkürgrundsatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) verneint.

Zunächst ist es nicht vertretbar, wenn die Kammer darlegt, § 1 Abs. 8 Buchst. a, 1. Halbs. VermG enthalte ein Restitutionsverbot, das durch eine verwaltungsrechtliche Rehabilitierung nicht umgangen werden sollte, weshalb § 1 Abs. 1 S. 3 VwRehaG auch sie für Enteignungen auf besatzungsrechtlicher und besatzungshoheitlicher Grundlage ausschließe. § 1 Abs. 8 Buchst. a, 1. Halbs. VermG enthält aber schon nach seinem Wortlaut eindeutig kein Rückgabeverbot. § 1 VermG regelt ausschließlich den positiven und den negativen Anwendungsbereich des Gesetzes, nicht aber das Bestehen oder Nichtbestehen vermögensrechtlicher Ansprüche. Dies ist erst Regelungsgegenstand der §§ 3 ff. VermG. Deshalb enthält § 1 Abs. 8 VermG lediglich vier Fallgruppen, die an sich in den Anwendungsbereich des Vermögensgesetzes fallen, dort aber wieder ausgenommen wird, weil für sie vermögensrechtliche Ansprüche anderweitig, etwa im Ausgleichsleistungs- oder im Vermögenszuordnungsgesetz, geregelt sind. § 1 Abs. 8 VermG verhindert damit lediglich, daß es zu keinen doppelten Wiedergutmachungsansprüchen – nach dem Vermögensgesetz und nach anderen Rechtsgrundlagen – kommt.

Im Vermögensgesetz ist für die Fallgruppen in § 1 Abs. 8 VermG zwingend auch deshalb kein Rückübertragungsverbot enthalten, weil der Gesetzgeber für sie außerhalb des Vermögensgesetzes wiederholt eine Rückgabe vorgesehen hat. Dies gilt nach § 5 Abs. 1 AusglLeistG zunächst für auf besatzungsrechtlicher und besatzungshoheitlicher Grundlage enteignete bewegliche Sachen. Auch die Regelungen über den von land- und forstwirtschaftlichen Flächen in § 3 Abs. 5 AusglLeistG, die damit die Rückübertragung von unter Besatzungshoheit entzogene Flächen an die Alteigentümer ermöglichen, stehen der Annahme, es habe ein Restitutionsverbot gegeben, entgegen. Gleiches gilt für die Fallgruppe der Enteignungen von öffentlich-rechtlichen Körperschaften (§ 1 Abs. 8 Buchst. d VermG), weil für sie Rückgabeansprüche nach § 11 Abs. 1 S. 1 VZOG bestehen.

Mehr noch: Die Annahme eines Rückgabeverbotes steht auch in offenkundigem Widerspruch zu den Feststellungen des BVerfG im sog. Bodenreformurteil vom 23. April 1991 (BVerfGE 84, 90 ff.). Dort wird das in Nr. 1 S. 1 der Gemeinsamen Erklärung vom 15. Juni 1990 (GE) enthaltene Verbot, Enteignungen auf besatzungsrechtlicher und besatzungshoheitlicher Grundlage nicht mehr rückgängig zu machen, gerade nicht als allgemeines Rückgabeverbot verstanden, sondern lediglich als Verbot, diese Enteignungen nicht mehr rückgängig zu machen und ihre Rechtsfolgen durch eine Rückgabe umfassend zu bereinigen. Nur eine derartige Rückgabe, die ihr entgegenstehende Interessen, etwa den Schutz redlicher Erwerber oder überwiegender öffentlicher Nutzungsinteressen, nicht berücksichtigt, sollte durch Nr. 1 S. 1 GE ausgeschlossen werden (vgl. BVerfGE 84, 90, 121). Dagegen weist das Bodenreformurteil auf die in Nr. 1 S. 4 GE ausdrücklich vorbehaltenen Ausgleichsleistungen hin, für deren Ausgestaltung es von seiten der UdSSR und der DDR keine Vorgaben gegeben habe (BVerfGE 84, 90, 121, 127, 129.). Deshalb hält das Bodenreformurteil auch einen Rückerwerb der besatzungsbezogen enteigneten Vermögenswerte für zulässig (BVerfGE 84, 90, 126 f., 131; ebenso: BVerfGE 94, 12, 46). Demzufolge steht die Behauptung eines allgemeinen Rückgabeverbots auch in klarem Widerspruch zu den Feststellungen, die im Bodenreformurteil aufgrund einer eigens durchgeführten Beweisaufnahme getroffen wurden.

Da der Betroffene durch die auf den SMAD-Befehl Nr. 124 gestützte Schädigung seines Vermögens einer politischen Verfolgung ausgesetzt war, war Verfahrensgegenstand zudem tatsächlich keine Enteignung i.S.v. § 1 Abs. 8 Buchst. a, 1. Halbs. VermG, sondern ein verfolgungsbedingter Entzug von Vermögenswerten i.S.v. § 1 Abs. 1 S. 1 VwRehaG, § 1 Abs. 8 Buchst. a, 2. Halbs. VermG. Die Annahme einer Enteignung steht ebenfalls in offenkundigem Widerspruch zu geltendem Recht, so daß die Kammer das Urteil des BVerwG vom 21. Februar 2002 auch deshalb als Willkürentscheidung hätte beurteilen müssen (vgl. Besprechung des Urteils des BVerwG vom 21. Februar 2002 – 3 C 16.01 –). Da das BVerwG sein Urteil aber begründet hat, hätten in der Verfassungsbeschwerde eingehend dargelegt werden müssen, weshalb ein offenkundiger Widerspruch der Entscheidungsgründe zum geltenden Recht bestand. Dies allerdings dürfte unterblieben sein, so daß die Kammer keine Veranlassung hatte, darauf näher einzugehen, sondern sich darauf zurückziehen konnte, auf die Begründung des BVerwG zu verweisen, die sich auf Wortlaut, Sinn und Zweck sowie Entscheidungsgeschichte des § 1 Abs. 1 S. 3 VwRehaG berufen hatte.

Soweit die Kammer schließlich die unterschiedliche Handhabung der Rechtsprechung des BVerwG von Vermögenseinziehungen durch Sowjetische Militärtribunale, die durch Organe der russischen Föderation rehabilitiert worden sind, einerseits und durch deutsche Organe unter sowjetischer Besatzungshoheit andererseits mit der Aussage gerechtfertigt hat, die UdSSR habe anläßlich der Verhandlungen über die deutsche Wiedervereinigung gefordert, deutsche Staatsorgane dürften ihr wegen ihrer Maßnahmen unter ihrer Besatzungshoheit keine Unrechtsvorwürfe unterbreiten und der Bundesgesetzgeber habe entsprechend dieser Einschätzung entscheiden dürfen, ist auch dies unvertretbar. Diese Angabe steht in offenkundigem Widerspruch zu den Vereinbarungen in der Gemeinsamen Erklärung der beiden deutschen Regierungen vom 15. Juni 1990, deren Inhalt ein Vertreter der UdSSR am 12. September 1990 zustimmend zur Kenntnis genommen hat, zu den Feststellungen des BVerfG im Bodenreformurteil vom 23. April 1991 und zu diversen gesetzlichen Regelungen, mit denen auch eine Wiedergutmachung für besatzungsbezogene Maßnahmen vorgesehen sind.

Nr. 1 GE enthält nicht nur die Vereinbarung, daß Enteignungen auf besatzungsrechtlicher und besatzungshoheitlicher Grundlage nicht mehr rückgängig gemacht werden dürfen. Vielmehr hat sich die Bundesregierung in Nr. 1 S. 4 GE auch Ausgleichsleistungen vorbehalten. Ebenso wie eine durch Nr. 1 S. 1 GE ausgeschlossene Rückgängigmachung erfolgen Ausgleichsleistungen aber nur deshalb, weil die entschädigungslosen, besatzungsbezogenen Enteignungen als Unrecht beurteilt werden. Gleiches gilt für die in Nr. 9 GE vereinbarte Rehabilitierung von strafrechtlichen Vermögenseinziehungen, die sich auch auf solche Maßnahmen unter sowjetischer Besatzungshoheit beziehen. Sieht aber bereits die Gemeinsame Erklärung vor, daß es dem vereinten Deutschland möglich sein soll, Wiedergutmachungsleistungen für Unrechtsmaßnahmen unter Besatzungshoheit vorzusehen, wird mit deshalb erfolgenden Wiedergutmachungsentscheidungen die Rechtswidrigkeit der unter Besatzungshoheit verübten Maßnahmen festgestellt. Damit wird der UdSSR als Besatzungsmacht ebenfalls ein Unrechtsvorwurf unterbreitet. Da die UdSSR aber keine Einwendungen gegen die deutsch-deutschen Vereinbarungen in der Gemeinsamen Erklärung hatte, ist es deshalb denknotwendig ausgeschlossen, daß sie mit der Forderung, das vereinte Deutschland müsse die Gesetzmäßigkeit, Rechtmäßigkeit und Legitimität ihrer Maßnahmen zur Zeit der sowjetischen Besatzung anerkennen, verhindern wollte, daß deutsche Staatsorgane im Rahmen wiedergutmachungsrechtlicher Entscheidungen deren Rechtswidrigkeit feststellen und damit die Besatzungsmacht mit einem Unrechtsvorwurf konfrontieren.

Diese Einschätzung liegt auch der bundesdeutschen Wiedergutmachungsgesetzgebung zugrunde. Der Bundesgesetzgeber hat das Ausgleichsleistungsgesetz erlassen, das nach § 1 Abs. 1 S. 1 AusglLeistG Ausgleichsleistungen für entschädigungslose Enteignungen auf besatzungsrechtlicher und besatzungshoheitlicher Grundlage, also für rechtsstaatswidrige Maßnahmen vorsieht. Darüber hinaus gelten das Straf- und das Verwaltungsrechtliche Rehabilitierungsgesetz auch für im Zeitraum vom 8. Mai 1945 bis zum 7. Oktober 1949 verübte Maßnahmen der politischen Verfolgung sowie Willkürakte, also für wesentlich rechtsstaatswidrige Unrechtsakte während der sowjetischen Besatzungsherrschaft. Dabei erfassen die Rehabilitierungsgesetze sowohl Unrechtsakte mit vermögensschädigenden Maßnahmen als auch Zugriffe auf andere Rechtsgüter. Diese Gesetze sind jeweils von der Bundesregierung entworfen worden. Insofern ist es ausgeschlossen, daß sie während der Verhandlungen mit der Sowjetunion zur der Einschätzung gelangte, sie sei gehindert, eine Gesetzgebung zur Wiedergutmachung besatzungshoheitlicher Unrechtsakte zu erlassen.

Die Aussage der Kammer steht schließlich auch in offenem Widerspruch zu den Feststellungen im Bodenreformurteil des BVerfG vom 23. April 1991. Dort wurde ausdrücklich betont, daß sich die Bundesregierung Ausgleichsleistungen für das Unrecht der besatzungsbezogenen Enteignungen vorbehalten habe, daß es von seiten der UdSSR und der DDR keine Vorgaben für deren Ausgestaltung gegeben habe und daß sie deshalb auch einen Rückerwerb vorsehen könnten. Der Präsident und Vorsitzende des Ersten Senats des BVerfG, Prof. Dr. Roman Herzog der maßgeblich am Bodenreformurteil mitgewirkt hat, hat denn auch in einer Publikation dargelegt, mit der Forderung nach Anerkennung der Gesetzmäßigkeit, Rechtmäßigkeit und Legitimität ihrer Maßnahmen habe die UdSSR nur die für abziehende Besatzungsmächte übliche Indemnität eingefordert, mit der bundesdeutsche Schadensersatzansprüche wegen des verübten Unrechts gegen die Sowjetunion als Siegermacht ausgeschlossen werden sollten (Herzog, in: Sobotka, Wiedergutmachungsverbot?, Die Enteignungen in der ehemaligen SBZ zwischen 1945 und 1949,  S. 153 ff.).

Die allein das völkerrechtliche Verhältnis zwischen der Bundesrepublik und der Sowjetunion betreffende Indemnitätsforderung rechtfertigt die von der Kammer geprüfte Ungleichbehandlung von durch die SMT und durch deutsche Organe verübte Vermögensschädigungen jedoch offenkundig nicht.

BVerfG, Beschluß vom 18. April 1996 – 1 BvR 1452/90 u.a. (sog. Bodenreform II-Beschluß)

Der sog. Bodenreform II-Beschluß des BVerfG vom 18. April 1996 ist im Anschluß an das sog. Bodenreformurteil des BVerfG vom 23. April 1991 ergangen. Grund dafür war der Umstand, daß mehrere Beschwerdeführer geltend gemacht hatten, das sog. Bodenreformurteil beruhe auf falschen Tatsachen, weil es für die Wiedergutmachung der Enteignungen auf besatzungsrechtlicher und besatzungshoheitlicher Grundlage keine Vorbedingungen von UdSSR und DDR gegeben habe.

Wortlaut der Entscheidung

Verantwortliche Richter: 

Dr. Otto Seidl, Vizepräsident des BVerfG
Prof. Dr. Dieter Grimm, Richter am BVerfG
Dr. Jürgen Kühling, Richter am BVerfG
Helga Seibert, Richterin am BVerfG
Dr. h.c. Renate Jaeger, Richterin am BVerfG
Prof. Dr. Evelyn Haas, Richterin am BVerfG
Dr. Dieter Hömig, Richter am BVerfG
Prof. Dr. Udo Steiner, Richter am BVerfG

Anlaß und maßgeblicher Inhalt der Entscheidung: 

Der sog. Bodenreform II-Beschluß des BVerfG vom 18. April 1996 ist im Anschluß an das sog. Bodenreformurteil des BVerfG vom 23. April 1991 ergangen. Grund dafür war der Umstand, daß mehrere Beschwerdeführer geltend gemacht hatten, das sog. Bodenreformurteil beruhe auf falschen Tatsachen, weil es für die Wiedergutmachung der Enteignungen auf besatzungsrechtlicher und besatzungshoheitlicher Grundlage keine Vorbedingungen von UdSSR und DDR gegeben habe.

Der Bodenreform II-Beschluß wird zumeist lediglich als Bestätigung des Bodenreformurteils verstanden. Tatsächlich unterscheiden sich beide Entscheidungen jedoch grundlegend. Dabei ist das Bodenreformurteil de lege artis begründet, der Bodenreform II-Beschluß, der überwiegend bereits von anderen Richtern gefällt worden ist, dagegen nicht.

Um dies zu verstehen, muß zunächst auf das Bodenreformurteil vom 18. April 1991 eingegangen werden. Dessen Gegenstand war lediglich die Vereinbarung in Nr. 1 der Gemeinsamen Erklärung der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik zur Regelung offener Vermögensfragen vom 15. Juni 1990 (GE). Die darin enthaltenen Regelungen waren zunächst lediglich politische Absichtserklärungen der Regierungen der beiden deutschen Staaten, wie bei einer künftigen Wiedergutmachungsgesetzgebung mit Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage verfahren werden sollte. Dagegen ist im Bodenreformurteil nicht über die Wiedergutmachungsgesetzgebung selbst entschieden worden, weil diese für derartige Schädigungen noch nicht erlassen war. Die maßgeblichen Vereinbarungen in Nr. 1 GE haben folgenden Wortlaut:

„Die Enteignungen auf besatzungsrechtlicher und besatzungshoheitlicher Grundlage (1945 bis 1949) sind nicht mehr rückgängig zu machen. Die Regierungen der Sowjetunion und der Deutschen Demokratischen Republik sehen keine Möglichkeit, die damals getroffenen Maßnahmen zu revidieren. Die Regierung der Bundesrepublik Deutschland nimmt dies im Hinblick auf die historische Entwicklung zur Kenntnis. Sie ist der Auffassung, daß einem künftigen gesamtdeutschen Parlament eine abschließende Entscheidung über etwaige staatliche Ausgleichsleistungen vorbehalten bleiben muß.”

Den Inhalt dieser Vereinbarungen hat das BVerfG im Bodenreformurteil aufgrund einer eingehenden Beweisaufnahme über die Verhandlungen der Regierungen der BRD und der DDR wie folgt bestimmt (BVerfGE 84, 90, 121):

„Die Regelung in Nr. 1 Satz 1 der Gemeinsamen Erklärung verbietet es, die Enteignungen als nichtig zu behandeln, und schließt es darüber hinaus aus, ihre Folgen durch eine Rückgabe der enteigneten Objekte umfassend zu bereinigen. ….. Die angegriffene Regelung schließt es im übrigen nicht aus, daß im Rahmen der beabsichtigten Ausgleichsleistung auch die Möglichkeit eines Rückerwerbs ihres ehemaligen Eigentums eingeräumt wird, soweit dies im Einzelfall möglich und von der Interessenlage her angezeigt ist.”

Im Bodenreformurteil hat das BVerfG also festgestellt, daß Enteignungen auf besatzungsrechtlicher und besatzungshoheitlicher Grundlage lediglich als nicht als nichtig behandelt werden dürfen. Dagegen sollte es dem Gesetzgeber aufgrund der Vereinbarung in Nr. 1 Satz 4 GE sehr wohl möglich sein, einen Rückerwerb zugunsten der Alteigentümer vorzusehen, also öffentlich-rechtlich gesprochen auch eine Rückgabe.

Diese Bestimmung des Inhalts von Nr. 1 GE entspricht auch den Forderungen, welche die DDR und die UdSSR während der Verhandlungen über die deutsche Wiedervereinigung erhoben haben:

Danach wollte die DDR verhindern, daß seit 1945 an Bürger der DDR übertragene Vermögenswerte an Geschädigte besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Enteignungen zurückgegeben werden. Dies wäre aber rechtlich zwingende Folge gewesen, wenn diese Schädigungsmaßnahmen vom Bundesgesetzgeber als von Anfang als nichtig behandelt worden wären. Dagegen ging es der DDR nicht um die Festschreibung von ehemaligem Volkseigentum und um die Sicherung von Eigentum des bundesdeutschen Staates. Wegen dieses Vermögens hat die DDR niemals Forderungen erhoben, weshalb der bundesdeutsche Gesetzgeber darum auch einen Rückerwerb (Rückschenkung) oder- öffentlich-rechtlich gesprochen – eine Rückgabe vorsehen können sollte.

Die Gemeinsame Erklärung ist im übrigen zwar nicht mit der UdSSR abgeschlossen worden. Überhaupt existieren keine völkerrechtlichen Vereinbarungen mit der Sowjetunion hinsichtlich der Behandlung von Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage. Die UdSSR hat sich jedoch auf rein politischer Ebene mit den Vereinbarungen in der Gemeinsamen Erklärung einverstanden erklärt und damit zum Ausdruck gebracht, daß damit ihre Forderungen erfüllt sind. Insofern hatte die UdSSR auch jeweils nur verlangt, Deutschland dürfe die völkerrechtliche Legitimität und die Rechtmäßigkeit der Enteignungen nicht in Frage stellen. Damit wollte sie verhindern, daß das vereinte Deutschland wegen besatzungshoheitlicher Maßnahmen der Sowjetunion als Besatzungsmacht völkerrechtliche Schadensersatzansprüche gegen die UdSSR geltend macht. Dieser Forderung ist durch das Verbot, diese Enteignungen als nichtig zu behandeln, entsprochen worden. Für die ausschließlich innerdeutsche Rechtsfrage einer Wiedergutmachung einschließlich der Rückgabe von in ehemaligem Volkseigentum stehenden Vermögenswerten hat sich die UdSSR dagegen nie interessiert. Ihre Forderungen bezogen sich ausschließlich auf die außenpolitischen Aspekte.

Im Gegensatz zur Bestimmung des Regelungsgehalts von Nr. 1 GE. durch das Bodenreformurteil nimmt der Bodenreform II-Beschluß an, durch Art. 143 Abs. 3 GG i.V.m. Art. 41 Abs. 1 EV i.V.m. Nr. 1 Satz 1 GE sei „der Ausschluß der Rückgabe von Vermögenswerten, die in den Jahren 1945 – 1949 in der sowjetisch besetzten Zone Deutschlands auf besatzungsrechtlicher oder -hoheitlicher Grundlage enteignet wurde”, im Grundgesetz „für bestandskräftig erklärt worden”. Damit behauptet das Gericht, Nr. 1 Satz 1 GE enthalte nicht nur ein Verbot, die Enteignungen auf besatzungsrechtlicher und besatzungshoheitlicher Grundlage als nichtig zu behandeln, sondern umfasse auch ein Rückgabeverbot. Dazu wird jedoch der Inhalt von Nr. 1 Satz 1 und 4 GE. nicht nach den für völkerrechtliche Normen maßgeblichen Grundsätzen ausgelegt. Statt dessen legt der Erste Senat lediglich dar, „die Einschätzung, ob die Wiedervereinigung in der Tat von der Zustimmung zum Restitutionsausschluß abhing, war Sache der Bundesregierung. Dieser steht im Bereich der Außenpolitik – Gleiches gilt für die Deutschlandpolitik im Verhältnis zur DDR (vgl. BVerfGE 36, 1 [17f.] – ein breiter Raum politischen Ermessens zu. ….”

Warum die Entscheidung unvertretbar ist: 

Der Bodenreform II-Beschluß unterstellt einen Inhalt von Nr. 1 Satz 1 GE, der diesem nicht zukommt und den er nach den eingehenden Feststellungen des BVerfG im Bodenreformurteil auch nicht aufweist. Danach steht außer Frage, daß Nr. 1 Satz 1 GE gerade kein Rückgabeverbot enthält, sondern eine Rückgabe als Ausgleichsleistung nach Nr. 1 Satz 4 GE sogar ausdrücklich zugelassen hat, wenn dies der Sache nach noch möglich und von der Interessenlage her geboten ist (so ausdrücklich: BVerfGE 84, 90, 121, 127).

Wenn das BVerfG im Bodenreform II-Beschluß im Anschluß an die Rechtsprechung des 7. Senats des BVerwG seit seinem Urteil vom 29. April 1994 – 7 C 59.93 – zu einer von den Feststellungen des BVerfG im Bodenreformurteil abweichenden Bestimmung des Regelungsgehalts von Nr. 1 Satz 1 GE kommen wollte, hätte es diese Vorschrift nach den für die Auslegung völkerrechtlicher Verträge maßgeblichen Maßstäben interpretieren und eingehend belegen müssen, weshalb der vom BVerfG nach umfassender Beweisaufnahme im Jahre 1991 im Bodenreformurteil festgestellte Inhalt der Vereinbarung in Nr. 1 Satz 1 GE unzutreffend ist. Dazu hätte der Senat im einzelnen die tatsächlich gestellten Forderungen von DDR und UdSSR erneut ermitteln müssen, die nach den Feststellungen des BVerfG im Bodenreformurteil vom 23. April 1991 lediglich darauf gerichtet waren, DDR-Bürger vor Rückgabeforderungen und die UdSSR vor völkerrechtlichen Schadensersatzansprüchen zu schützen. Dazu äußert sich der Bodenreform II-Beschluß jedoch nicht.

Insofern ist es unerheblich, wenn der Bodenreform II-Beschluß statt dessen der Frage nach dem außenpolitischen Spielraum der Bundesregierung bei den deutsch-deutschen und deutsch-sowjetischen Wiedervereinigungsverhandlungen nachgeht. Darauf kommt es bei der Bestimmung des Inhalts von Nr. 1 Satz 1 GE nicht an. Diese Frage stellt sich erst, wenn der Inhalt einer (quasi)-völkerrechtlichen Vereinbarung bereits feststeht. Damit liegt der gesamte Begründungsaufwand, den der Erste Senat im Bodenreform II-Beschluß vorgenommen hat, um die Beachtung des außenpolitischen Beurteilungsspielraums der Bundesregierung zu belegen, neben der Sache.

Der Bodenreform II-Beschluß ist auch deshalb unvertretbar, weil er in sich widersprüchlich begründet ist. Der die Überzeugungskraft des gesamten Beschlusses ausschließende Widerspruch ergibt sich aus dem Umstand, daß der Senat einerseits behauptet, Nr. 1 Satz 1 GE enthalte ein Verbot der Rückgabe (BVerfGE 94, 12, 33, 46), andererseits aber ausdrücklich an der Feststellung im Bodenreformurteil festhält, Nr. 1 Satz 4 GE erkläre den Rückerwerb „im Rahmen der Gewährung von Ausgleichsleistungen” für zulässig (so in: BVerfGE 94, 12, 46). Da ein Rückerwerb auch eine Rückschenkung einschließt, ist es logisch ausgeschlossen, daß Nr. 1 Satz 1 GE ein Verbot der Rückgabe enthält.

Unvereinbar ist die Angabe, Nr. 1 Satz 1 GE enthalte ein Rückgabeverbot, auch mit der einfachgesetzlichen Umsetzung im Vermögensgesetz. Sie ist in der Bestimmung des § 1 Abs. 8 lit. a, 1. Halbs. VermG erfolgt, die das BVerwG zwar ebenfalls als Rückgabeverbot ausgibt. Dies aber steht in offenem Widerspruch zum tatsächlichen Regelungsgehalt der Norm, die ebenso wie für die Tatbestände in § 1 Abs. 8 lit. b – d VermG nur auch für Enteignungen auf besatzungsrechtlicher und besatzungshoheitlicher Grundlage nur die Anwendbarkeit des Vermögensgesetzes ausschließt. Dies ist deshalb erfolgt, weil der Ausgleich für Vermögensschädigungen in den in § 1 Abs. 8 VermG nach Maßgabe anderer Vorschriften erfolgt, ohne daß damit eine Aussage verbunden ist, ob dies durch eine Rückgabe oder eine andere Form des Vermögensausgleichs erfolgt. Insofern sieht § 5 Abs. 1 AusglLeistG ausdrücklich einen Rückgabeanspruch für auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage enteignete bewegliche Vermögenswerte vor. Der Gesetzgeber hätte sich also selbst widersprochen, wenn er in § 1 Abs. 8 VermG ein Rückgabeverbot geregelt hätte.

Der Bodenreform II-Beschluß ist also problematisch, weil er – im Widerspruch zu den Feststellungen im Bodenreformurteil vom 23. April 1991 – die einfachrechtlich und – durch die Bezugnahme auf die einfachrechtliche Rechtslage in Art. 143 Abs. 3 GG – auch die verfassungsrechtlich unrichtige Rechtsprechung des BVerwG, die ein in Nr. 1 GE nicht enthaltenes Rückgabeverbot behauptet hat, übernimmt. Damit führt die rechtlich unzutreffende Beschreibung der durch Nr. 1 Satz 1 GE vorgegebenen Rechtslage durch das BVerfG zu einer rechtlich unvertretbaren Perpetuierung der unzutreffenden Rechtsprechung des BVerwG.