BGH, Urteil vom 4. Mai 2007 – V ZR 162/06

Dem Urteil des BGH liegt ein Flächenerwerb eines Alteigentümers zugrunde, der von der durch die ehemalige Treuhandanstalt zur Privatisierung von ehemals volkseigenen land- und forstwirtschaftlichen Flächen gegründeten BVVG GmbH eine Waldfläche nach Maßgabe von § 3 Abs. 4 und 2 Satz 3 AusglLeistG erworben hatte. In dem Erwerbsvertrag hatte sich der Erwerber verpflichtet, die Tatbestandsvoraussetzungen des § 3 Abs. 4 AusglLeistG, der wiederum u.a. auf § 3 Abs. 2 Satz 3 AusglLeistG verweist, einzuhalten. Andernfalls sollte die BVVG GmbH das Recht haben, vom Erwerbsvertrag zurückzutreten. Nach Abschluß des Erwerbsvertrages stellte die BVVG GmbH fest, daß der Erwerber nicht in der Nähe der erworbenen Waldfläche ortsansässig war, trat vom Vertrag zurück und verlangte die Herausgabe der veräußerten Bodenfläche.

Wortlaut der Entscheidung

Verantwortliche Richter:  

Prof. Dr. Wolfgang Krüger, Vorsitzender Richter am BGH
Dr. Reiner Lemke, Richter am BGH
Dr. Jürgen Schmidt-Räntsch, Richter am BGH
Dr. Christina Stresemann, Richterin am BGH
Dr. Hans-Joachim Czub, Richter am BGH

Anlaß und maßgeblicher Inhalt der Entscheidung: 

Dem Urteil des BGH liegt ein Flächenerwerb eines Alteigentümers zugrunde, der von der durch die ehemalige Treuhandanstalt zur Privatisierung von ehemals volkseigenen land- und forstwirtschaftlichen Flächen gegründeten BVVG GmbH eine Waldfläche nach Maßgabe von § 3 Abs. 4 und 2 Satz 3 AusglLeistG erworben hatte. In dem Erwerbsvertrag hatte sich der Erwerber verpflichtet, die Tatbestandsvoraussetzungen des § 3 Abs. 4 AusglLeistG, der wiederum u.a. auf § 3 Abs. 2 Satz 3 AusglLeistG verweist, einzuhalten. Andernfalls sollte die BVVG GmbH das Recht haben, vom Erwerbsvertrag zurückzutreten. Nach Abschluß des Erwerbsvertrages stellte die BVVG GmbH fest, daß der Erwerber nicht in der Nähe der erworbenen Waldfläche ortsansässig war, trat vom Vertrag zurück und verlangte die Herausgabe der veräußerten Bodenfläche.

Der BGH ist in seinem Urteil vom 4. Mai 2007 der Rechtsauffassung der BVVG GmbH beigetreten und hat die Rücktrittserklärung für rechtmäßig erklärt. Dazu vertritt er die Meinung, nicht nur für die Erwerbstatbestände des § 3 Abs. 2 Sätze 1, 2 und 4 AusglLeistG, in denen die Verpflichtung zur Ortsansässigkeit ausdrücklich aufgeführt ist, sondern auch der Erwerbstatbestand des § 3 Abs. 2 Satz 3 AusglLeistG setzte die Ortsansässigkeit des Erwerbers voraus. Dies ergebe sich zwar nicht eindeutig aus dem Wortlaut, der aber auch lediglich als Klarstellung gegenüber § 3 Abs. 2 Satz 1 AusglLeistG aufgefaßt werden könne. Auch Sinn und Zweck der Norm seien nicht eindeutig. Im Gegensatz zu § 3 Abs. 2 Sätze 1, 2 und 4 AusglLeistG diene § 3 Abs. 2 Satz 3 AusgLeistG der Wiedergutmachung gegenüber Alteigentümern, die ihre Flächen unrechtmäßig verloren und nun keinen Rückgabeanspruch hätten, was eine Verpflichtung zur Ortsansässigkeit an sich ausschließe. § 3 Abs. 2 Satz 3 AusglLeistG sei aber auch Teil des in § 3 Abs. 2 AusglLeistG geregelten Förderprogramms, das der Schaffung gesunder Eigentumsstrukturen auf dem Gebiet der Land- und Forstwirtschaft in den neuen Bundesländern diene. Entscheidend beruft sich das Urteil des BGH freilich auf die die Verpachtung ehemals volkseigener land- und forstwirtschaftlicher Flächen regelnde Richtlinie der Treuhandanstalt vom 26. Juni 1992. Darin seien als Wiedereinrichter nur Personen erfaßt, „die ortsansässig sind oder im Zusammenhang mit der Wiedereinrichtung ortsansässig werden.“ Da auch § 3 Abs. 2 Satz 3 AusglLeistG voraussetzte, daß der Erwerber zuvor land- und forstwirtschaftliche Flächen gepachtet hat, habe der Gesetzgeber auch bei diesem Erwerbstatbestand auf die Richtlinie der Treuhandanstalt und auf den darin enthaltenen Begriff des Wiedereinrichters Bezug genommen.

Warum die Entscheidung unvertretbar ist: 

Das Urteil des BGH mißachtet elementare Auslegungsgrundsätze und prüft nicht die rechtlichen Konsequenzen, die sich daraus ergeben, daß es sich bei den Flächenerwerbsverträgen der BVVG GmbH um Allgemeine Geschäftsbedingungen i.S. von §§ 305ff. BGB handelt.

Bereits die Annahme, bei § 3 Abs. 2 Satz 3 AusglLeistG könne es sich um eine bloße Klarstellungsnorm gegenüber § 3 Abs. 2 Satz 1 AusglLeistG handeln, begegnet erheblichen Bedenken. Für eine solche Klarstellung hätte überhaupt kein Bedarf bestanden, weil sich bereits aus § 3 Abs. 2 Satz 1 AusglLeistG ergibt, daß im Rahmen des Förderprogramms sowohl Alteigentümer als auch Nicht-Alteigentümer dann erwerbsberechtigt sind, wenn sie einen Betrieb auf gepachteten Flächen wiedererrichtet haben und ortsansässig sind. Für eine bloße Klarstellung hätte es daneben des Tatbestandes in § 3 Abs. 2 Satz 3 AusglLeistG nicht bedurft.

Bedeutsamer aber ist der Umstand, daß der BGH es für möglich hält, Sinn und Zweck des § 3 Abs. 2 Satz 3 AusglLeistG könne sowohl die Wiedergutmachung für bestehendes Unrecht als auch eine Fördermaßnahme sein, mit der besondere Zwecke der Eigentumsbildung in den neuen Bundesländern verfolgt werden. Eine solche Vermengung von Zwecken des Gesetzes ist vielmehr ausgeschlossen. Dies zeigt die einfache Überlegung, daß es schon im Ansatz keine Wiedergutmachung für geschehenes Unrecht dargestellt wird, wenn geschädigte Alteigentümer i.S. von § 3 Abs. 2 Satz 3 AusglLeistG genauso gestellt werden, wie Personen, die niemals Betroffene von Unrechtsmaßnahmen waren. Von einer Wiedergutmachung läßt sich nur sprechen, wenn Alteigentümer in irgendeiner Weise besser gestellt werden als niemals geschädigte Wiedereinrichter. Im Vergleich zwischen den Regelungen von § 3 Abs. 2 Satz 1 AusglLeistG und § 3 Abs. 2 Satz 3 AusglLeistG ist dies lediglich der Vorzug, daß Alteigentümer nicht auch ortsansässig sein müssen. Nur darin besteht der Wiedergutmachungscharakter, der nicht mehr gegeben wäre, wenn Alteigentümer unterschiedslos auch dem Ortsansässigkeitsprinzip unterworfen wären.

Im übrigen ist auffällig, daß der BGH in seinem Urteil vom 4. Mai 2007 zwar eingehend den Gesetzeszweck der Wiedergutmachung begründet, für die Annahme, § 3 Abs. 2 Satz 3 AusglLeistG bezwecke zugleich eine Fördermaßnahme aber keine Begründung anzugeben weiß. Dazu verweist er lediglich auf einen in einem Eilverfahren ergangenen Beschluß des BVerfG, aus dem sich diese Rechtsmeinung ergeben könnte, verschweigt aber, daß das BVerfG später in einem Hauptsacheverfahren nur noch den Wiedergutmachungscharakter des § 3 Abs. 2 Satz 3 AusglLeistG, aber nicht mehr den Förderzweck im Rahmen des Flächenerwerbsprogramms annimmt.

Die für das Ergebnis des BGH entscheidende Richtlinie der Treuhandanstalt vom 26. Juni 1992 ist im übrigen – entgegen der nicht begründeten Behauptung des Senats – ohne Relevanz für die Auslegung des § 3 Abs. 2 Satz 3 AusglLeistG. Der BGH schließt auf die Bedeutung der Richtlinie lediglich deshalb, weil § 3 Abs. 2 Satz 3 AusglLeistG allein diejenigen Alteigentümer als Erwerber begünstigt, die bereits zuvor Flächen gepachtet haben. Dies war in der Praxis aufgrund der Richtlinie der Treuhandanstalt zwar nur möglich gegenüber Flächennutzern, welche sich wegen der Verpachtung zur Ortsansässigkeit verpflichtet haben. Daraus läßt sich aber nicht schließen, daß diese Verpflichtung automatisch auch für Erwerber gelten sollte.

Will man annehmen, daß der Gesetzgeber außergesetzliche Regelungen wie die Richtlinie der Treuhandanstalt im Rahmen eines verabschiedeten Gesetzes voraussetzt oder zum Inhalt des Gesetzes zu erheben beabsichtigt, müssen die außergesetzlichen Regelungen ausdrücklich in das Gesetzgebungsverfahren eingeführt und dem Bundestag, dem Bundesrat und deren Gremien als Entscheidungsgrundlage vorgelegen haben. Davon freilich kann ausweislich der gesamten Gesetzesmaterialien keine Rede sein. Schon deshalb sind er Rückgriff des BGH auf die Treuhandrichtlinie und die darauf gestützten Schlußfolgerungen unvertretbar. Die Richtlinie der Treuhandanstalt hätte bei der Auslegung vielmehr überhaupt nicht herangezogen werden dürfen. Sie ist ausweislich der Gesetzesmaterialien vielmehr eine bloße Praxisregelung der Exekutive, die als solche den Inhalt eines Gesetzes nicht bestimmt hat.

Damit aber nicht genug: Der Senat des BGH zitiert die Richtlinie der Treuhandanstalt in einer wesentlichen Beziehung unrichtig, weil er – sinnentstellend – ein Komma unterschlägt. Insofern führt der BGH wörtlich aus: „Die Richtlinie definiert Wiedereinrichter nämlich als Personen, „die ortsansässig sind oder im Zusammenhang mit der Wiedereinrichtung ortsansässig werden, ihren ursprünglichen landwirtschaftlichen Betrieb wiedereinrichten und selbst bewirtschaften wollen, und zwar auch solche, bei denen die Rückgabe ihres ursprünglichen Betriebes aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen ausgeschlossen ist sowie natürliche Personen, denen Vermögenswerte durch Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage entzogen worden sind oder deren Erben, die ihren ehemaligen Betrieb wiedereinrichten und selbst bewirtschaften wollen.“

Tatsächlich lautet aber die vom BGH zitierte Passage der Treuhandrichtlinie: „Wiedereinrichter, das sind Personen, die ortsansässig sind oder im Zusammenhang mit der Wiedereinrichtung ortsansässig werden, ihren ursprünglichen landwirtschaftlichen Betrieb wiedereinrichten und selbst bewirtschaften wollen, und zwar auch solche, bei denen die Rückgabe ihres ursprünglichen Betriebes aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen ausgeschlossen ist, sowie natürliche Personen, denen Vermögenswerte durch Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage entzogen worden ist oder deren Erben, die ihren ehemaligen Betrieb wiedereinrichten und selbst bewirtschaften; ….“

Der BGH unterdrückt in seinem Zitat also das Komma zwischen den Worten „ist“ und „sowie“ und will damit suggerieren, daß sich auch der nachfolgende Satzteil „sowie natürliche Personen, denen Vermögenswerte durch Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage entzogen worden ist oder deren Erben, die ihren ehemaligen Betrieb wiedereinrichten und selbst bewirtschaften“ in der Weise auf den ersten Satzteil bezieht, daß die darin aufgestellten Voraussetzungen auch für die nach dem Wort „sowie“ aufgeführte Fallgruppe bezieht. Dieses Verständnis ist aber ausgeschlossen, wenn man das tatsächlich in der Richtlinie enthaltene Komma beachtet.

Das gilt erst recht aufgrund des Umstandes, daß die nach dem Begriff „sowie“ beschriebene Fallgruppe nicht nur dadurch beschrieben wird, daß damit Alteigentümer, die Opfer von besatzungsrechtlichen oder besatzungshoheitlichen Enteignungen geworden sind, in Bezug genommen werden, sondern auch dadurch, daß diese Alteigentümer ihren Betrieb wiedereinrichten und selbst bewirtschaften. Die Wiederholung der Voraussetzungen der Wiedereinrichtung und der Selbstbewirtschaftung für die Fallgruppe der Alteigentümer wäre widersinnig, wenn man mit dem BGH annehmen wollte, auch für diese Fallgruppe sollten die im ersten Satzteil von Ziff. 4.5 lit a der Verpachtungsrichtlinie enthaltenen Voraussetzungen der Wiedereinrichtung, der Selbstbewirtschaftung und der Ortsansässigkeit gelten. Aus dem Umstand, daß die Richtlinie als Wiedereinrichter auch solche Alteigentümer behandeln, die ihren Betrieb wiedereinrichten und selbstbewirtschaften, in deutlichem Gegensatz zur Auffassung des BGH dafür, daß diese Alteigentümer auch für die Verpachtung nicht die Voraussetzung der Ortsansässigkeit erfüllen mußten.

Im Hinblick darauf, daß die BVVG den Rücktritt von den Erwerbsverträgen nur auf Vereinbarungen in diesen Verträgen stützen kann und daß diese Vereinbarungen vielfach verwandt wurden und damit Allgemeine Geschäftsbedingungen darstellen, hätte der BGH auch darauf eingehend müssen, ob die Rücktrittsklauseln auch nach den für Allgemeine Geschäftsbedingungen geltenden Regeln in §§ 305ff. BGB überhaupt wirksam vereinbart worden sind. Dazu findet sich in dem Urteil kein Wort, obgleich die vom BGH angenommene Vereinbarung einer Ortsansässigkeitsverpflichtung jedenfalls an der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB scheitert.

Die BVVG hat ihr Rücktrittsrecht in den Erwerbsverträgen allein darauf gestützt, daß der Erwerber die Verpflichtungen aus § 3 AusglLeistG erfüllt. In bezug auf die Ortsansässigkeit in den Fällen des § 3 Abs. 2 Satz 3 AusglLeistG ist diese Vereinbarung aus mehreren Gründen aber mehrdeutig, so daß Zweifel bei der Auslegung der Rücktrittsklausel zu Lasten der BVVG gehen. Zum einen ist bereits oben dargelegt, daß sich derart relevante Zweifel einer Verpflichtung zur Ortsansässigkeit bereits aus der gesetzlichen, von der Klausel in Bezug genommenen Regelung des § 3 Abs. 2 Satz 3 AusglLeistG ergeben. Selbst wenn man sich aber darüber hinwegsetzen wollte, ergäbe sich aus § 3 Abs. 2 Satz 3 AusglLeistG allenfalls, daß der Erwerber im Zeitpunkt des Erwerbes ortsansässig sein müßte. Aus der bloßen Verweisung auf § 3 AusglLeistG läßt sich für einen Erwerber aber nicht Umständen erkennen, daß er auch noch nach Vertragsschluß ortsansässig sein soll. Eine solche Verpflichtung ist vielmehr allein in § 1 Abs. 2 Satz 2 FlErwV geregelt, auf welche die Rücktrittsklausel gerade nicht verweist. Unabhängig davon ist die Regelung in § 1 Abs. 2 Satz 2 FlErwV nicht von der gesetzlichen Ermächtigung in § 4 Abs. 3 AusglLeistG gedeckt und daher nichtig.

Obgleich das Urteil des BGH vom 4. Mai 2007 prima facie den Eindruck einer ausgewogenen Begründung vermittelt, läßt es tatsächlich die maßgeblichen Entscheidungsgesichtspunkte außer acht. Es unterstützt damit durch eine insgesamt aufgrund mehrerer rechtlicher Fehlleistungen seit langem zu beobachtende Praxis der BVVG, die darauf abzielt, die Verpachtung und die Veräußerung von ehemals volkseigenen land- und forstwirtschaftlichen Flächen einseitig zugunsten der LPG-Nachfolgeunternehmen durchzuführen. Dabei ist längst bekannt, daß die gesetzgeberischen Ziele, die der Gesetzgeber zugunsten dieser Erwerbsanwärter mit dem in § 3 AusglLeistG auch geregelten Förderprogramm der ostdeutschen Land- und Forstwirtschaft verlangt hat, im wesentlichen nicht erreicht werden kann. Dies gilt einerseits deshalb, weil die LPG-Nachfolgeunternehmen in erheblichem Umfang aufgrund von diversen Machenschaften zu Lasten ehemaliger LPG-Mitglieder nicht entsprechend den gesetzlichen Vorschriften umgewandelt wurden, andererseits aber auch aufgrund des Umstandes, daß diese Unternehmen mit einer durchschnittlichen Größe von über 1.000 ha und einer weitgehenden Beschäftigung von Lohnarbeitnehmern nicht in der Lage sind, mit hinreichendem Gewinn zu wirtschaften und seit Jahren nur aufgrund übergebührlicher Subventionen und auf Kosten der Betriebssubstanz überleben.

LG Neubrandenburg, Beschluß vom 20.9.2006 – 712 RHS 38/04

Wortlaut der Entscheidung

Verantwortliche Richter:  

Klaus Kabisch, Vorsitzender Richter am LG
Reinhard Elfers, Richter am LG
Henning Kolf, Richter am LG

Anlaß und maßgeblicher Inhalt der Entscheidung: 

Die Entscheidung der Rehabilitierungskammer betrifft den Fall der Verfolgung eines Betroffenen im Rahmen der sog. Bodenreform. Die deshalb gestellten Anträge auf strafrechtliche Rehabilitierung haben die Richter der Rehabilitierungskammer mit der Begründung abgelehnt, die Frage, ob die Enteignung Strafcharakter gehabt habe, sei ohne Belang. Jedenfalls sei die besatzungshoheitliche Maßnahme nicht in einem förmlichen Strafverfahren ergangen. Sie sei also allenfalls eine Strafmaßnahme, aber keine strafrechtliche Maßnahme. Außerhalb eines Strafverfahrens seien gerichtliche oder behördliche Entscheidungen nur im Rahmen von § 2 StrRehaG rehabilitierungsfähig, dessen Voraussetzungen aber nicht vorlägen.

Warum die Entscheidung unvertretbar ist: 

Voraussetzung einer strafrechtlichen Rehabilitierung ist u.a. eine strafrechtliche Entscheidung eines staatlichen deutschen Gerichts (§ 1 Abs. 1 Satz 1 StrRehaG) oder eine (andere) strafrechtliche Maßnahme, die keine gerichtliche Entscheidung ist (§ 1 Abs. 5 StrRehaG). Davon ist aufgrund der Vorgaben in Art. 17 EVertr (politisch motivierte Strafverfolgungsmaßnahme) und in der Gesetzesbegründung zum Ersten Unrechtsbereinigungsgesetz (BT-Drucks. 12/1608, S. 18) auch bei Strafmaßnahmen „außerhalb eines förmlichen bzw. außerhalb eines geregelten Strafverfahrens“ auszugehen. Damit besteht eine grundsätzliche Rehabilitierungsfähigkeit gegenüber jedem staatlichen Hoheitsakt, der materiell-rechtlich nach Recht oder Rechtspraxis in SBZ oder DDR dem Strafrecht zuzuordnen war.

Auf die Förmlichkeit eines Strafverfahrens kommt es dagegen schon deshalb nicht an, weil dafür der Begriff der strafrechtlichen Maßnahmen nichts hergibt. Dies läßt sich auch nicht mit dem Wortspiel der Kammer begründen, die Enteignungen seien möglicherweise eine Strafmaßnahme, aber keine strafrechtliche Maßnahme gewesen. Beide Begriffe sind vielmehr identisch. Wichtiger noch ist der Umstand, daß mit einer Begrenzung auf förmliche Strafverfahren die besonders einschneidende Formen der strafrechtlichen Verfolgung einer strafrechtlichen Rehabilitierung entzogen werden, was dem mit der Rehabilitierung verfolgten Wiedergutmachungszweck diametral entgegensteht. Ohnehin stellt auch das BVerfG zur Bestimmung des strafrechtlichen Charakters einer Maßnahme ausschließlich auf ihren materiellen Gehalt ab und führt aus, daß bereits die Verhängung einer materiellen Strafe in einem verwaltungsrechtlichen Verfahren ohne Beachtung der Garantien des Strafprozeßrechts rechtsstaatswidrig sei (BVerfGE 22, 49, 73ff., 76ff., 81).

Daß es bei der Konkretisierung von § 1 Abs. 1 und 5 StrRehaG auf ein förmliches Strafverfahren nicht ankommen kann, ergibt sich im übrigen aus dem Zweck des Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes, vor allem daraus, die besonders schwerwiegenden Fälle von strafrechtlicher Verfolgung zu rehabilitieren. In der SBZ und DDR sind aber gerade diese Fälle häufig nicht in förmlichen, namentlich den Vorschriften der Strafprozeßordnung entsprechenden Verfahren durchgeführt worden. Diese Strafverfolgungsmaßnahmen könnten dann aber nicht rehabilitiert werden, wenn die durch nichts begründete und begründbare Auffassung der Kammer zutreffend wäre. Genannt seien etwa die vor der Wirtschaftsverwaltung durchgeführten Wirtschaftsstrafverfahren nach der Verfahrensordnung zur Wirtschaftsstrafverordnung, die weitgehende Beseitigung förmlicher strafprozessualer Garantien durch den SMAD-Befehl Nr. 201 und die dazu erlassene Ausführungsbestimmung Nr. 3 oder die ungesetzlichen Maßnahmen des Ministeriums für Staatssicherheit, das aber ausdrücklich als strafrechtliches Untersuchungsorgan agiert hat (vgl. § 88 II Nr. 2 StPO-DDR).