BVerwG, Urteil vom 28. Februar 2007 –3 C 18.06

Gegenstand des Urteils ist der besondere Fall, daß eine Bodenreformmaßnahme im Einzelfall nachweislich von der sowjetischen Besatzungsmacht untersagt war und deshalb nach ständiger Rechtsprechung des BVerwG nicht als auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage beruhend angesehen werden konnte. Der geltend gemachte Anspruch auf verwaltungsrechtliche Rehabilitierung konnte deshalb nur abgelehnt werden, wenn die eingeleiteten Maßnahmen der deutschen Organe in der SBZ keinen Akt der politischen Verfolgung i.S.v.§ 1 Abs. 2 VwRehaG darstellte und wenn dem Vermögensgesetz für diesen Fall nach § 1 Abs. 1 Satz 2 VwRehaG kein Vorrang vor dem Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetz zukommt.

Wortlaut der Entscheidung

Verantwortliche Richter: 

Dieter Kley, Vorsitzender Richter am BVerwG
Dr. Sebastian Dette, Richter am BVerwG
Hans Jürgen van Schewick, Richter am BVerwG
Stefan Liebler, Richter am BVerwG
Prof. Dr. Klaus Rennert, Richter am BVerwG 

Anlaß und maßgeblicher Inhalt der Entscheidung: 

Gegenstand des Urteils ist der besondere Fall, daß eine Bodenreformmaßnahme im Einzelfall nachweislich von der sowjetischen Besatzungsmacht untersagt war und deshalb nach ständiger Rechtsprechung des BVerwG nicht als auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage beruhend angesehen werden konnte. Der geltend gemachte Anspruch auf verwaltungsrechtliche Rehabilitierung konnte deshalb nur abgelehnt werden, wenn die eingeleiteten Maßnahmen der deutschen Organe in der SBZ keinen Akt der politischen Verfolgung i.S.v.§ 1 Abs. 2 VwRehaG darstellte und wenn dem Vermögensgesetz für diesen Fall nach § 1 Abs. 1 Satz 2 VwRehaG kein Vorrang vor dem Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetz zukommt.

In seinem Urteil vom 28. Februar 2007 legt der 3. Senat des BVerwG dar, weshalb er annimmt, die sog. Demokratische Bodenreform sei jedenfalls dann keine politische Verfolgung, wenn sie Personen mit einem Hof in Größe von mehr als 100 ha betroffen hat. Ihnen sei seinerzeit keine persönliche Sanktion zugefügt worden. Dies ergebe sich daraus, daß die maßgeblichen Bodenreformverordnungen an die Größe des jeweils enteigneten Hofs und nicht an ein Fehlverhalten der Betroffenen angeknüpft hätten. Im übrigen habe die Bodenreform der Verteilung von land- und forstwirtschaftlichen Flächen an landarme Bauern und Flüchtlinge aus den Ostgebieten gedient.

Warum die Entscheidung unvertretbar ist: 

In diesem Urteil bestimmt der Senat das gesetzliche Merkmal der politischen Verfolgung i.S.v. § 1 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 VwRehaG entgegen der ständigen Rechtsprechung des BVerfG und des BVerwG sowie ohne jede rechtliche Absicherung in sinnwidriger Weise. Dazu verwertet es die Tatsachen der Verfolgung bei der Prüfung des Tatbestandsmerkmals nur selektiv verwertet und zeichnet damit ein Zerrbild der Unrechtsakte.

Die Auslegung des Begriffs der politischen Verfolgung ist jedenfalls durch die Genfer Flüchtlingskonvention vorgegeben und umfaßt nach ständiger Rechtsprechung von BVerfG und BVerwG sämtliche Verfolgungsmaßnahmen, die ein Staat wegen der Zugehörigkeit zu einer Rasse, Religion, Nationalität oder sozialen Gruppe oder wegen einer politischen Überzeugung ergreift. Selbst diese Aufzählung ist nur beispielhaft. Zur Bestimmung der politischen Verfolgung hat das BVerwG früher auf die Motivationslage des Verfolgerstaates abgestellt, während das BVerfG in ständiger Rechtsprechung – zutreffend – auf die objektiven an äußeren Merkmalen erkennbare Gerichtetheit der Maßnahme abstellt. Der Begriff der politischen Verfolgung spiegelt dabei insbesondere die Verfolgungs- und Vertreibungsschicksale des vergangenen Jahrhunderts wieder. Der Senat geht auf diesen Prüfungsmaßstab jedoch nicht ein, sondern verneint die politische Verfolgung, weil die „Bodenreform“ der Bodenneuordnung gedient habe, ohne eine Sanktion für die Betroffenen dargestellt zu haben, und weil die Bodenreformverordnungen auf die Größe des Hofes, nicht aber auf die Personen abgestellt habe.

Es ist zwar zutreffend, daß die Bodenreformverordnungen auf die Größe der Höfe abgestellt und angegeben haben, sie dienten der Bodenneuordnung. Bei der nach objektiven Merkmalen erforderlichen Bestimmung der politischen Verfolgung läßt sich aber nicht nur auf die Angaben des Verfolgerstaates abstellen. Vielmehr muß der objektive Charakter der Maßnahme in den Blick genommen werden. Insofern mißachtet der 3. Senat des BVerwG die tatsächlichen Zusammenhänge der im Rahmen der „Bodenreform“ verübten Unrechtsmaßnahmen, weil er sie auf eine bloße Bodenneuordnung und den mit der „Bodenreform“ gegen „Junker“, „Feudalherren“ und „Großgrundbesitzer“ mit dem schlichten Hinweis darauf negiert, die Bodenreformverordnungen hätten (allein) an die Größe der „enteigneten“ Bodenflächen angeknüpft. Dabei steht außer Frage, daß die damaligen Machthaber mit der Bodengröße lediglich die zu verfolgende Personengruppe bestimmt haben.

Sogar nach dem eindeutigen Wortlaut der Bodenreformverordnungen steht aber außer Frage, daß es der kommunistischen Führung bei der „Bodenreform“ primär um die gesellschaftliche und wirtschaftliche „Ausrottung“, „Vernichtung“ und Kaltstellung der verfolgten Personengruppe ging. Dazu schreiben die Bodenreformverordnungen bereits in der Präambel von den Forderungen nach „Liquidierung des feudalen und junkerlichen Grundbesitzes“. In Art. I der Bodenreformverordnungen heißt es dann: „Die Bodenreform muß die Liquidierung der feudalen junkerlichen Großgrundbesitzer gewährleisten und der Herrschaft der Junker und Großgrundbesitzer im Dorf ein Ende bereiten, weil diese Herrschaft immer eine Bastion der Reaktion und des Faschismus in unserem Lande darstellte und eine der Hauptquellen der Aggression und der Eroberungskriege gegen andere Völker war.“ Die Bodenreformverordnungen lassen also nicht den geringsten Zweifel daran, daß Ziel der kommunistischen Machthaber die gezielte persönliche Verfolgung der „Junker“ und „Feudalherren“ war. Die Bodenumverteilung war dagegen lediglich ein Nebeneffekt, den die Kommunisten ohnehin nie ernsthaft betrieben haben, weil – entgegen den Ankündigungen in den Bodenreformverordnungen – keinem Neusiedler Privateigentum übertragen wurde und die als sog. Arbeitseigentum überlassenen Bodenflächen bewußt nur so klein bemessen waren, daß sie wirtschaftlich nicht bearbeitet werden konnten, weshalb die Neubauern schon kurze Zeit später in die Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften gezwungen wurden.

Die Annahme des 3. Senats des BVerwG, die Bodenreform habe nicht der politischen Verfolgung gedient, steht im übrigen in offenkundigem Widerspruch zu anderen Entscheidungen desselben Senats, in denen er ausdrücklich den politischen Verfolgungscharakter der Bodenreform auch in Fällen von Höfen über 100 ha bejaht (vgl. nur BVerwG, Urt. v. 21. Februar 2002 – 3 C 16.01).

Daß der Senat diese Vorgaben der Bodenreformverordnung bei seiner Prüfung der politischen Verfolgung außer acht läßt, obgleich sie offen zutage liegen, ist ebenso unverzeihlich wie der Umstand, daß er in seiner Prüfung mit nicht einem Wort die weiteren gegen die Verfolgten ergriffenen Maßnahme etwa der Vertreibung, der Internierung, der systematischen Erzeugung einer Pogromstimmung, der Aberkennung des aktiven und passiven Wahlrechts, der Ausbürgerung oder der Registrierung als Kriegs- und Naziverbrecher erwähnt, obgleich auch gerade dadurch der Charakter der Bodenreform als politische Verfolgungsaktion begründet wird. Damit hat der Senat das tatsächlich verübte Unrecht verharmlost.

BVerwG, Urteil vom 12. Februar 2020 –8 C 6.19

Dem Urteil liegt der Fall einer im Rahmen des sächsischen Volksentscheides erfolgten Schädigung eines 1960 in der BRD verstorbenen Industriellen zugrunde. Er wurde u.a. von einem 1977 ebenfalls in der BRD Verstorbenen beerbt. Weil sein Vermögen überschuldet war, hat u.a. der Kläger die Erbschaft vor dem AG München ausgeschlagen. Dennoch hat er 1990 einen Antrag auf Rückübertragung des 1946 entzogenen Unternehmens gestellt und erhielt daraufhin im Jahr 2000 eine Ausgleichsleistung. Den entsprechenden Bescheid hat die Behörde 2013 wieder aufgehoben, weil ihr die 1977 erfolgte Ausschlagung nicht bekannt gewesen sei. Die dagegen gerichtete Klage war darauf gestützt, zur Bestimmung des Erben und Erbeserben i.S.v. § 1 Abs. 1 S. 1 AusglLeistG sei nicht auf die tatsächlich eingetretene Erbfolge abzustellen. Vielmehr habe wegen des mit dem Ausgleichsleistungsgesetz verfolgten Wiedergutmachungszwecks eine hypothetische Prüfung vorgenommen werden müssen, wonach Ausgleichsberechtigter derjenige sei, der Erbe oder Erbeserbe des Geschädigten geworden sei, wenn es keine Schädigung des betreffenden Vermögenswertes gegeben habe. Dann aber habe berücksichtigt werden müssen, daß wegen der in der DDR belegenen Immobilien bei dem 1977 eingetretenen Nachlaßfall des in der BRD Verstorbenen eine Nachlaßspaltung mit der Folge eingetreten wäre, weil nach § 25 Abs. 1 RAG-DDR für deren Beurteilung der erbrechtlichen Folgen das in der DDR maßgebliche Erbrecht anwendbar geworden wäre. Dann habe eine Ausschlagung nach § 403 Abs. 2 S. 1 ZGB-DDR zwingend vor einem Notar der DDR erklärt werden müssen. Die vor dem AG München erklärte Ausschlagung habe sich deshalb nicht auf das in der DDR belegene Immobilienvermögen bezogen.

Wortlaut der Entscheidung

Verantwortliche Richter: 

Dr. Ula Held-Daab, Vorsitzende Richterin am BVerwG
Petra Hoock, Richterin am BVerwG
Dr. Robert Keller,  Richter am BVerwG
Dr. Susanne Rublack, Richterin am BVerwG
Dr. Robert Seegmüller, Richter am BVerwG

Anlaß und maßgeblicher Inhalt der Entscheidung: 

Dem Urteil liegt der Fall einer im Rahmen des sächsischen Volksentscheides erfolgten Schädigung eines 1960 in der BRD verstorbenen Industriellen zugrunde. Er wurde u.a. von einem 1977 ebenfalls in der BRD Verstorbenen beerbt. Weil sein Vermögen überschuldet war, hat u.a. der Kläger die Erbschaft vor dem AG München ausgeschlagen. Dennoch hat er 1990 einen Antrag auf Rückübertragung des 1946 entzogenen Unternehmens gestellt und erhielt daraufhin im Jahr 2000 eine Ausgleichsleistung. Den entsprechenden Bescheid hat die Behörde 2013 wieder aufgehoben, weil ihr die 1977 erfolgte Ausschlagung nicht bekannt gewesen sei. Die dagegen gerichtete Klage war darauf gestützt, zur Bestimmung des Erben und Erbeserben i.S.v. § 1 Abs. 1 S. 1 AusglLeistG sei nicht auf die tatsächlich eingetretene Erbfolge abzustellen. Vielmehr habe wegen des mit dem Ausgleichsleistungsgesetz verfolgten Wiedergutmachungszwecks eine hypothetische Prüfung vorgenommen werden müssen, wonach Ausgleichsberechtigter derjenige sei, der Erbe oder Erbeserbe des Geschädigten geworden sei, wenn es keine Schädigung des betreffenden Vermögenswertes gegeben habe. Dann aber habe berücksichtigt werden müssen, daß wegen der in der DDR belegenen Immobilien bei dem 1977 eingetretenen Nachlaßfall des in der BRD Verstorbenen eine Nachlaßspaltung mit der Folge eingetreten wäre, weil nach § 25 Abs. 1 RAG-DDR für deren Beurteilung der erbrechtlichen Folgen das in der DDR maßgebliche Erbrecht anwendbar geworden wäre. Dann habe eine Ausschlagung nach § 403 Abs. 2 S. 1 ZGB-DDR zwingend vor einem Notar der DDR erklärt werden müssen. Die vor dem AG München erklärte Ausschlagung habe sich deshalb nicht auf das in der DDR belegene Immobilienvermögen bezogen.

Der 8. Senat des BVerwG hat dagegen die Auffassung vertreten, Erbe und Erbeserbe des Geschädigten i.S.v. § 1 Abs. 1 S. 1 AusglLeistG sei der tatsächliche Erbe des Geschädigten. Er hat dies damit begründet, daß mit dem Tod des Erblassers nach § 1922 Abs. 1 BGB sein Gesamtvermögen auf den Erben übergehe. Er hat außerdem angenommen, daß es bei Berücksichtigung des hypothetischen Erben zu einer vom Gesetz nicht gewollten Anspruchskonkurrenz komme. Schließlich habe der 7. Senat des BVerwG zwar auf eine hypothetische Betrachtung verwiesen. Damit sei aber weder ein hypothetischer Erbgang für maßgeblich noch ein hypothetischer Erbe für restitutionsberechtigt angesehen worden. Vielmehr sei damit lediglich die Restitutionsberechtigung des tatsächlichen Erben mit der Hypothese des Gesetzgebers erläutert worden, jenem wäre der entzogene Vermögenswert ohne die Schädigung samt dem übrigen Nachlaß zugefallen. Mit Rücksicht auf die Erbstellung werde also wirtschaftlich nur die zeitliche Lücke zwischen Tod des Geschädigten und der Entstehung des Anspruchs in der Person seines Erben geschlossen. Daraus lasse sich für die Berechtigung eines anderen als des tatsächlichen Erben nichts herleiten. Schließlich ergebe sich auch aus dem Wiedergutmachungszweck keine andere Beurteilung, weil es sonst zu einer ungelösten Anspruchskonkurrenz komme.

Warum die Entscheidung unvertretbar ist: 

§ 1922 Abs. 1 BGB regelt lediglich den Nachlaß, der sich im Zeitpunkt des Todes des Erblasses tatsächlich in seinem Eigentum befand. Dazu zählten in SBZ und DDR geschädigte Vermögenswerte aber nicht. Insofern regelt die Vorschrift den Fall der ausgleichsrechtlichen Berechtigung nach § 1 Abs. 1 S. 1 AusglLeistG überhaupt nicht. Dies aber schließt es aus zu unterstellen, Erbe und Erbeserbe i.S.v. § 1 Abs. 1 S. 1 AusglLeistG könne ausschließlich derjenige sein, der tatsächlich die Erbschaft des Geschädigten angetreten hat. Das Gegenteil wird auch nicht durch das vom 8. Senat des BVerwG bemühte persönliche Näheverhältnis zwischen tatsächlichem Erben und Geschädigtem belegt. Dies belegt bereits der entschiedene Fall, in dem der Kläger Enkel des Geschädigten war, der tatsächliche Erbe infolge der Erbausschlagung aber der Staat.

Trotz der Nachlaßspaltung für das in der DDR belegene Immobilienvermögen fallen tatsächlicher Erbe und hypothetischer Erbe, der geerbt hätte, wenn dieses Vermögen nicht durch Maßnahmen des SED-Regimes geschädigt worden wäre, im Regelfall zusammen. Insbesondere in den Fällen der Erbausschlagung vor einem bundesdeutschen Nachlaßgericht fallen tatsächlicher und hypothetischer Erbe jedoch auseinander.

In diesen Fällen aber verlangt der mit dem Ausgleichsleistungsgesetz verbundene Wiedergutmachungszweck, daß allein der hypothetische Erbe als berechtigter Erbe und Erbeserbe i.S.v. § 1 Abs. 1 S. 1 AusglLeistG behandelt wird. Eine Wiedergutmachung verlangt nämlich, daß durch Ausgleichsleistungen möglichst der Vermögenszustand wiederhergestellt wird, der vor der Schädigung bestanden hat. Bei Berücksichtigung des tatsächlichen Erben jedoch wäre eine Person ausgleichsleistungsberechtigt, die den Immobilienbesitz ohne die Schädigung in SBZ und DDR niemals erhalten hätte. Ihr gegenüber gibt es damit überhaupt keinen Grund, sie zu berechtigen. Vielmehr liefe mit der Auskehr der Ausgleichsleistung der mit dem Ausgleichsleistungsgesetz verbundene Wiedergutmachungszweck ins Leere und derjenige, der ohne Schädigung die Immobilie in der DDR geerbt hätte, erhielte keine Wiedergutmachung.

Die ausschließliche, mit dem Ausgleichsleistungsgesetz verbundene Zweckrichtung der Wiedergutmachung läßt sich auch nicht dadurch bestreiten, daß verfassungsrechtlicher Anlaß für den dort vorgesehenen Ausgleich vor allem das Sozialstaatsprinzip ist. Aus dem Sozialstaatsprinzip folgt insofern lediglich, daß der Gesetzgeber gegenüber den Opfern von Vermögensschädigungen durch das SED-Regime nicht untätig bleiben durfte. Dagegen besagt die verfassungsrechtliche Verankerung von Ausgleichsleistungsansprüchen nicht, daß damit allgemeine sozialrechtliche Ansprüche ohne Wiedergutmachungsgedanken gewährt werden sollten. Geradezu ins Groteske verkehrt wird die vom BVerwG erfolgte Bezugnahme auf das Sozialstaatsprinzip dann, wenn der von ihm als einzig mögliche Berechtigte, der tatsächliche Erbe, in keiner Weise des sozialen Ausgleichs bedarf, wie vorliegend der Staat.

Das dem einzigen Zweck des Ausgleichsleistungsgesetzes damit zuwiderlaufende Ergebnis ist auch nicht mit der vom 8. Senat des BVerwG angeführten Anspruchskonkurrenz zu rechtfertigen, da es eine solche nicht gibt. Ist nach § 1 Abs. 1 S. 1 AusglLeistG der hypothetische Erbe berechtigt, besteht daneben keine Berechtigung des tatsächlichen Erben. Insofern scheidet eine Konkurrenz von Ansprüchen des hypothetischen und des tatsächlichen Erben von vornherein aus.

Soweit sich der 8. Senat des BVerwG schließlich auf den vom 7. Senat des BVerwG geprägten Rechtssatz beruft, wonach der tatsächliche Erbe mit der vom Gesetzgeber aufgestellten Hypothese nur zum Ausdruck gebracht habe, jenem wäre der Vermögenswert ohne die Schädigung samt dem übrigen Nachlaß zugefallen, ist dieser dann zutreffend, wenn trotz einer Nachlaßspaltung tatsächlicher und hypothetischer Erbe zusammenfallen. Dagegen ist der Rechtssatz in sich grundlegend widersprüchlich, wenn tatsächlicher und hypothetische Erbe – wie im Fall der Erbausschlagung vor einem bundesdeutschen Nachlaßgericht – auseinanderfallen. Dann nämlich hätte der tatsächliche Erbe den Vermögenswert gerade nicht geerbt, wenn er nicht in SBZ oder DDR geschädigt worden wäre. Der 8. Senat des BVerwG stellt damit im entschiedenen Fall einen denklogisch ausgeschlossenen Rechtssatz auf. Bei einem Auseinanderfallen von tatsächlichem und hypothetischem Erben schließt § 1 Abs. 1 S. 1 AusglLeistG daher auch nicht nur eine zeitliche Lücke zwischen dem Tod des Geschädigten und dem Entstehen des Ausgleichsanspruchs, sondern ersetzt den tatsächlichen durch den hypothetischen Erben. Nur mit dieser wesentlichen Änderung läßt sich der Rechtssatz widerspruchslos aufstellen.

Die Entscheidung des 8. Senats des BVerwG mißachtet damit den mit dem Ausgleichsleistungsgesetz einzig verfolgten Wiedergutmachungszweck und führt im Ergebnis dazu, daß die vom Gesetz bezweckte Wiedergutmachung zugunsten des Staates ausbleibt. Dazu beruft er sich unberechtigt auf die verfassungsrechtliche Grundlage von Ausgleichsleistungsansprüchen, das Sozialstaatsprinzip, und behauptet eine tatsächlich nicht bestehende Anspruchskonkurrenz. Außerdem operiert er mit einem im vorliegenden Fall in sich widersprüchlichen Rechtssatz. Diese schweren Fehler machen die Begründung unvertretbar.

BVerwG, Urteil vom 24. September 2003 –8 C 27.02

Das Urteil vom 24. September 2003 betrifft einen auf § 1 Abs. 1 lit. a VermG gestützte Antrag auf Rückgabe eines im Rahmen der sog. Bodenreform geschädigten Rittergutes im Rahmen der sog. Bodenreform. Es bejaht diesen Anspruch grundsätzlich, weil es unterstellt, daß Zugriffe auf Vermögenswerte im Zuge der Bodenreform entschädigungslose Enteignungen i.S.v. von § 1 Abs. 1 lit. a VermG dargestellt hätten. Obgleich der Vermögensverlust noch vor Gründung der DDR, also unter sowjetischer Besatzungshoheit erfolgte, hat das Gericht im vorliegenden Fall keine Enteignung auf einer besatzungsrechtlichen oder besatzungshoheitlichen Grundlage angenommen, weil dazu ein konkretes Enteignungsverbot der Besatzungsmacht vorgelegen habe.

Wortlaut der Entscheidung

Verantwortliche Richter: 

Dr. Hellmuth Müller, Vorsitzender Richter am BVerwG
Dr. Martin Pagenkopf, Richter am BVerwG
Günter Krauß, Richter am BVerwG
Hartmut Golze, Richter am BVerwG
Dr. Sibylle von Heimburg, Richterin am BVerwG 

Anlaß und maßgeblicher Inhalt der Entscheidung: 

Das Urteil vom 24. September 2003 betrifft einen auf § 1 Abs. 1 lit. a VermG gestützte Antrag auf Rückgabe eines im Rahmen der sog. Bodenreform geschädigten Rittergutes im Rahmen der sog. Bodenreform. Es bejaht diesen Anspruch grundsätzlich, weil es unterstellt, daß Zugriffe auf Vermögenswerte im Zuge der Bodenreform entschädigungslose Enteignungen i.S.v. von § 1 Abs. 1 lit. a VermG dargestellt hätten. Obgleich der Vermögensverlust noch vor Gründung der DDR, also unter sowjetischer Besatzungshoheit erfolgte, hat das Gericht im vorliegenden Fall keine Enteignung auf einer besatzungsrechtlichen oder besatzungshoheitlichen Grundlage angenommen, weil dazu ein konkretes Enteignungsverbot der Besatzungsmacht vorgelegen habe.

Warum die Entscheidung unvertretbar ist: 

Das BVerwG hätte die auf § 1 Abs. 1 lit. a VermG gestützte Klage abweisen müssen, weil Vermögensschädigungen im Rahmen der Bodenreform stets gegen Personen oder Personengruppen gerichtet waren und daher Akte politischer Verfolgung dargestellt haben. Statt dessen bestehen auch wegen der vermögensrechtlichen Schädigungen Rehabilitierungsansprüche nach § 1 Abs. 1 S. 1 VwRehaG. Erst die Rehabilitierung des Betroffenen begründet Folgeansprüche und dabei auch vermögensrechtliche Ansprüche nach Maßgabe des Vermögensgesetzes (§ 7 Abs. 1 VwRehaG, § 1 Abs. 7 VermG). Für die Anwendbarkeit des Vermögensgesetzes ist es dann nach § 1 Abs. 8 lit. a, 2. Halbs. VermG unerheblich, ob der Vermögensverlust auf besatzungsbezogener Grundlage oder nach Gründung der DDR eingetreten ist. Auf die Frage eines im Einzelfall bestehenden Enteignungsverbots der sowjetischen Besatzungsmacht kommt es daher von vornherein nicht.

Daß § 1 Abs. 1 lit. a VermG vermögensschädigende Verfolgungsakte durch die Bodenreform nicht erfaßt, ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift. Es handelt sich hierbei um keine bloßen entschädigungslosen Enteignungen, sondern um verfolgungsbedingte Eingriffe in Vermögenswerte (§ 1 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 VwRehaG). Bei Enteignungen handelt es sich nur um rein objektbezogene Vermögensverluste, die die Persönlichkeitssphäre des Geschädigten nicht berühren. Wurde der Vermögenseingriff aber verübt, um eine bestimmte Person oder Personengruppe zu schädigen, liegt schon begrifflich keine bloße Enteignung vor.

Auch rechtssystematisch ist die Rechtslage eindeutig. Die unmittelbare Anwendbarkeit des Vermögensgesetzes ist in § 1 Abs. 1 – Abs. 5 VermG geregelt. Sämtliche dieser Tatbestände erfassen keine Vermögensverluste, die gegen Personen oder Personengruppen gerichtet waren. Sie stellen vielmehr ausnahmslos objektbezogene Vermögensschädigungen dar. Auf verfolgungsbedingte Vermögenszugriffe ist das Vermögensgesetz dagegen nur entsprechend anwendbar und zwar einerseits für verfolgungsbedingte Vermögenseingriffe unter NS-Herrschaft (§ 1 Abs. 6 VermG) und andererseits unter SED-Herrschaft (§ 1 Abs. 7 VermG, § 1 Abs. 1 und 2 VwRehaG, § 1 Abs. 1 StrRehaG). Dabei stellt § 1 Abs. 8 lit. a, 2. Halbs. VermG ausdrücklich klar, daß sich die Unanwendbarkeit des Vermögensgesetzes für Enteignungen auf besatzungsrechtlicher und besatzungshoheitlicher Grundlage nach § 1 Abw. 8 lit. a, 1. Halbs. VermG nicht für verfolgungsbedingte Vermögenszugriffe i.S.v. § 1 Abs. 6 und 7 VermG gilt. Aus dem Umkehrschluß daraus ergibt sich erneut zwingend, daß § 1 Abs. 1 lit. a VermG, dessen Geltung für besatzungsrechtliche und besatzungshoheitliche Enteignungen ausgeschlossen ist, lediglich objektbezogene entschädigungslose Enteignungen, nicht aber verfolgungsbedingte Vermögenseingriffe i.S.v. § 1 Abs. 6 und 7 VermG erfaßt.

Dabei ergibt sich keine Erweiterung des Anwendungsbereichs von § 1 Abs. 1 lit. a VermG aus dem Umstand, daß § 1 Abs. 7 VermG Ergebnis eines zweistufigen Verfahrens ist und erst eingreift, sobald eine Rehabilitierung vorliegt. Dies ergibt sich für strafrechtliche Verfolgungsakte bereits aus dem Umstand, daß jede wesentlich rechtsstaatswidrige strafrechtliche Vermögenseinziehung zu rehabilitieren ist, weil das Strafrechtliche Rehabilitierungsgesetz keine seinen Anwendungsbereich beschränkenden Regelungen enthält. Das Verwaltungsrechtliche Rehabilitierungsgesetz enthält zwar in § 1 Abs. 1 S. 2 und 3 VwRehaG Tatbestände, die den nach § 1 Abs. 1 S. 1 VwRehaG eröffneten Geltungsbereich beschränken. Sie dienen aber ganz überwiegend lediglich dem Zweck, Überschneidungen von Vermögensschädigungen, die bereits vom Vermögensgesetz oder seinen Nichtanwendungstatbeständen in § 1 Abs. 8 VermG erfaßt werden, mit solchen, für die der Anwendungsbereich des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes eröffnet ist, auszuschließen. Solche Überschneidungen hat der Gesetzgeber gegenüber vom Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz erfaßten Vermögenseinziehungen nicht gesehen. Dieses Gesetz erfaßt aber keine nur objektbezogenen Vermögensverluste, sondern gilt ausschließlich für verfolgungsbedingte Vermögenseinziehungen. Da auch das verwaltungsrechtliche Rehabilitierungsrecht nach der Denkschrift zum Einigungsvertrag (BT-Drucks. 11/7760, S. 355, 363) vergleichbar dem strafrechtlichen Rehabilitierungsrecht ausgestaltet werden sollte, spricht nichts dafür, daß verwaltungsrechtliche verfolgungsbedingte Vermögensverluste nicht ausschließlich dem Rehabilitierungsrecht, sondern dem Vermögensgesetz zugeordnet werden sollten. Der Regelungen in § 1 Abs. 1 S. 2 und 3 VwRehaG bedurfte es gleichwohl, weil das Verwaltungsrechtliche Rehabilitierungsgesetz, anders als das Strafrechtliche Rehabilitierungsgesetz auch willkürliche, also auch rein objektbezogene, die Persönlichkeitssphäre des Betroffenen nicht berührende Vermögenseingriffe erfaßt (§ 1 Abs. 2, 2. Alt. VwRehaG), die ihrerseits bereits in den Anwendungsbereich des Vermögensgesetzes fallen (vgl. insbesondere § 1 Abs. 3 VermG). Für diese Überschneidung mußte das Verwaltungsrechtliche Rehabilitierungsgesetz eine Abgrenzung zum Vermögensgesetz vornehmen, um doppelte Ansprüche zu vermeiden. Insofern gelten die Ausschlußtatbestände in § 1 Abs. 1 S. 2 und 3 VwRehaG nur für willkürliche, nicht aber auch für verfolgungsbedingte Vermögensschädigungen.

Diese Regelungen entsprechen auch dem unterschiedlichen Unrechtsgehalt von verfolgungsbedingten und rein objektbezogenen Vermögensverlusten. Das Rehabilitierungsrecht reagiert auf Eingriffe in die Persönlichkeitssphäre und beseitigt mit der Rehabilitierung den politischen Makel, der dem Betroffenen unter SED-Herrschaft zugefügt worden ist. Das Vermögensrecht bezieht sich dagegen nur auf objektbezogene Vermögenszugriffe, denen gegenüber kein politischer Makel des Betroffenen zu beseitigen ist, weil er mit dieser Form des Unrechts nicht verbunden war. Es beschränkt sich damit ausschließlich auf die Gewährung eines vermögensrechtlichen Ausgleichs in Form von Rückgabe, Entschädigung oder Erlösherausgabe. Durch die bloße Anwendung des Vermögensgesetzes auch auf verfolgungsbedingte Vermögenseingriffe im Zuge der Bodenreform unterbleibt per se die Beseitigung des politischen Makels. Dies aber ist mit dem Zweck des Rehabilitierungsrechts unvereinbar.

Wegen der Ausschlußtatbestände in § 1 Abs. 1 S. 2 und 3 VwRehaG führt eine gesetzwidrige Ausweitung des Geltungsbereichs der entschädigungslosen Enteignungen i.S.v. § 1 Abs. 1 lit. a VermG auch auf verfolgungsbedingte Vermögenszugriffe zudem dazu, daß die gesetzliche Anordnung der verwaltungsrechtlichen Rehabilitierung verfolgungsbedingter Vermögenseingriffe (§ 1 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, 1. Alt. VwRehaG) leer läuft. Das aber widerspricht dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers, der Eingriffe in Vermögenswerte in § 1 Abs. 1 S. 1 VwRehaG als eine zentrale Form der politischen Verfolgung angegeben hat, die zu rehabilitieren ist. Dazu führt denn auch vom 3. Senat des BVerwG begründete rehabilitierungsrechtliche Rechtsprechung, die eine Rehabilitierung nur für den in § 1 Abs. 3 VwRehaG geregelten Spezialfall der Vertreibungen im Rahmen der Aktionen „Ungeziefer“ und „Kornblume“, nicht aber für den in § 1 Abs. 1 S. 1 VwRehaG Normalfall der politischen Verfolgung zuläßt.

Diese Differenzierung führt zudem zu nicht nachvollziehbaren Ergebnissen, die allein von der willkürlichen Ausgestaltung des Verfolgungsgeschehens des SED-Regimes abhängt. Hat es das Verfolgungsgeschehen derart ausgestaltet, daß der Vermögenszugriff nur unbeabsichtigte Folge des Eingriffs in die Persönlichkeitssphäre war, soll nach der Rechtsprechung des BVerwG eine verwaltungsrechtliche Rehabilitierung möglich sein, nicht aber dann, wenn mit dem Persönlichkeitseingriff auch der Zugriff auf das Vermögen des Betroffenen bezweckt war. Beide Unrechtsformen unterschieden sich in ihrem Unrechtsgehalt aber keineswegs. Die Differenzierung des BVerwG ist damit ebenso willkürlich wie die entsprechende Unrechtsausgestaltung im SED-Regime.

Nichts anderes ergibt sich auch aus den Erläuterungen der Bundesregierung zum Entwurf des Vermögensgesetzes (BT-Drucks. 11/7831). Wenn dort ausgeführt wird, bei den von § 1 Abs. 8 lit. a VermG erfaßten Enteignungen auf besatzungsrechtlicher und besatzungshoheitlicher Grundlage handele es sich um entschädigungslose Enteignungen im Bereich der Industrie zugunsten der Länder der SBZ und im Bereich der Landwirtschaft im Rahmen der sog. demokratischen Bodenreform, die nicht mehr rückgängig gemacht werden sollen, dann beziehen sich auch diese Ausführungen ausschließlich auf Enteignungen, die es bei diesen Aktionen ebenfalls in erheblichem Umfang gegeben hat, nicht aber auf verfolgungsbedingte Vermögenseingriffe.

BVerwG, Beschluß vom 11. April 2002 –3 B 16.01

Der Beschluß ist in einem Verfahren über die Zulassung der Revision ergangen, dessen Ausgangsverfahren die Vermögensschädigung eines gräflichen Gutes mit einer Größe von über 100 ha im Rahmen der Bodenreform zum Gegenstand hatte. Der 3. Senat des BVerwG hat die Beschwerde für unbegründet erachtet, weil kein Zulassungsgrund i.S.v. § 132 Abs. 2 VwGO gegeben sei. Dazu legt er insbesondere dar, daß die in der Beschwerde vor allem aufgeworfene Frage, ob Bodenreformmaßnahmen verwaltungsrechtlich zu rehabilitieren seien, bereits hinreichend geklärt sei. Deshalb seien in der Revision keine Grundsatzfragen mehr klärungsbedürftig. Dies ist angesichts des kurz zuvor ergangenen Urteils des 3. Senats des BVerwG vom 21. Februar 2002 – 3 C 16.01 –, das allerdings zu einer auf den SMAD-Befehl Nr. 124 gestützten Enteignung ergangen war, wahrscheinlich vertretbar. Unvertretbar sind aber die weiteren – für das Ergebnis der Entscheidung über die Zulassungsbeschwerde allerdings nicht erheblichen – Ausführungen, mit denen der Senat begründet, weshalb für auf einer politischen Verfolgung beruhende Vermögensschädigungen eine verwaltungsrechtliche Rehabilitierung ausgeschlossen sei.

Wortlaut der Entscheidung

Verantwortliche Richter: 

Prof. Dr. Hans-Joachim Driehaus, Vorsitzender Richter am BVerwG
Dr. Hermann Borgs-Maciejewski, Richter am BVerwG
Peter Kimmel, Richter am BVerwG

Anlaß und maßgeblicher Inhalt der Entscheidung: 

Der Beschluß ist in einem Verfahren über die Zulassung der Revision ergangen, dessen Ausgangsverfahren die Vermögensschädigung eines gräflichen Gutes mit einer Größe von über 100 ha im Rahmen der Bodenreform zum Gegenstand hatte. Der 3. Senat des BVerwG hat die Beschwerde für unbegründet erachtet, weil kein Zulassungsgrund i.S.v. § 132 Abs. 2 VwGO gegeben sei. Dazu legt er insbesondere dar, daß die in der Beschwerde vor allem aufgeworfene Frage, ob Bodenreformmaßnahmen verwaltungsrechtlich zu rehabilitieren seien, bereits hinreichend geklärt sei. Deshalb seien in der Revision keine Grundsatzfragen mehr klärungsbedürftig. Dies ist angesichts des kurz zuvor ergangenen Urteils des 3. Senats des BVerwG vom 21. Februar 2002 – 3 C 16.01 –, das allerdings zu einer auf den SMAD-Befehl Nr. 124 gestützten Enteignung ergangen war, wahrscheinlich vertretbar. Unvertretbar sind aber die weiteren – für das Ergebnis der Entscheidung über die Zulassungsbeschwerde allerdings nicht erheblichen – Ausführungen, mit denen der Senat begründet, weshalb für auf einer politischen Verfolgung beruhende Vermögensschädigungen eine verwaltungsrechtliche Rehabilitierung ausgeschlossen sei.

Zur Begründung seiner Ansicht, eine verwaltungsrechtliche Rehabilitierung sei für vermögensschädigende Maßnahmen der politischen Verfolgung ausgeschlossen, beruft sich der Senat zunächst auf sein zu § 1 Abs. 1 S. 2 VwRehaG ergangenes Urteil vom 23. August 2001 – 3 C 39.00 –. Danach werde ein zielgerichteter Zugriff auf Vermögenswerte, der nicht lediglich eine Nebenfolge einer als grob rechtsstaatswidriger Eingriff in die Persönlichkeitssphäre zu beurteilende hoheitliche Maßnahme der DDR war, vom Vermögensgesetz erfaßt und demzufolge nach § 1 Abs. 1 S. 2 VwRehaG aus dem Geltungsbereich des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes ausgeschlossen. Bereits diese im Urteil vom 23. August 2001 vorgenommene Abgrenzung zwischen Recht der offenen Vermögensfragen und verwaltungsrechtlichem Rehabilitierungsrecht ist allerdings mit geltendem Recht unvereinbar (siehe dazu die Besprechung des Urteils des BVerwG vom 23. August 2001 – 3 C 39.00 –). Schon weil die Bestimmung der Reichweite des auf die Fallgruppen des § 1 Abs. 8 VermG verweisenden Ausschlußtatbestandes diese Abgrenzung vollkommen übernimmt, ist auch seine Auslegung durch den Senat erkennbar rechtswidrig.

Auch die weiteren Ausführungen des 3. Senats zum Regelungsgehalt von § 1 Abs. 1 S. 3 VwRehaG stehen in offenkundigem Widerspruch zu gesetzlichen Vorschriften. Dies gilt zunächst für die Aussage, die Vorschrift bringe zum Ausdruck, daß Enteignungen auf besatzungsrechtlicher und besatzungshoheitlicher Grundlage „unter keinen Umständen rückgängig zu machen sind, gleichgültig, welchem der hier in Rede stehenden Gesetze sie ohne diese Ausschlussklausel unterfallen würde.“ Diese Aussage ist unvereinbar mit der Regelung des § 5 Abs. 1 AusglLeistG. Danach gilt für bewegliche Vermögenswerte, die auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage ergangen sind, der Rückgabegrundsatz. Unvereinbar ist die Aussage auch mit den Regelungen des § 6 Abs. 5 AusglLeistG. Danach haben Opfer der Bodenreform die Möglichkeit, bestimmte Flächen zurück zu erwerben, was Flächen, die 1945 geschädigt worden sind, einschließt. Im übrigen verweist § 1 Abs. 1 S. 3 VwRehaG nicht nur auf die Fallgruppe der in § 1 Abs. 8 Buchst. a, 1. Halbs. VermG in Bezug genommenen Enteignungen auf besatzungsrechtlicher und besatzungshoheitlicher Grundlage. Vielmehr gilt die Ausschlußregelung auch für die von § 1 Abs. 8 Buchst. d VermG erfaßten Gebietskörperschaften. Deshalb müßte auch für sie die Aussage des 3. Senats zutreffend sein. Tatsächlich stehen ihnen aber nach Maßgabe von § 11 Abs. 1 VZOG Rückübertragungsansprüche zu. Der Sache nach steht damit die Angabe des Senats, mit § 1 Abs. 8 VermG solle sichergestellt werden, daß die dort genannten Vermögensschädigungen nicht mehr rückgängig gemacht werden sollen, womit gemeint ist, daß sie keine Rückgabeansprüche mehr auslösen dürfen. Diese Aussage steht gleich in evidentem Widerspruch zu mehreren gesetzlichen Regelungen, die eine Rückgabe von in § 1 Abs. 8 VerrmG erfaßten Vermögenswerten vorsehen.

Soweit sich der Senat dann auf die Gesetzesmaterialien zum Entwurf von § 1 Abs. 1 S. 3 VwRehaG (Begründung der Bundesregierung zum Entwurf des Zweiten SED-Unrechtsbereinigungsgesetzes, BT-Drucks. 12/4994, S. 23) bezieht, stellt seine Argumentation einen logischen Trugschluß, also einen Denkfehler, dar. In der Begründung heißt es zwar, daß mit den Ausschlußklauseln des § 1 Abs. 8 Buchst., 1. Halbs. VermG, § 1 Abs. 1 S. 3 VwRehaG „im wesentlichen zwei große Enteignungsaktionen aus dem Anwendungsbereich des Vermögensgesetzes und der verwaltungsrechtlichen Rehabilitierung ausgeschlossen werden: Die entschädigungslosen Enteignungen im Bereich der Industrie zugunsten der Länder der ehemaligen SBZ bzw. im Rahmen der sogenannten ,demokratischen Bodenreform‘.“ Beide Aktionen haben aber nicht nur aus Enteignungen, sondern auch aus straf- und verwaltungsrechtlichen Verfolgungsmaßnahmen bestanden, mit denen Vermögenswerte eingezogen wurden. Daß diese nicht vom Begriff der „Enteignung“ umfaßt sind, ergibt sich bereits aus Nr. 9 der Gemeinsamen Erklärung vom 15. Juni 1990 (GE) und Art. 17 des Einigungsvertrages (EV), wonach sich die DDR ohne Einschränkungen zur strafrechtlichen Rehabilitierung von strafrechtlichen Vermögenseinziehungen verpflichtet hat. Dementsprechend sieht § 1 Abs. 1 und 5 StrRehaG auch die strafrechtliche Rehabilitierung von wesentlich rechtsstaatswidrigen strafrechtlichen Vermögenseinziehungen vor, die sich im Zeitraum vom 8. Mai 1945 bis zum 2. Oktober 1990 ereignet haben. Damit können strafrechtliche Vermögenseinziehungen nicht zugleich Enteignungen sein. Entsprechendes ergibt sich für verfolgungsbedingte verwaltungsrechtliche Vermögensentziehungen, weil sie nach dem Inhalt der Denkschrift zu Art. 17 EV (BT-Drucks. 11/7760, S. 363) ebenso wie strafrechtliche Verfolgungsakte rehabilitiert werden sollen. Deshalb gilt auch das Verwaltungsrechtliche Rehabilitierungsgesetz für im Zeitraum vom 8. Mai 1945 bis zum 2. Oktober 1990 verübte, wesentlich rechtsstaatswidrige verwaltungsrechtliche Verfolgungsfälle. Dennoch unterstellt der 3. Senat des BVerwG bei seiner Argumentation, daß auch verfolgungsbedingte Vermögensschädigungen vom Begriff der Enteignung umfaßt werden sollten. Deshalb gründet diese Argumentation auf der unrichtigen Annahme, als Enteignungen seien auch auf einer politischen Verfolgung beruhende Vermögensverluste zu verstehen. Damit ist auch die gezogene Schlußfolgerung, die Begründung der Bundesregierung zum Zweiten Unrechtsbereinigungsgesetz bestätige den Ausschluß auch von verfolgungsbedingten Vermögensentziehungen, unrichtig. Soweit der Senat darlegt, die Klarstellung in § 1 Abs. 8 Buchst. a, 2. Halbs. VermG, wonach die Ausschlußregelung des § 1 Abs. 8 Buchst. a, 1. Halbs. VermG in den von § 1 Abs. 7 VwRehaG erfaßten Fällen unberührt bleibt, setze zunächst die Aufhebung der vermögensschädigenden Verfolgungsmaßnahme voraus, ist dies zwar richtig. Wenn er dann aber darlegt, eine solche Aufhebung scheitere an der Ausschlußregelung des § 1 Abs. 1 S. 3 VwRehaG, ist diese Aussage jedenfalls deshalb nicht vertretbar, weil die Unberührtheitsklausel des § 1 Abs. 8 Buchst. a, 2. Halbs. VermG dann vollständig leerläuft, soweit sie auch Fälle des § 1 Abs. 7 VermG erfaßt. In der SBZ haben verfolgungsbedingte Vermögensschädigungen nämlich ausnahmslos den Vermögensverlust bezweckt. § 1 Abs. 1 S. 3 VwRehaG schließt dann stets die verwaltungsrechtliche Rehabilitierung aus, wenn auch solche Vermögenszugriffe unter das Vermögensgesetz fallen, wie der 3. Senat des BVerwG meint. Entsprechendes gilt für die Unberührtheitsklauseln in § 1 Abs. 1 S. 2 und Abs. 1a S. 2 AusglLeistG. Auch wegen dieses Leerlaufs ist es unvertretbar, Vermögensverluste, die infolge einer politischen Verfolgung eingetreten, als vom Vermögensgesetz erfaßte Enteignu

BVerwG, Urteil vom 23. Oktober 2001 –3 C 39.00

Das Urteil betrifft den verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsantrag zu einer auf das Baulandgesetz der DDR gestützten, 1987 erfolgten Enteignung eines Grundstücks, das vormals im Eigentum einer offenen Handelsgesellschaft (OHG) stand. Das VG Berlin hatte die Klage abgewiesen, weil die Enteignung weder eine politische Verfolgung noch einen Willkürakt im Einzelfall dargestellt habe und daher die gesetzlichen Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 S. 1 VwRehaG nicht erfüllt habe.

Wortlaut der Entscheidung

Verantwortliche Richter: 

Prof. Dr. Hans-Joachim Driehaus, Vorsitzender Richter am BVerwG
Dr. Hermann Borgs-Maciejewski, Richter am BVerwG
Peter Kimmel,  Richter am BVerwG
Dr. Bernd Brunn, Richter am BVerwG
Hans Jürgen van Schewick, Richter am BVerwG

Anlaß und maßgeblicher Inhalt der Entscheidung: 

Das Urteil betrifft den verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsantrag zu einer auf das Baulandgesetz der DDR gestützten, 1987 erfolgten Enteignung eines Grundstücks, das vormals im Eigentum einer offenen Handelsgesellschaft (OHG) stand. Das VG Berlin hatte die Klage abgewiesen, weil die Enteignung weder eine politische Verfolgung noch einen Willkürakt im Einzelfall dargestellt habe und daher die gesetzlichen Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 S. 1 VwRehaG nicht erfüllt habe.

Das BVerwG geht dagegen zunächst nicht auf die Frage ein, ob die Enteignung eine von § 1 Abs. 1 S. 1 VwRehaG erfaßte Verfolgungs- oder Willkürmaßnahme dargestellt hat. Vielmehr stützt es die Zurückweisung der Revision darauf, daß das Verwaltungsrechtliche Rehabilitierungsgesetz nach § 1 Abs. 1 S. 2 VwRehaG nicht auf Maßnahmen anwendbar sei, die in den Anwendungsbereich des Vermögensgesetzes fallen.

Dazu hat der 3. Senat dargelegt, nach der Rechtsprechung des BVerwG (BVerwGE 99, 82, 85) setzten Ansprüche nach dem Vermögensgesetz Maßnahmen voraus, die zielgerichtet den Verlust des zurückgeforderten Vermögenswertes bezweckt haben. Demgegenüber zielten die in § 1 VwRehaG vorausgesetzten Unrechtsmaßnahmen auf andere Zwecke ab und seien durch grob rechtsstaatswidrige Eingriffe in die Persönlichkeitssphäre des Geschädigten gekennzeichnet (BVerwGE 102, 89, 93). Solche Eingriffe führten zwar nicht selten auch zu Vermögensentziehungen. Sie stellten aber gleichsam nur die Nebenfolge des primär bezweckten Zugriffs auf die Persönlichkeitssphäre des Betroffenen dar (BVerwGE 106, 210).

Demgemäß habe die Rechtsprechung des BVerwG Ansprüche nach dem Vermögensgesetz verneint, wenn sich die inkriminierte Maßnahme nicht als zielgerichteter Zugriff auf den Vermögenswert, sondern als primär personenbezogener Unrechtsakt erwiesen habe (BVerwGE 102, 89, 90). Entsprechendes müsse aber auch für den umgekehrten Fall gelten: Maßnahmen, deren vorrangiger Zweck das Ansichbringen eines Vermögenswertes gewesen sei, unterfielen allein dem Vermögensgesetz und schlössen die Anwendung des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes aus. Dies gelte selbst dann, wenn der auf das Vermögensgesetz gestützte Anspruch aus anderen Gründen nicht zum Erfolg führe, etwa wegen Verneinung unlauterer Machenschaften i.S.v. § 1 Abs. 3 VermG.

Da es bei der Enteignung auch an einem finalen Element fehle, eine Benachteiligung des Betroffenen herbeizuführen, sei auch das Merkmal „Willkürakte im Einzelfall“ i.S.v. § 1 Abs. 2 VwRehaG nicht erfüllt, das die Tendenz und Absicht voraussetze, den Adressaten bewusst zu benachteiligen.

Warum die Entscheidung unvertretbar ist: 

Das Urteil ist bereits mit Ausführungen begründet, die sich anläßlich dieses Falles gar nicht gestellt haben. Der Senat geht davon aus, daß die Enteignung nicht darauf gerichtet war, den Adressaten zu benachteiligen. Damit ist der Kläger durch sie weder politisch verfolgt noch durch einen Willkürakt i.S.v. § 1 Abs. 2 VwRehaG im Einzelfall geschädigt worden. Deshalb ist schon der in § 1 Abs. 1 S. 1 VwRehaG geregelte Anwendungsbereich des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes nicht betroffen. Die durch das Gericht entschiedene Frage, ob dieser nach § 1 Abs. 1 S. 2 VwRehaG wegen eines Vorrangs des Vermögensgesetzes ausgeschlossen ist, hat sich daher von vornherein gar nicht mehr gestellt.

Wesentlich gravierender jedoch ist die Fehlleistung, daß der Senat der Bestimmung des § 1 Abs. 1 S. 2 VwRehaG einen Inhalt zuschreibt, der ihm nach den gesetzlichen Regelungen offenkundig nicht zukommt. Der Senat stellt dazu die Behauptung auf, das Vermögensgesetz sei stets anzuwenden, wenn die Machthaber in er DDR den Zugriff auf Vermögenswerte bezweckt hätten. Nur dann, wenn ein solcher Zweck nicht feststellbar sei und ein nur die Persönlichkeitssphäre benachteiligender Unrechtsakt allein die an sich nicht intendierte Nebenfolge einer Vermögensschädigung herbeigeführt habe, soll das Verwaltungsrechtliche Rehabilitierungsgesetz eingreifen. Dies soll selbst dann gelten, wenn ein bezweckter Vermögenszugriff weitere gesetzliche Voraussetzungen nicht erfüllt.

Es mag zwar durchaus zutreffend sein, daß die Anwendung des Vermögensgesetzes eine Vermögensschädigung voraussetzt, mit der die Machthaber in der DDR den Zugriff auf Vermögenswerte bezweckt haben. Ob daraus aber auch, wie der Senat meint, folgt, daß das Vermögensgesetz immer anwendbar ist, wenn in SBZ und DDR mit der vermögensrechtlichen Schädigungsmaßnahme ein solcher Zweck verfolgt ist, kann jedoch nicht einfach behauptet werden. Vielmehr sind dazu die gesetzlichen Vorgaben für die Bestimmung des Geltungsbereichs des Vermögensgesetzes heranzuziehen und anzuwenden. Dies aber hat er Senat vollständig unterlassen. Statt dessen behauptet er den vollständigen Ausschluß des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes für sämtliche Fälle, in denen das SED-Regime den Zugriff auf Vermögenswerte bezweckt hat und zwar selbst dann, wenn das Vermögensgesetz auf den Fall gar nicht anwendbar ist, weil andere Tatbestandselemente in § 1 Abs. 1 bis 5 VermG nicht vorliegen. Dabei beruht die vom 3. Senat des BVerwG angenommene Abgrenzung von Vermögensgesetz und Verwaltungsrechtlichem Rehabilitierungsgesetz ausschließlich auf der Grundlage von Einzelfallentscheidungen des BVerwG, nicht aber auf der Auslegung der maßgeblichen gesetzlichen Vorgaben. Sie setzt deren Aussage, das Vermögensgesetz verlange, daß der Vermögenszugriff seinerzeit bezweckt war, in der Weise absolut, dieser Zweck bedinge stets die Anwendung des Vermögensgesetzes. Außerdem schließe er die Anwendung des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes selbst dann aus, wenn das Vermögensgesetz trotz des bezweckten Vermögenszugriffs nicht anwendbar ist, weil andere Tatbestandselemente von § 1 Abs. 1 bis 5 VermG nicht erfüllt sind.

Diese Argumentation ist schon deshalb unvertretbar, weil sich aus den in Bezug genommenen Entscheidungen des BVerwG nur ergibt, daß die Anwendbarkeit des Vermögensgesetzes in den entschiedenen Fällen jeweils einen bezweckten Vermögenszugriff voraussetzten, nicht aber, daß ein solcher Zweck allein die Anwendbarkeit des Vermögensgesetzes und die Anwendbarkeit des Verwaltungsrechtlichen Vermögenszugriffs per se ausschließe. Dies gilt erst recht für die Annahme, der Zweck des Zugriffs auf Vermögenswerte schließe selbst dann die Anwendbarkeit des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes aus, wenn das Vermögensgesetz trotz der bezweckten Vermögensschädigung nicht anwendbar ist. Zu dieser Konstellation haben sich die zitierten Entscheidungen des BVerwG nicht geäußert. Insofern beruht die Argumentation des 3. Senats auf einem Trugschluß und stellt schon deshalb einen Verstoß gegen die Denkgesetze dar.

Noch schwerer wiegt, daß der Senat die maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften nicht berücksichtigt und in offenem Widerspruch dazu entschieden hat. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut von § 1 Abs. 1 Buchst. a VermG und § 1 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 VwRehaG. Danach gilt das Vermögensgesetz nur für Enteignungen, das Verwaltungsrechtliche Rehabilitierungsgesetz dagegen für Zugriffe auf Vermögenswerte, die „der politischen Verfolgung gedient oder Willkürakte im Einzelfall dargestellt haben“. Dabei meint der Begriff der Enteignung schon nach seinem Wortsinn nur den bloßen Entzug des Eigentums durch den Staat, erfaßt aber nicht auch die Vermögensschädigung, die auf einer politischen Verfolgung beruht. Sie wird nicht als Enteignung, sondern als Vermögensentziehung oder strafrechtliche Vermögenseinziehung bezeichnet. Schon der Wortlaut der genannten Bestimmungen spricht deshalb dafür, das Vermögensgesetz nur den Vermögensentzug, der nicht verfolgungsbedingt erfolgt ist, regelt, während das Verwaltungsrechtliche Rehabilitierungsgesetz Vermögenszugriffe erfaßt, die Folge einer politischen Verfolgung waren. Für die Annahme des 3. Senats des BVerwG, das Vermögensgesetz gelte auch für verfolgungsbedingte Vermögenszugriffe, wenn die DDR damit zugleich auf das Vermögen abgezielt habe, während das Verwaltungsgerichtliche Rehabilitierungsgesetz nur dann anwendbar sein soll, wenn der Vermögensverlust lediglich die (unbeabsichtigte) Folge einer gegen die Persönlichkeitssphäre gerichteten Verfolgungsmaßnahme war, geben die Gesetzestexte von § 1 Abs. 1 Buchst. a VermG und § 1 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 VwRehaG nichts her.

Hinzu kommt, daß § 1 Abs. 1 und 5 StrRehaG auch die Rehabilitierung von strafrechtlichen Vermögenseinziehungen und Geldstrafen vorsieht. Mit der Verhängung dieser Strafen zielte die DDR immer auch auf den Vermögensverlust des strafrechtlich politisch Verfolgten ab. Häufig sind Wirtschaftsstraf- und strafrechtliche Entnazifizierungsverfahren sogar ausschließlich deshalb durchgeführt worden, um sich des Vermögens des verfolgten Unternehmensinhabers zu bemächtigen. Dennoch enthält das Strafrechtliche Rehabilitierungsgesetz keinen Anwendungsausschluß für vermögensschädigende Strafverfolgungsmaßnahmen. Wenn aber auf vermögensschädigende Verfolgungsakte auch das Vermögensgesetz anwendbar sein sollte, könnte ein Betroffener für vermögensschädigende Verfolgungsakte sowohl Rehabilitierungsansprüche als auch vermögensrechtliche Ansprüche geltend machen. Insofern wäre er etwa in der Lage, nach der strafrechtlichen Rehabilitierung als Folgeanspruch die Rückgabe des Vermögenswertes und im parallel verlaufenden vermögensrechtlichen Verfahren zusätzlich eine Entschädigung für den Vermögensverlust zu verlangen. Dies ist schon mit dem im Wiedergutmachungsrecht verfolgten Grundsatz der unzulässigen doppelten Wiedergutmachung nicht vereinbar.

Unvertretbar ist die Entscheidung des 3. Senats des BVerwG schließlich deshalb, weil der Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 S. 3 VwRehaG leer läuft, wenn der Geltungsbereich des Vermögensgesetzes grundsätzlich auch auf verfolgungsbedingte Vermögensverluste ausgedehnt wird. Die DDR hat den Vermögenszugriff nämlich stets auch dann bezweckt, wenn sie eine Person politisch verfolgt hat. Insofern stellte der Zugriff auf die Persönlichkeitssphäre auch einen politischen Mißbrauch dar, um Vermögenswerte in Volkseigentum zu überführen. Die einzige Ausnahme bilden Vermögensverluste, die als Folge der Zwangsaussiedlung an der innerdeutschen Demarkationslinie vorgenommen worden sind. Diese Fälle aber sind speziell in § 1 Abs. 3 VwRehaG geregelt.

Die rechtlich nicht vertretbare Abgrenzung von Vermögensgesetz und Verwaltungsrechtlichem Rehabilitierungsgesetz, die das BVerwG in dieser Entscheidung eigentlich gar nicht hätte vornehmen müssen, weil die Enteignung auf der Grundlage des Baulandgesetzes weder eine politische Verfolgungsmaßnahme noch einen Willkürakt im Einzelfall darstellte, ist aber offenbar hier deshalb schon erfolgt, um sie bei späteren Entscheidungen zur Boden- und Industriereform darauf zurückgreifen und als bereits entschieden hinstellen zu können.

BVerwG, Urteil vom 29. April 1994 –7 C 59.93

Das Urteil betrifft die Revision eines auf das Vermögensgesetz gestützten Antrags, mit dem die Rückgabe eines auf die Berliner Liste 1 gesetzten und 1949 enteigneten Unternehmens begehrt wurde. Mit der Revision war geltend gemacht worden, die Ausschlußregelung des § 1 Abs. 8 lit. a, 1. Halbs. VermG sei verfassungswidrig, weil nach dem Bodenreformurteil des BVerfG vom 23. April 1991 neue Tatsachen bekannt geworden seien, wonach es keine Vorbedingungen der UdSSR und der DDR dafür gegeben habe, Enteignungen auf besatzungsrechtlicher und besatzungshoheitlicher Grundlage nicht mehr rückgängig zu machen. Die Begründung des BVerfG im Bodenreformurteil, mit der insbesondere die dem Ausschlußtatbestand des § 1 Abs. 8 lit. a, 1. Halbs. VermG zugrunde liegende deutsch-deutsche Vereinbarung in Nr. 1 Satz 1 der Gemeinsamen Erklärung vom 15. Juni 1990 (GE) verfassungsrechtlich gerechtfertigt worden sei, sei damit nicht mehr tragfähig.

Wortlaut der Entscheidung

Verantwortliche Richter: 

Dr. Stefan Paetow, Richter am BVerwG
Dr. Franz Bardenhewer, Richter am BVerwG
Dr. Michael Bertrams, Richter am BVerwG
Dieter Kley, Richter am BVerwG
Georg Herbert, Richter am BVerwG 

Anlaß und maßgeblicher Inhalt der Entscheidung: 

Das Urteil betrifft die Revision eines auf das Vermögensgesetz gestützten Antrags, mit dem die Rückgabe eines auf die Berliner Liste 1 gesetzten und 1949 enteigneten Unternehmens begehrt wurde. Mit der Revision war geltend gemacht worden, die Ausschlußregelung des § 1 Abs. 8 lit. a, 1. Halbs. VermG sei verfassungswidrig, weil nach dem Bodenreformurteil des BVerfG vom 23. April 1991 neue Tatsachen bekannt geworden seien, wonach es keine Vorbedingungen der UdSSR und der DDR dafür gegeben habe, Enteignungen auf besatzungsrechtlicher und besatzungshoheitlicher Grundlage nicht mehr rückgängig zu machen. Die Begründung des BVerfG im Bodenreformurteil, mit der insbesondere die dem Ausschlußtatbestand des § 1 Abs. 8 lit. a, 1. Halbs. VermG zugrunde liegende deutsch-deutsche Vereinbarung in Nr. 1 Satz 1 der Gemeinsamen Erklärung vom 15. Juni 1990 (GE) verfassungsrechtlich gerechtfertigt worden sei, sei damit nicht mehr tragfähig.

Das Urteil vom 29. April 1994 hat die Revision abgewiesen. Dazu führt es aus, der mit der Klage geltend gemachte Rückgabeanspruch bestehe nicht, weil § 1 Abs. 8 lit. a, 1. Halbs. VermG die Restitution von auf besatzungsrechtlicher und besatzungshoheitlicher Grundlage enteigneten Vermögenswerten ausschließe. Diese Regelung sei vom BVerfG auch für verfassungswidrig erklärt worden, weil die UdSSR mit ihren Forderungen nach der Anerkennung der Rechtmäßigkeit und Legitimität sowie der Unumkehrbarkeit und Unantastbarkeit der unter ihrer Besatzungshoheit vorgenommenen Maßnahmen habe verhindern wollen, daß ihr deshalb im nachhinein ein Vorwurf gemacht werde. Schließlich hat das Gericht auch angenommen, daß es sich bei den auf die Liste 1 gesetzten Unternehmen auch um von § 1 Abs. 8 lit. a, 1. Halbs. VermG erfaßte auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage enteignete Vermögenswerte handelte.

Warum die Entscheidung unvertretbar ist: 

Das Urteil bildet mit dem am selben Tag ebenfalls zu einem Fall zur Berliner Liste 1 ergangenen Urteil 7 C 47.93 die Grundlage dafür, daß die auf einer politischen Verfolgung beruhenden Vermögenszugriffe im Rahmen der in der SBZ und Ostberlin vorgenommenen Boden- und Industriereform juristisch nicht aufgearbeitet sind. Dabei ist Urteil im Ergebnis zwar zutreffend entschieden. Die dafür gegebenen Begründungsansätze jedoch sind insgesamt unvertretbar.

Im Ergebnis ist die Entscheidung zutreffend, weil es sich bei den Maßnahmen der Berliner Liste 1 um straf- oder verwaltungsrechtliche Akte der politischen Verfolgung handelt, die ihrerseits, auch soweit sie eine Vermögensschädigung zum Gegenstand hatten, von vornherein nicht in den Anwendungsbereich des Vermögensgesetzes fallen, weil sie keine entschädigungslosen Enteignungen i.S.v. § 1 Abs. 1 lit. a, Abs. 8 lit. a, 1. Halbs., sondern strafrechtliche Vermögenseinziehungen (§ 1 Abs. 1 und 5 StrRehaG, Nr. 9 GE, Art. 17 Einigungsvertrag – EV –) oder verwaltungsrechtliche, verfolgungsbedingte Zugriffe auf Vermögenswerte (§ 1 Abs. 1 Satz 1 VwRehaG) darstellen. Die Betroffenen hätten also einen Rehabilitierungsantrag stellen müssen. Der auf das Vermögensgesetz gestützte Rückgabeantrag war dagegen unbegründet, weil dieses Gesetz per se keine strafrechtlichen Vermögenseinziehungen und keine verwaltungsrechtlichen, auf einer politischen Verfolgung beruhenden Zugriffe auf Vermögenswerte erfaßt. Mit dieser Begründung hätte das BVerwG die Revision abweisen müssen.

Die davon wesentlich abweichende Begründung ist dagegen mit geltendem Recht unvertretbar, wobei die Unvertretbarkeit im April 1994 noch nicht ganz so offensichtlich zutage trat wie bereits wenig später. Zu diesem Zeitpunkt waren nämlich weder das Verwaltungsrechtliche Rehabilitierungsgesetz vom 23. Juni 1994 noch das Ausgleichsleistungsgesetz vom 27. September 1994 (AusglLeistG) erlassen worden, deren Regelungen die Unhaltbarkeit der Begründungsansätze in den Urteilen vom 29. April 1994 noch offenkundiger gemacht haben. Lediglich das Vermögenszuordnungsgesetz vom 22. März 1991 (VZOG) war schon erlassen.

Bereits im April 1994 war es freilich offenkundig unvertretbar, den Regelungsgehalt des § 1 Abs. 8 lit. a, 1. Halbs. VermG als „Restitutionsausschluß“ zu bezeichnen. Das Urteil vom 29. April 1994 beschreibt den Inhalt der Norm denn auch zunächst zutreffend. Dazu heißt es richtig: „Nach § 1 Abs. 8 lit. a VermG gilt das Vermögensgesetz nicht für Enteignungen von Vermögenswerten auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage. In diesen Fällen ist demnach ein Anspruch des Geschädigten auf Rückübertragung des enteigneten Vermögenswerts nach § 3 Abs. 1 i.V.m. §§ 1 und 2 Abs. 1 VermG ausgeschlossen.“ Damit ist korrekt dargelegt, daß das Vermögensgesetz auch in den Fällen des § 1 Abs. 8 lit. a VermG nicht anwendbar ist und sich deshalb auch kein Rückgabeanspruch aus § 3 Abs. 1 VermG ergeben kann. Damit ist aber keine Aussage darüber getroffen, ob sich ein Rückgabeanspruch nicht aus einem anderen Gesetz ergeben kann.

Nur wenig später spricht das Urteil dann aber nur noch von dem Restitutionsausschluß des § 1 Abs. 8 lit. a VermG. Damit unterschiebt es der Norm einen ganz anderen Regelungsgehalt, nämlich den, damit werde die Rückgabe von auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage ausgeschlossen. Das aber bedeutet: Die Norm schließt nicht nur die Anwendbarkeit des Vermögensgesetzes aus, sondern auch, daß eine Rückgaberegelung gesetzlich ausgeschlossen ist, also auch nicht mehr in einem anderen Gesetz vorgesehen werden kann, ohne daß ein Widerspruch zum in § 1 Abs. 8 lit. a VermG enthaltenen Restitutionsausschluß besteht.

Dieser ganz andere Inhalt steht in offenkundigen Widerspruch zu auch bereits im April 1994 erlassenen gesetzlichen Regelungen. Er widerspricht evident dem Umstand, daß § 1 VermG ausschließlich den positiven und den negativen Geltungsbereich des Vermögensgesetzes, nicht aber bereits einzelne Ansprüche oder deren Ausschluß regelt. Im übrigen schließt § 1 Abs. 8 VermG den Anwendungsbereich des Vermögensgesetzes nicht nur für Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage aus, sondern nach § 1 Abs. 8 lit. d VermG etwa auch für Enteignungen von Gebietskörperschaften im Beitrittsgebiet, soweit sie vom Kommunalvermögensgesetz erfaßt sind. Für diese Enteignungen sah § 11 Abs. 1 Satz 1 VZOG aber bereits im April 1994 Rückübertragungsansprüche ausdrücklich vor. Damit stand es bereits im Zeitpunkt des Erlasses des Urteils vom 29. April 1994 in offenem Widerspruch, wenn dort angenommen wurde, § 1 Abs. 8 VermG habe Restitutionsausschlußregelungen enthalten. Seit Erlaß des Ausgleichsleistungsgesetzes steht die Annahme, § 1 Abs. 8si lit. a VermG enthalte einen Restitutionsausschluß, außerdem in offenem Widerspruch zur Begründung des Rückgabegrundsatzes für bewegliche, auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage enteignete Vermögenswerte in § 5 Abs. 1 AusglLeistG.

Unvertretbar ist darüber hinaus die Behauptung des 7. Senats des BVerwG, das Bodenreformurteil des BVerfG habe die auf besatzungsrechtliche und besatzungshoheitliche Enteignungen bezogenen Regelungen mit der Annahme gerechtfertigt, damit sei dem Umstand Rechnung getragen worden, daß die UdSSR im Rahmen der deutschen Wiedervereinigung verlangt habe, daß ihr das besiegte Deutschland wegen der unter ihrer Besatzungshoheit verübten Maßnahmen keinen Unrechtsvorwurf machen dürfe. Ein solcher Vorwurf sei aber mit der Rückgabe verbunden, weil sie wegen der unter Besatzungshoheit vorgenommenen Unrechtsakte erfolge.

Wäre diese Behauptung zutreffend, müßte jede Form der Wiedergutmachung für unter Besatzungshoheit verübten Unrechts ausgeschlossen sein, weil sie unabhängig davon, ob sie in Form der Rückgabe, des Rückerwerbs, der Rehabilitierung, der Entschädigung oder der Erlösherausgabe erfolgt ist, ausschließlich wegen verübten Staatsunrechts gewährt wird. Deshalb steht die Aussage bereits in offenkundigem Widerspruch zur deutsch-deutschen Vereinbarung in Nr. 1 Satz 4 GE, mit der sich die Bundesrepublik Deutschland das Recht vorbehalten, Ausgleichsleistungen für besatzungsbezogene Enteignungen zu gewähren. Ein offener Widerspruch besteht auch zu Nr. 9 GE, soweit davon auch strafrechtliche Vermögenseinziehungen unter Besatzungshoheit erfaßt werden. Gegen diese deutsch-deutschen Vereinbarungen in der Gemeinsamen Erklärung, die der sowjetischen Seite anläßlich der Zwei-plus-Vier-Verhandlungen durch Schreiben der beiden deutschen Außenminister vom 12. September 1990 übergeben wurde, hat sie keine Einwendungen erhoben. Wenn sie aber, wie das BVerwG dies behauptet, einen deutschen Unrechtsvorwurf wegen der von der UdSSR unter ihrer Besatzungshoheit hätte vermeiden wollen, hätte sie dem Vorbehalt von Ausgleichsleistungen und der Vereinbarung der Rehabilitierung von strafrechtlichen Vermögenseinziehungen widersprochen. Das ist nicht erfolgt.

Das Verständnis des Bodenreformurteils des BVerfG durch das BVerwG, wonach die dort erwähnten Forderungen der UdSSR nach Anerkennung der Rechtmäßigkeit und Legitimität ihrer Maßnahmen einen Unrechtsvorwurf gegenüber der sowjetischen Seite verhindern sollte, steht zudem im offenen Widerspruch zu Inhalten dieses Urteils. Das Bodenreformurteil bestätigt nämlich nicht nur, daß es der Bundesrepublik Deutschland trotz der Forderungen der UdSSR möglich sein soll, für unter sowjetischer Besatzungshoheit verübte Enteignungen Ausgleichsleistungen zu gewähren. Vielmehr sollte sie danach auch berechtigt sein, den Betroffenen eine Rückerwerbsmöglichkeit einzuräumen. Nach den Feststellungen des Bodenreformurteils sollte es nur unmöglich sein, die Enteignungen als nichtig zu behandeln und auf dieser Grundlage umfassend zu bereinigen. Damit aber zielte der Vorbehalt der UdSSR ausschließlich auf den beim Abzug von Besatzungsmächten üblichen Indemnitätsvorbehalt ab, wonach es der Bundesrepublik Deutschland verwehrt sein sollte, die Enteignungen als nichtig zu behandeln und darauf gestützt völkerrechtliche Schadensersatzansprüche gegenüber der UdSSR zu stellen.

Schließlich steht auch die Annahme des Urteils des BVerwG vom 29. April 1994 im Widerspruch zu gesetzlichen Vorschriften, verfolgungsbedingte Vermögensschädigungen wie die Vermögensentziehung gegenüber den auf der Berliner Liste 1 verzeichneten Unternehmensinhabern seien grundsätzlich ohne vorherige Rehabilitierung vom Anwendungsbereich des Vermögensgesetzes erfaßt. Dies war auch bereits im Zeitpunkt des Erlasses dieses Urteils offenkundig. Damals galt bereits das Strafrechtliche Rehabilitierungsgesetz, dessen Anwendungsbereich – ohne Ausschlußregelung – für Strafmaßnahmen und damit auch für strafrechtliche Vermögenseinziehungen den Zeitraum von 8. Mai 1945 bis zum 2. Oktober 1990 umfaßte und dabei auch für nicht gerichtliche Strafmaßnahmen galt (§ 1 Abs. 1 und 5 StrRehaG). Diese Regelungen entsprachen den deutsch-deutschen Vereinbarungen anläßlich der Verhandlungen über die Herstellung der Einheit Deutschlands in Art. 41 Abs. 1 EV i.V.m. Nr. 9 GE sowie Art. 17 EV. Deshalb war es im April 1994 bereits offenkundig, daß strafrechtliche Vermögenseinziehungen keine Enteignungen i.S.v. § 1 Abs. 1 lit. a, Abs. 8 lit. a, 1. Halbs. VermG sein konnten, weil sie ausnahmslos auch im Fall ihrer Besatzungshoheitlichkeit einen strafrechtlichen Rehabilitierungsanspruch auslösen sollte.

Dies wurde durch die ebenfalls bereits im April 1994 bestehende gesetzliche Regelung in § 1 Abs. 8 lit. a, 2. Halbs. VermG bestätigt, wonach die in § 1 Abs. 8 lit. a, 1. Halbs. VermG vorgesehene Unanwendbarkeit des Vermögensgesetzes in den Fällen des § 1 Abs. 6 und 7 VermG nicht gelten, die Anwendbarkeit dieses Gesetzes vielmehr unberührt bleiben sollte. Damit war bereits klargestellt worden, daß mit der strafrechtlichen Rehabilitierung auch von unter Besatzungshoheit erfolgter strafrechtlicher Vermögenseinziehungen das Vermögensgesetz anwendbar bleiben sollte.

Soweit verfolgungsbedingte Vermögensschädigungen verwaltungsrechtlicher Natur waren, war im April 1994 zwar das Verwaltungsrechtliche Rehabilitierungsgesetz noch nicht erlassen worden. Aber es gab bereits die Denkschrift zum Einigungsvertrag, die zu Art. 17 EV ausgeführt hatte, daß auch verwaltungsrechtliche Verfolgungsmaßnahmen zu rehabilitieren seien.

Mit dem Inkrafttreten des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes vom 23. Juni 1994 bestand deshalb ein weiterer offenkundiger Widerspruch des Urteils vom 29. April 1994 zu gesetzlichen Regelungen. Dieses Gesetz sieht in § 1 Abs. 1 Satz 1 VwRehaG u.a. die verwaltungsrechtliche Rehabilitierung für verfolgungsbedingte Verwaltungsentscheidungen vor, die zu einem Zugriff auf Vermögenswerte geführt haben. Im Gegensatz zum Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz wird die Anwendbarkeit des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes nach § 1 Abs. 1 Sätze 2 und 3 VwRehaG zwar u.a. dann ausgeschlossen, wenn die Vermögensschädigungen bereits vom Vermögensgesetz erfaßt werden oder wenn es sich um eine der Fallgruppen des § 1 Abs. 8 VermG handelt. Nimmt man aber mit dem Urteil vom 29. April 1994 an, auch verfolgungsbedingte Vermögensschädigungen seien vom Vermögensgesetz erfaßt, läuft der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Satz 1 VwRehaG jedenfalls für Zugriffe auf Vermögenswerte leer, weil das Verwaltungsrechtliche Rehabilitierungsgesetz dann – abgesehen von dem besonders in § 1 Abs. 3 VwRehaG geregelten Zugriff auf Vermögenswerte, die anläßlich der Zwangsaussiedlungen an der innerdeutschen Grenze erfolgt sind – stets durch das Vermögensgesetz verdrängt würde. Der Leerlauf gesetzlicher Regelungen darf dem Gesetzgeber aber nicht unterstellt werden.

Nachdem dann auch aus Ausgleichsleistungsgesetz vom 27. September 1994 erlassen war, hat es sich ebenfalls nicht für die Fälle in § 1 Abs. 6 und 7 VermG für anwendbar erklärt. Für verfolgungsbedingte Vermögenszugriffe unter NS- oder SED-Herrschaft bleiben anderweitige Regelungen durch das Ausgleichsleistungsgesetz vielmehr unberührt (§ 1 Abs. 1 S. 2, Abs. 1a S. 2 AusglLeistG). Auch diese Regelungen laufen vollständig leer, wenn verfolgungsbedingte Vermögensschädigungen unter Besatzungshoheit von der Fallgruppe des § 1 Abs. 8 lit. a, 1. Halbs. VermG erfaßt wäre, weil es dann keine besatzungsrechtlichen oder besatzungshoheitlichen Vermögenszugriffe gibt, auf die das Vermögensgesetz nach § 1 Abs. 7 VermG nach einer verwaltungsrechtlichen Rehabilitierung entsprechend anwendbar sein könnte.

Damit stehen sämtliche Begründungsansätze des Urteils vom 29. April 1994 in offenkundigem Widerspruch zu gesetzlichen Vorschriften. Dennoch bildet es die Grundlage für die weitere Rechtsprechungsentwicklung des BVerwG, mit der es eine verwaltungsrechtliche Rehabilitierung von verfolgungsbedingten Vermögenzugriffen unter Besatzungshoheit ausnahmslos abgelehnt hat.

BVerwG, Urteil vom 29. April 1994 –7 C 47.93

Das Urteil betrifft die Revision einen auf das Vermögensgesetz gestützten Antrag auf Rückgabe eines auf die Berliner Liste 1 gesetzten und 1949 enteigneten Unternehmens. Mit der Revision war geltend gemacht worden, die Ausschlußregelung des § 1 Abs. 8 lit. a, 1. Halbs. VermG sei verfassungswidrig, weil nach dem Bodenreformurteil des BVerfG vom 23. April 1991 neue Tatsachen bekannt geworden seien, wonach es keine Vorbedingungen der UdSSR und der DDR dafür gegeben habe, Enteignungen auf besatzungsrechtlicher und besatzungshoheitlicher Grundlage nicht mehr rückgängig zu machen. Die Begründung des BVerfG im Bodenreformurteil, mit der insbesondere die dem Ausschlußtatbestand des § 1 Abs. 8 lit. a, 1. Halbs. VermG zugrunde liegende deutsch-deutsche Vereinbarung in Nr. 1 Satz 1 der Gemeinsamen Erklärung vom 15. Juni 1990 (GE) verfassungsrechtlich gerechtfertigt worden sei, sei damit nicht mehr tragfähig.

Wortlaut der Entscheidung

Verantwortliche Richter: 

Dr. Stefan Paetow, Richter am BVerwG
Dr. Franz Bardenhewer, Richter am BVerwG
Dr. Michael Bertrams, Richter am BVerwG
Dieter Kley, Richter am BVerwG
Georg Herbert, Richter am BVerwG 

Anlaß und maßgeblicher Inhalt der Entscheidung: 

Das Urteil betrifft die Revision einen auf das Vermögensgesetz gestützten Antrag auf Rückgabe eines auf die Berliner Liste 1 gesetzten und 1949 enteigneten Unternehmens. Mit der Revision war geltend gemacht worden, die Ausschlußregelung des § 1 Abs. 8 lit. a, 1. Halbs. VermG sei verfassungswidrig, weil nach dem Bodenreformurteil des BVerfG vom 23. April 1991 neue Tatsachen bekannt geworden seien, wonach es keine Vorbedingungen der UdSSR und der DDR dafür gegeben habe, Enteignungen auf besatzungsrechtlicher und besatzungshoheitlicher Grundlage nicht mehr rückgängig zu machen. Die Begründung des BVerfG im Bodenreformurteil, mit der insbesondere die dem Ausschlußtatbestand des § 1 Abs. 8 lit. a, 1. Halbs. VermG zugrunde liegende deutsch-deutsche Vereinbarung in Nr. 1 Satz 1 der Gemeinsamen Erklärung vom 15. Juni 1990 (GE) verfassungsrechtlich gerechtfertigt worden sei, sei damit nicht mehr tragfähig.

Das Urteil vom 29. April 1994 hat die Revision abgewiesen. Dazu führt es aus, der mit der Klage geltend gemachte Rückgabeanspruch bestehe nicht, weil § 1 Abs. 8 lit. a, 1. Halbs. VermG die Restitution von auf besatzungsrechtlicher und besatzungshoheitlicher Grundlage enteigneten Vermögenswerten ausschließe. Diese Regelung sei vom BVerfG auch für verfassungswidrig erklärt worden, weil die UdSSR mit ihren Forderungen nach der Anerkennung der Rechtmäßigkeit und Legitimität sowie der Unumkehrbarkeit und Unantastbarkeit der unter ihrer Besatzungshoheit vorgenommenen Maßnahmen habe verhindern wollen, daß ihr deshalb im nachhinein ein Vorwurf gemacht werde. Schließlich hat das Gericht auch angenommen, daß es sich bei den auf die Liste 1 gesetzten Unternehmen auch um von § 1 Abs. 8 lit. a, 1. Halbs. VermG erfaßte auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage enteignete Vermögenswerte handelte.

Warum die Entscheidung unvertretbar ist: 

Das Urteil bildet mit dem am selben Tag ebenfalls zu einem Fall zur Berliner Liste 1 ergangenen Urteil 7 C 59.93 die Grundlage dafür, daß die auf einer politischen Verfolgung beruhenden Vermögenszugriffe im Rahmen der in der SBZ und Ostberlin vorgenommenen Boden- und Industriereform juristisch nicht aufgearbeitet sind. Dabei ist Urteil im Ergebnis zwar zutreffend entschieden. Die dafür gegebenen Begründungsansätze jedoch sind insgesamt unvertretbar.

Im Ergebnis ist die Entscheidung zutreffend, weil es sich bei den Maßnahmen der Berliner Liste 1 um straf- oder verwaltungsrechtliche Akte der politischen Verfolgung handelt, die ihrerseits, auch soweit sie eine Vermögensschädigung zum Gegenstand hatten, von vornherein nicht in den Anwendungsbereich des Vermögensgesetzes fallen, weil sie keine entschädigungslosen Enteignungen i.S.v. § 1 Abs. 1 lit. a, Abs. 8 lit. a, 1. Halbs., sondern strafrechtliche Vermögenseinziehungen (§ 1 Abs. 1 und 5 StrRehaG, Nr. 9 GE, Art. 17 Einigungsvertrag – EV –) oder verwaltungsrechtliche, verfolgungsbedingte Zugriffe auf Vermögenswerte (§ 1 Abs. 1 Satz 1 VwRehaG) darstellen. Die Betroffenen hätten also einen Rehabilitierungsantrag stellen müssen. Der auf das Vermögensgesetz gestützte Rückgabeantrag war dagegen unbegründet, weil dieses Gesetz per se keine strafrechtlichen Vermögenseinziehungen und keine verwaltungsrechtlichen, auf einer politischen Verfolgung beruhenden Zugriffe auf Vermögenswerte erfaßt. Mit dieser Begründung hätte das BVerwG die Revision abweisen müssen.

Die davon wesentlich abweichende Begründung ist dagegen mit geltendem Recht unvertretbar, wobei die Unvertretbarkeit im April 1994 noch nicht ganz so offensichtlich zutage trat wie bereits wenig später. Zu diesem Zeitpunkt waren nämlich weder das Verwaltungsrechtliche Rehabilitierungsgesetz vom 23. Juni 1994 noch das Ausgleichsleistungsgesetz vom 27. September 1994 (AusglLeistG) erlassen worden, deren Regelungen die Unhaltbarkeit der Begründungsansätze in den Urteilen vom 29. April 1994 noch offenkundiger gemacht haben. Lediglich das Vermögenszuordnungsgesetz vom 22. März 1991 (VZOG) war schon erlassen.

Bereits im April 1994 war es freilich offenkundig unvertretbar, den Regelungsgehalt des § 1 Abs. 8 lit. a, 1. Halbs. VermG als „Restitutionsausschluß“ zu bezeichnen. Das Urteil vom 29. April 1994 beschreibt den Inhalt der Norm denn auch zunächst zutreffend. Dazu heißt es richtig: „Nach § 1 Abs. 8 lit. a VermG gilt das Vermögensgesetz nicht für Enteignungen von Vermögenswerten auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage. In diesen Fällen ist demnach ein Anspruch des Geschädigten auf Rückübertragung des enteigneten Vermögenswerts nach § 3 Abs. 1 i.V.m. §§ 1 und 2 Abs. 1 VermG ausgeschlossen.“ Damit ist korrekt dargelegt, daß das Vermögensgesetz auch in den Fällen des § 1 Abs. 8 lit. a VermG nicht anwendbar ist und sich deshalb auch kein Rückgabeanspruch aus § 3 Abs. 1 VermG ergeben kann. Damit ist aber keine Aussage darüber getroffen, ob sich ein Rückgabeanspruch nicht aus einem anderen Gesetz ergeben kann.

Nur wenig später spricht das Urteil dann aber nur noch von dem Restitutionsausschluß des § 1 Abs. 8 lit. a VermG. Damit unterschiebt es der Norm einen ganz anderen Regelungsgehalt, nämlich den, damit werde die Rückgabe von auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage ausgeschlossen. Das aber bedeutet: Die Norm schließt nicht nur die Anwendbarkeit des Vermögensgesetzes aus, sondern auch, daß eine Rückgaberegelung gesetzlich ausgeschlossen ist, also auch nicht mehr in einem anderen Gesetz vorgesehen werden kann, ohne daß ein Widerspruch zum in § 1 Abs. 8 lit. a VermG enthaltenen Restitutionsausschluß besteht.

Dieser ganz andere Inhalt steht in offenkundigen Widerspruch zu auch bereits im April 1994 erlassenen gesetzlichen Regelungen. Er widerspricht evident dem Umstand, daß § 1 VermG ausschließlich den positiven und den negativen Geltungsbereich des Vermögensgesetzes, nicht aber bereits einzelne Ansprüche oder deren Ausschluß regelt. Im übrigen schließt § 1 Abs. 8 VermG den Anwendungsbereich des Vermögensgesetzes nicht nur für Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage aus, sondern nach § 1 Abs. 8 lit. d VermG etwa auch für Enteignungen von Gebietskörperschaften im Beitrittsgebiet, soweit sie vom Kommunalvermögensgesetz erfaßt sind. Für diese Enteignungen sah § 11 Abs. 1 Satz 1 VZOG aber bereits im April 1994 Rückübertragungsansprüche ausdrücklich vor. Damit stand es bereits im Zeitpunkt des Erlasses des Urteils vom 29. April 1994 in offenem Widerspruch, wenn dort angenommen wurde, § 1 Abs. 8 VermG habe Restitutionsausschlußregelungen enthalten. Seit Erlaß des Ausgleichsleistungsgesetzes steht die Annahme, § 1 Abs. 8si lit. a VermG enthalte einen Restitutionsausschluß, außerdem in offenem Widerspruch zur Begründung des Rückgabegrundsatzes für bewegliche, auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage enteignete Vermögenswerte in § 5 Abs. 1 AusglLeistG.

Unvertretbar ist darüber hinaus die Behauptung des 7. Senats des BVerwG, das Bodenreformurteil des BVerfG habe die auf besatzungsrechtliche und besatzungshoheitliche Enteignungen bezogenen Regelungen mit der Annahme gerechtfertigt, damit sei dem Umstand Rechnung getragen worden, daß die UdSSR im Rahmen der deutschen Wiedervereinigung verlangt habe, daß ihr das besiegte Deutschland wegen der unter ihrer Besatzungshoheit verübten Maßnahmen keinen Unrechtsvorwurf machen dürfe. Ein solcher Vorwurf sei aber mit der Rückgabe verbunden, weil sie wegen der unter Besatzungshoheit vorgenommenen Unrechtsakte erfolge.

Wäre diese Behauptung zutreffend, müßte jede Form der Wiedergutmachung für unter Besatzungshoheit verübten Unrechts ausgeschlossen sein, weil sie unabhängig davon, ob sie in Form der Rückgabe, des Rückerwerbs, der Rehabilitierung, der Entschädigung oder der Erlösherausgabe erfolgt ist, ausschließlich wegen verübten Staatsunrechts gewährt wird. Deshalb steht die Aussage bereits in offenkundigem Widerspruch zur deutsch-deutschen Vereinbarung in Nr. 1 Satz 4 GE, mit der sich die Bundesrepublik Deutschland das Recht vorbehalten, Ausgleichsleistungen für besatzungsbezogene Enteignungen zu gewähren. Ein offener Widerspruch besteht auch zu Nr. 9 GE, soweit davon auch strafrechtliche Vermögenseinziehungen unter Besatzungshoheit erfaßt werden. Gegen diese deutsch-deutschen Vereinbarungen in der Gemeinsamen Erklärung, die der sowjetischen Seite anläßlich der Zwei-plus-Vier-Verhandlungen durch Schreiben der beiden deutschen Außenminister vom 12. September 1990 übergeben wurde, hat sie keine Einwendungen erhoben. Wenn sie aber, wie das BVerwG dies behauptet, einen deutschen Unrechtsvorwurf wegen der von der UdSSR unter ihrer Besatzungshoheit hätte vermeiden wollen, hätte sie dem Vorbehalt von Ausgleichsleistungen und der Vereinbarung der Rehabilitierung von strafrechtlichen Vermögenseinziehungen widersprochen. Das ist nicht erfolgt.

Das Verständnis des Bodenreformurteils des BVerfG durch das BVerwG, wonach die dort erwähnten Forderungen der UdSSR nach Anerkennung der Rechtmäßigkeit und Legitimität ihrer Maßnahmen einen Unrechtsvorwurf gegenüber der sowjetischen Seite verhindern sollte, steht zudem im offenen Widerspruch zu Inhalten dieses Urteils. Das Bodenreformurteil bestätigt nämlich nicht nur, daß es der Bundesrepublik Deutschland trotz der Forderungen der UdSSR möglich sein soll, für unter sowjetischer Besatzungshoheit verübte Enteignungen Ausgleichsleistungen zu gewähren. Vielmehr sollte sie danach auch berechtigt sein, den Betroffenen eine Rückerwerbsmöglichkeit einzuräumen. Nach den Feststellungen des Bodenreformurteils sollte es nur unmöglich sein, die Enteignungen als nichtig zu behandeln und auf dieser Grundlage umfassend zu bereinigen. Damit aber zielte der Vorbehalt der UdSSR ausschließlich auf den beim Abzug von Besatzungsmächten üblichen Indemnitätsvorbehalt ab, wonach es der Bundesrepublik Deutschland verwehrt sein sollte, die Enteignungen als nichtig zu behandeln und darauf gestützt völkerrechtliche Schadensersatzansprüche gegenüber der UdSSR zu stellen.

Schließlich steht auch die Annahme des Urteils des BVerwG vom 29. April 1994 im Widerspruch zu gesetzlichen Vorschriften, verfolgungsbedingte Vermögensschädigungen wie die Vermögensentziehung gegenüber den auf der Berliner Liste 1 verzeichneten Unternehmensinhabern seien grundsätzlich ohne vorherige Rehabilitierung vom Anwendungsbereich des Vermögensgesetzes erfaßt. Dies war auch bereits im Zeitpunkt des Erlasses dieses Urteils offenkundig. Damals galt bereits das Strafrechtliche Rehabilitierungsgesetz, dessen Anwendungsbereich – ohne Ausschlußregelung – für Strafmaßnahmen und damit auch für strafrechtliche Vermögenseinziehungen den Zeitraum von 8. Mai 1945 bis zum 2. Oktober 1990 umfaßte und dabei auch für nicht gerichtliche Strafmaßnahmen galt (§ 1 Abs. 1 und 5 StrRehaG). Diese Regelungen entsprachen den deutsch-deutschen Vereinbarungen anläßlich der Verhandlungen über die Herstellung der Einheit Deutschlands in Art. 41 Abs. 1 EV i.V.m. Nr. 9 GE sowie Art. 17 EV. Deshalb war es im April 1994 bereits offenkundig, daß strafrechtliche Vermögenseinziehungen keine Enteignungen i.S.v. § 1 Abs. 1 lit. a, Abs. 8 lit. a, 1. Halbs. VermG sein konnten, weil sie ausnahmslos auch im Fall ihrer Besatzungshoheitlichkeit einen strafrechtlichen Rehabilitierungsanspruch auslösen sollte.

Dies wurde durch die ebenfalls bereits im April 1994 bestehende gesetzliche Regelung in § 1 Abs. 8 lit. a, 2. Halbs. VermG bestätigt, wonach die in § 1 Abs. 8 lit. a, 1. Halbs. VermG vorgesehene Unanwendbarkeit des Vermögensgesetzes in den Fällen des § 1 Abs. 6 und 7 VermG nicht gelten, die Anwendbarkeit dieses Gesetzes vielmehr unberührt bleiben sollte. Damit war bereits klargestellt worden, daß mit der strafrechtlichen Rehabilitierung auch von unter Besatzungshoheit erfolgter strafrechtlicher Vermögenseinziehungen das Vermögensgesetz anwendbar bleiben sollte.

Soweit verfolgungsbedingte Vermögensschädigungen verwaltungsrechtlicher Natur waren, war im April 1994 zwar das Verwaltungsrechtliche Rehabilitierungsgesetz noch nicht erlassen worden. Aber es gab bereits die Denkschrift zum Einigungsvertrag, die zu Art. 17 EV ausgeführt hatte, daß auch verwaltungsrechtliche Verfolgungsmaßnahmen zu rehabilitieren seien.

Mit dem Inkrafttreten des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes vom 23. Juni 1994 bestand deshalb ein weiterer offenkundiger Widerspruch des Urteils vom 29. April 1994 zu gesetzlichen Regelungen. Dieses Gesetz sieht in § 1 Abs. 1 Satz 1 VwRehaG u.a. die verwaltungsrechtliche Rehabilitierung für verfolgungsbedingte Verwaltungsentscheidungen vor, die zu einem Zugriff auf Vermögenswerte geführt haben. Im Gegensatz zum Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz wird die Anwendbarkeit des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes nach § 1 Abs. 1 Sätze 2 und 3 VwRehaG zwar u.a. dann ausgeschlossen, wenn die Vermögensschädigungen bereits vom Vermögensgesetz erfaßt werden oder wenn es sich um eine der Fallgruppen des § 1 Abs. 8 VermG handelt. Nimmt man aber mit dem Urteil vom 29. April 1994 an, auch verfolgungsbedingte Vermögensschädigungen seien vom Vermögensgesetz erfaßt, läuft der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Satz 1 VwRehaG jedenfalls für Zugriffe auf Vermögenswerte leer, weil das Verwaltungsrechtliche Rehabilitierungsgesetz dann – abgesehen von dem besonders in § 1 Abs. 3 VwRehaG geregelten Zugriff auf Vermögenswerte, die anläßlich der Zwangsaussiedlungen an der innerdeutschen Grenze erfolgt sind – stets durch das Vermögensgesetz verdrängt würde. Der Leerlauf gesetzlicher Regelungen darf dem Gesetzgeber aber nicht unterstellt werden.

Nachdem dann auch aus Ausgleichsleistungsgesetz vom 27. September 1994 erlassen war, hat es sich ebenfalls nicht für die Fälle in § 1 Abs. 6 und 7 VermG für anwendbar erklärt. Für verfolgungsbedingte Vermögenszugriffe unter NS- oder SED-Herrschaft bleiben anderweitige Regelungen durch das Ausgleichsleistungsgesetz vielmehr unberührt (§ 1 Abs. 1 S. 2, Abs. 1a S. 2 AusglLeistG). Auch diese Regelungen laufen vollständig leer, wenn verfolgungsbedingte Vermögensschädigungen unter Besatzungshoheit von der Fallgruppe des § 1 Abs. 8 lit. a, 1. Halbs. VermG erfaßt wäre, weil es dann keine besatzungsrechtlichen oder besatzungshoheitlichen Vermögenszugriffe gibt, auf die das Vermögensgesetz nach § 1 Abs. 7 VermG nach einer verwaltungsrechtlichen Rehabilitierung entsprechend anwendbar sein könnte.

Damit stehen sämtliche Begründungsansätze des Urteils vom 29. April 1994 in offenkundigem Widerspruch zu gesetzlichen Vorschriften. Dennoch bildet es die Grundlage für die weitere Rechtsprechungsentwicklung des BVerwG, mit der es eine verwaltungsrechtliche Rehabilitierung von verfolgungsbedingten Vermögenzugriffen unter Besatzungshoheit ausnahmslos abgelehnt hat.

BVerwG, Urteil vom 29. April 1994 – 7 C 47 .93

Das Urteil betrifft die Revision einen auf das Vermögensgesetz gestützten Antrag auf Rückgabe eines auf die Berliner Liste 1 gesetzten und 1949 enteigneten Unternehmens. Mit der Revision war geltend gemacht worden, die Ausschlußregelung des § 1 Abs. 8 lit. a, 1. Halbs. VermG sei verfassungswidrig, weil nach dem Bodenreformurteil des BVerfG vom 23. April 1991 neue Tatsachen bekannt geworden seien, wonach es keine Vorbedingungen der UdSSR und der DDR dafür gegeben habe, Enteignungen auf besatzungsrechtlicher und besatzungshoheitlicher Grundlage nicht mehr rückgängig zu machen. Die Begründung des BVerfG im Bodenreformurteil, mit der insbesondere die dem Ausschlußtatbestand des § 1 Abs. 8 lit. a, 1. Halbs. VermG zugrunde liegende deutsch-deutsche Vereinbarung in Nr. 1 Satz 1 der Gemeinsamen Erklärung vom 15. Juni 1990 (GE) verfassungsrechtlich gerechtfertigt worden sei, sei damit nicht mehr tragfähig.

Wortlaut der Entscheidung

Verantwortliche Richter: 

Dr. Stefan Paetow, Richter am BVerwG
Dr. Franz Bardenhewer, Richter am BVerwG
Dr. Michael Bertrams, Richter am BVerwG
Dieter Kley, Richter am BVerwG
Georg Herbert, Richter am BVerwG 

Anlaß und maßgeblicher Inhalt der Entscheidung: 

Das Urteil betrifft die Revision einen auf das Vermögensgesetz gestützten Antrag auf Rückgabe eines auf die Berliner Liste 1 gesetzten und 1949 enteigneten Unternehmens. Mit der Revision war geltend gemacht worden, die Ausschlußregelung des § 1 Abs. 8 lit. a, 1. Halbs. VermG sei verfassungswidrig, weil nach dem Bodenreformurteil des BVerfG vom 23. April 1991 neue Tatsachen bekannt geworden seien, wonach es keine Vorbedingungen der UdSSR und der DDR dafür gegeben habe, Enteignungen auf besatzungsrechtlicher und besatzungshoheitlicher Grundlage nicht mehr rückgängig zu machen. Die Begründung des BVerfG im Bodenreformurteil, mit der insbesondere die dem Ausschlußtatbestand des § 1 Abs. 8 lit. a, 1. Halbs. VermG zugrunde liegende deutsch-deutsche Vereinbarung in Nr. 1 Satz 1 der Gemeinsamen Erklärung vom 15. Juni 1990 (GE) verfassungsrechtlich gerechtfertigt worden sei, sei damit nicht mehr tragfähig.

Das Urteil vom 29. April 1994 hat die Revision abgewiesen. Dazu führt es aus, der mit der Klage geltend gemachte Rückgabeanspruch bestehe nicht, weil § 1 Abs. 8 lit. a, 1. Halbs. VermG die Restitution von auf besatzungsrechtlicher und besatzungshoheitlicher Grundlage enteigneten Vermögenswerten ausschließe. Diese Regelung sei vom BVerfG auch für verfassungswidrig erklärt worden, weil die UdSSR mit ihren Forderungen nach der Anerkennung der Rechtmäßigkeit und Legitimität sowie der Unumkehrbarkeit und Unantastbarkeit der unter ihrer Besatzungshoheit vorgenommenen Maßnahmen habe verhindern wollen, daß ihr deshalb im nachhinein ein Vorwurf gemacht werde. Schließlich hat das Gericht auch angenommen, daß es sich bei den auf die Liste 1 gesetzten Unternehmen auch um von § 1 Abs. 8 lit. a, 1. Halbs. VermG erfaßte auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage enteignete Vermögenswerte handelte.

Warum die Entscheidung unvertretbar ist: 

Das Urteil bildet mit dem am selben Tag ebenfalls zu einem Fall zur Berliner Liste 1 ergangenen Urteil 7 C 59.93 die Grundlage dafür, daß die auf einer politischen Verfolgung beruhenden Vermögenszugriffe im Rahmen der in der SBZ und Ostberlin vorgenommenen Boden- und Industriereform juristisch nicht aufgearbeitet sind. Dabei ist Urteil im Ergebnis zwar zutreffend entschieden. Die dafür gegebenen Begründungsansätze jedoch sind insgesamt unvertretbar.

Im Ergebnis ist die Entscheidung zutreffend, weil es sich bei den Maßnahmen der Berliner Liste 1 um straf- oder verwaltungsrechtliche Akte der politischen Verfolgung handelt, die ihrerseits, auch soweit sie eine Vermögensschädigung zum Gegenstand hatten, von vornherein nicht in den Anwendungsbereich des Vermögensgesetzes fallen, weil sie keine entschädigungslosen Enteignungen i.S.v. § 1 Abs. 1 lit. a, Abs. 8 lit. a, 1. Halbs., sondern strafrechtliche Vermögenseinziehungen (§ 1 Abs. 1 und 5 StrRehaG, Nr. 9 GE, Art. 17 Einigungsvertrag – EV –) oder verwaltungsrechtliche, verfolgungsbedingte Zugriffe auf Vermögenswerte (§ 1 Abs. 1 Satz 1 VwRehaG) darstellen. Die Betroffenen hätten also einen Rehabilitierungsantrag stellen müssen. Der auf das Vermögensgesetz gestützte Rückgabeantrag war dagegen unbegründet, weil dieses Gesetz per se keine strafrechtlichen Vermögenseinziehungen und keine verwaltungsrechtlichen, auf einer politischen Verfolgung beruhenden Zugriffe auf Vermögenswerte erfaßt. Mit dieser Begründung hätte das BVerwG die Revision abweisen müssen.

Die davon wesentlich abweichende Begründung ist dagegen mit geltendem Recht unvertretbar, wobei die Unvertretbarkeit im April 1994 noch nicht ganz so offensichtlich zutage trat wie bereits wenig später. Zu diesem Zeitpunkt waren nämlich weder das Verwaltungsrechtliche Rehabilitierungsgesetz vom 23. Juni 1994 noch das Ausgleichsleistungsgesetz vom 27. September 1994 (AusglLeistG) erlassen worden, deren Regelungen die Unhaltbarkeit der Begründungsansätze in den Urteilen vom 29. April 1994 noch offenkundiger gemacht haben. Lediglich das Vermögenszuordnungsgesetz vom 22. März 1991 (VZOG) war schon erlassen.

Bereits im April 1994 war es freilich offenkundig unvertretbar, den Regelungsgehalt des § 1 Abs. 8 lit. a, 1. Halbs. VermG als „Restitutionsausschluß“ zu bezeichnen. Das Urteil vom 29. April 1994 beschreibt den Inhalt der Norm denn auch zunächst zutreffend. Dazu heißt es richtig: „Nach § 1 Abs. 8 lit. a VermG gilt das Vermögensgesetz nicht für Enteignungen von Vermögenswerten auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage. In diesen Fällen ist demnach ein Anspruch des Geschädigten auf Rückübertragung des enteigneten Vermögenswerts nach § 3 Abs. 1 i.V.m. §§ 1 und 2 Abs. 1 VermG ausgeschlossen.“ Damit ist korrekt dargelegt, daß das Vermögensgesetz auch in den Fällen des § 1 Abs. 8 lit. a VermG nicht anwendbar ist und sich deshalb auch kein Rückgabeanspruch aus § 3 Abs. 1 VermG ergeben kann. Damit ist aber keine Aussage darüber getroffen, ob sich ein Rückgabeanspruch nicht aus einem anderen Gesetz ergeben kann.

Nur wenig später spricht das Urteil dann aber nur noch von dem Restitutionsausschluß des § 1 Abs. 8 lit. a VermG. Damit unterschiebt es der Norm einen ganz anderen Regelungsgehalt, nämlich den, damit werde die Rückgabe von auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage ausgeschlossen. Das aber bedeutet: Die Norm schließt nicht nur die Anwendbarkeit des Vermögensgesetzes aus, sondern auch, daß eine Rückgaberegelung gesetzlich ausgeschlossen ist, also auch nicht mehr in einem anderen Gesetz vorgesehen werden kann, ohne daß ein Widerspruch zum in § 1 Abs. 8 lit. a VermG enthaltenen Restitutionsausschluß besteht.

Dieser ganz andere Inhalt steht in offenkundigen Widerspruch zu auch bereits im April 1994 erlassenen gesetzlichen Regelungen. Er widerspricht evident dem Umstand, daß § 1 VermG ausschließlich den positiven und den negativen Geltungsbereich des Vermögensgesetzes, nicht aber bereits einzelne Ansprüche oder deren Ausschluß regelt. Im übrigen schließt § 1 Abs. 8 VermG den Anwendungsbereich des Vermögensgesetzes nicht nur für Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage aus, sondern nach § 1 Abs. 8 lit. d VermG etwa auch für Enteignungen von Gebietskörperschaften im Beitrittsgebiet, soweit sie vom Kommunalvermögensgesetz erfaßt sind. Für diese Enteignungen sah § 11 Abs. 1 Satz 1 VZOG aber bereits im April 1994 Rückübertragungsansprüche ausdrücklich vor. Damit stand es bereits im Zeitpunkt des Erlasses des Urteils vom 29. April 1994 in offenem Widerspruch, wenn dort angenommen wurde, § 1 Abs. 8 VermG habe Restitutionsausschlußregelungen enthalten. Seit Erlaß des Ausgleichsleistungsgesetzes steht die Annahme, § 1 Abs. 8si lit. a VermG enthalte einen Restitutionsausschluß, außerdem in offenem Widerspruch zur Begründung des Rückgabegrundsatzes für bewegliche, auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage enteignete Vermögenswerte in § 5 Abs. 1 AusglLeistG.

Unvertretbar ist darüber hinaus die Behauptung des 7. Senats des BVerwG, das Bodenreformurteil des BVerfG habe die auf besatzungsrechtliche und besatzungshoheitliche Enteignungen bezogenen Regelungen mit der Annahme gerechtfertigt, damit sei dem Umstand Rechnung getragen worden, daß die UdSSR im Rahmen der deutschen Wiedervereinigung verlangt habe, daß ihr das besiegte Deutschland wegen der unter ihrer Besatzungshoheit verübten Maßnahmen keinen Unrechtsvorwurf machen dürfe. Ein solcher Vorwurf sei aber mit der Rückgabe verbunden, weil sie wegen der unter Besatzungshoheit vorgenommenen Unrechtsakte erfolge.

Wäre diese Behauptung zutreffend, müßte jede Form der Wiedergutmachung für unter Besatzungshoheit verübten Unrechts ausgeschlossen sein, weil sie unabhängig davon, ob sie in Form der Rückgabe, des Rückerwerbs, der Rehabilitierung, der Entschädigung oder der Erlösherausgabe erfolgt ist, ausschließlich wegen verübten Staatsunrechts gewährt wird. Deshalb steht die Aussage bereits in offenkundigem Widerspruch zur deutsch-deutschen Vereinbarung in Nr. 1 Satz 4 GE, mit der sich die Bundesrepublik Deutschland das Recht vorbehalten, Ausgleichsleistungen für besatzungsbezogene Enteignungen zu gewähren. Ein offener Widerspruch besteht auch zu Nr. 9 GE, soweit davon auch strafrechtliche Vermögenseinziehungen unter Besatzungshoheit erfaßt werden. Gegen diese deutsch-deutschen Vereinbarungen in der Gemeinsamen Erklärung, die der sowjetischen Seite anläßlich der Zwei-plus-Vier-Verhandlungen durch Schreiben der beiden deutschen Außenminister vom 12. September 1990 übergeben wurde, hat sie keine Einwendungen erhoben. Wenn sie aber, wie das BVerwG dies behauptet, einen deutschen Unrechtsvorwurf wegen der von der UdSSR unter ihrer Besatzungshoheit hätte vermeiden wollen, hätte sie dem Vorbehalt von Ausgleichsleistungen und der Vereinbarung der Rehabilitierung von strafrechtlichen Vermögenseinziehungen widersprochen. Das ist nicht erfolgt.

Das Verständnis des Bodenreformurteils des BVerfG durch das BVerwG, wonach die dort erwähnten Forderungen der UdSSR nach Anerkennung der Rechtmäßigkeit und Legitimität ihrer Maßnahmen einen Unrechtsvorwurf gegenüber der sowjetischen Seite verhindern sollte, steht zudem im offenen Widerspruch zu Inhalten dieses Urteils. Das Bodenreformurteil bestätigt nämlich nicht nur, daß es der Bundesrepublik Deutschland trotz der Forderungen der UdSSR möglich sein soll, für unter sowjetischer Besatzungshoheit verübte Enteignungen Ausgleichsleistungen zu gewähren. Vielmehr sollte sie danach auch berechtigt sein, den Betroffenen eine Rückerwerbsmöglichkeit einzuräumen. Nach den Feststellungen des Bodenreformurteils sollte es nur unmöglich sein, die Enteignungen als nichtig zu behandeln und auf dieser Grundlage umfassend zu bereinigen. Damit aber zielte der Vorbehalt der UdSSR ausschließlich auf den beim Abzug von Besatzungsmächten üblichen Indemnitätsvorbehalt ab, wonach es der Bundesrepublik Deutschland verwehrt sein sollte, die Enteignungen als nichtig zu behandeln und darauf gestützt völkerrechtliche Schadensersatzansprüche gegenüber der UdSSR zu stellen.

Schließlich steht auch die Annahme des Urteils des BVerwG vom 29. April 1994 im Widerspruch zu gesetzlichen Vorschriften, verfolgungsbedingte Vermögensschädigungen wie die Vermögensentziehung gegenüber den auf der Berliner Liste 1 verzeichneten Unternehmensinhabern seien grundsätzlich ohne vorherige Rehabilitierung vom Anwendungsbereich des Vermögensgesetzes erfaßt. Dies war auch bereits im Zeitpunkt des Erlasses dieses Urteils offenkundig. Damals galt bereits das Strafrechtliche Rehabilitierungsgesetz, dessen Anwendungsbereich – ohne Ausschlußregelung – für Strafmaßnahmen und damit auch für strafrechtliche Vermögenseinziehungen den Zeitraum von 8. Mai 1945 bis zum 2. Oktober 1990 umfaßte und dabei auch für nicht gerichtliche Strafmaßnahmen galt (§ 1 Abs. 1 und 5 StrRehaG). Diese Regelungen entsprachen den deutsch-deutschen Vereinbarungen anläßlich der Verhandlungen über die Herstellung der Einheit Deutschlands in Art. 41 Abs. 1 EV i.V.m. Nr. 9 GE sowie Art. 17 EV. Deshalb war es im April 1994 bereits offenkundig, daß strafrechtliche Vermögenseinziehungen keine Enteignungen i.S.v. § 1 Abs. 1 lit. a, Abs. 8 lit. a, 1. Halbs. VermG sein konnten, weil sie ausnahmslos auch im Fall ihrer Besatzungshoheitlichkeit einen strafrechtlichen Rehabilitierungsanspruch auslösen sollte.

Dies wurde durch die ebenfalls bereits im April 1994 bestehende gesetzliche Regelung in § 1 Abs. 8 lit. a, 2. Halbs. VermG bestätigt, wonach die in § 1 Abs. 8 lit. a, 1. Halbs. VermG vorgesehene Unanwendbarkeit des Vermögensgesetzes in den Fällen des § 1 Abs. 6 und 7 VermG nicht gelten, die Anwendbarkeit dieses Gesetzes vielmehr unberührt bleiben sollte. Damit war bereits klargestellt worden, daß mit der strafrechtlichen Rehabilitierung auch von unter Besatzungshoheit erfolgter strafrechtlicher Vermögenseinziehungen das Vermögensgesetz anwendbar bleiben sollte.

Soweit verfolgungsbedingte Vermögensschädigungen verwaltungsrechtlicher Natur waren, war im April 1994 zwar das Verwaltungsrechtliche Rehabilitierungsgesetz noch nicht erlassen worden. Aber es gab bereits die Denkschrift zum Einigungsvertrag, die zu Art. 17 EV ausgeführt hatte, daß auch verwaltungsrechtliche Verfolgungsmaßnahmen zu rehabilitieren seien.

Mit dem Inkrafttreten des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes vom 23. Juni 1994 bestand deshalb ein weiterer offenkundiger Widerspruch des Urteils vom 29. April 1994 zu gesetzlichen Regelungen. Dieses Gesetz sieht in § 1 Abs. 1 Satz 1 VwRehaG u.a. die verwaltungsrechtliche Rehabilitierung für verfolgungsbedingte Verwaltungsentscheidungen vor, die zu einem Zugriff auf Vermögenswerte geführt haben. Im Gegensatz zum Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz wird die Anwendbarkeit des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes nach § 1 Abs. 1 Sätze 2 und 3 VwRehaG zwar u.a. dann ausgeschlossen, wenn die Vermögensschädigungen bereits vom Vermögensgesetz erfaßt werden oder wenn es sich um eine der Fallgruppen des § 1 Abs. 8 VermG handelt. Nimmt man aber mit dem Urteil vom 29. April 1994 an, auch verfolgungsbedingte Vermögensschädigungen seien vom Vermögensgesetz erfaßt, läuft der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Satz 1 VwRehaG jedenfalls für Zugriffe auf Vermögenswerte leer, weil das Verwaltungsrechtliche Rehabilitierungsgesetz dann – abgesehen von dem besonders in § 1 Abs. 3 VwRehaG geregelten Zugriff auf Vermögenswerte, die anläßlich der Zwangsaussiedlungen an der innerdeutschen Grenze erfolgt sind – stets durch das Vermögensgesetz verdrängt würde. Der Leerlauf gesetzlicher Regelungen darf dem Gesetzgeber aber nicht unterstellt werden.

Nachdem dann auch aus Ausgleichsleistungsgesetz vom 27. September 1994 erlassen war, hat es sich ebenfalls nicht für die Fälle in § 1 Abs. 6 und 7 VermG für anwendbar erklärt. Für verfolgungsbedingte Vermögenszugriffe unter NS- oder SED-Herrschaft bleiben anderweitige Regelungen durch das Ausgleichsleistungsgesetz vielmehr unberührt (§ 1 Abs. 1 S. 2, Abs. 1a S. 2 AusglLeistG). Auch diese Regelungen laufen vollständig leer, wenn verfolgungsbedingte Vermögensschädigungen unter Besatzungshoheit von der Fallgruppe des § 1 Abs. 8 lit. a, 1. Halbs. VermG erfaßt wäre, weil es dann keine besatzungsrechtlichen oder besatzungshoheitlichen Vermögenszugriffe gibt, auf die das Vermögensgesetz nach § 1 Abs. 7 VermG nach einer verwaltungsrechtlichen Rehabilitierung entsprechend anwendbar sein könnte.

Damit stehen sämtliche Begründungsansätze des Urteils vom 29. April 1994 in offenkundigem Widerspruch zu gesetzlichen Vorschriften. Dennoch bildet es die Grundlage für die weitere Rechtsprechungsentwicklung des BVerwG, mit der es eine verwaltungsrechtliche Rehabilitierung von verfolgungsbedingten Vermögenzugriffen unter Besatzungshoheit ausnahmslos abgelehnt hat.