LG Schwerin, Beschluss vom 12.02.2009 – 137 Rhs 39/06

Wortlaut der Entscheidung

Verantwortliche Richter:
Sigrun Meermann, Vorsitzende Richterin am LG
Wilfried Thomas Vorsitzender Richter am LG
Katja Surminski Richterin am LG

Anlaß und maßgeblicher Inhalt der Entscheidung:
Die Entscheidung der Rehabilitierungskammer betrifft den Fall der Verfolgung eines Gutsbesitzers mit einem Anwesen von über 100 ha im Rahmen der sog. Bodenreform. Den deshalb gestellten Antrag auf strafrechtliche Rehabilitierung haben die Richter der Rehabilitierungskammer mit der Begründung abgelehnt, die Verfolgung sei keine Vergeltung für missbilligtes individuelles Fehlverhalten gewesen, weshalb deren strafrechtlicher Charakter gefehlt habe. Die Bestimmungen in der Bodenreformverordnung, dass der „Herrschaft der Junker und Großgrundbesitzer ein Ende zu bereiten sei“, da diese „Herrschaft immer ein Hauptpfeiler der Reaktion und des Faschismus in unserem Lande und eine Hauptquelle der Aggression und der Eroberungskriege war, die sich gegen andere Völker richtete“, seien „rein politische Ausführungen, um die Bodenreform zu rechtfertigen.“ Die Enteignung habe daher (allein) auf dem Umstand beruht, dass die betreffenden Güter größer als 100 ha waren.

Warum die Entscheidung unvertretbar ist:
Unvertretbar ist die Entscheidung der Kammer schon deshalb, weil die Frage der Auslegung der in der SBZ erlassenen Bodenreformverordnung kein bundesdeutsches Recht betrifft und daher als sog. Rechtstatsache nach Maßgabe von § 10 I StrRehaG anhand der Ausführungsbestimmungen der Bodenreformverordnung, der zeitgenössischen Rechtspraxis einschließlich der Rechtsprechung des Obersten Gerichts der DDR (OG), dem damaligen sozialistischen Strafrechtsverständnis und der für die Entnazifizierung geltenden Systematik nach Maßgabe des SMAD-Befehls Nr. 201 und der dazu erlassenen Ausführungsbestimmungen im Wege des Freibeweises zu ermitteln sind. Diese Pflicht zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhalts der Verfolgung hat die Kammer schwerwiegend verletzt, weil insofern sämtliche entscheidungserheblichen Feststellungen fehlen. Ausweislich der Entscheidungsgründe setzt die mit der damaligen Verfolgungspraxis der Bodenreform offenbar nicht vertraute Kammer vielmehr subjektives, durch nichts begründetes Verständnis an die Stelle der nach § 10 I StrRehaG zu ermittelnden Rechtstatsachen und ersetzt diese durch ergebnisorientierte Gesinnungsrechtsprechung und pflichtwidrige Arbeitsverweigerung.

Wäre die Kammer ihrer Ermittlungspflicht nachgekommen, hätte sie feststellen müssen, dass ihre laienhafte Vorstellung von Inhalt und Zweckrichtung mit den maßgeblichen Rechtstatsachen der Verfolgung unvereinbar ist. Tatsächlich ist gegen den Betroffenen nach dem in der SBZ geltenden sozialistischen Rechtsverständnis der spezifisch strafrechtliche Vorwurf erhoben worden, er sei als Junker und Großgrundbesitzer Mitglied der Bande der Reaktion und des Faschismus und sei deshalb Hauptquelle der Aggression und der Eroberungskriege gewesen. Die gegenteilige Behauptung der Kammer, die allein die Grundstücksgröße als Inhalt der gesetzlichen Regelung in der Bodenreformverordnung gelten lässt und die spezifisch strafrechtlichen, im Normtext der Bodenreformverordnung ausdrücklich enthaltenen Vorwürfe als lediglich politische und daher als vermeintlich unbeachtliche Ausführungen abtut, verkennt bereits, dass nicht nur die Hofgröße, sondern auch der Vorwurf gesetzlich vorgegeben war. Deshalb kann er nicht nur politisch-plakativ relevant gewesen sein, sondern war rechtlich maßgeblich. Sofern die Kammer etwas Gegenteiliges in den Raum stellt, hätte sie dies anhand konkreter Rechtstatsachen und der Feststellungen, die bereits das BVerfG in der sog. KPD-Verbotsentscheidung (BVerfGE 5, 85, 147, 161ff., 207ff.) getroffen hat, belegen müssen. Dafür ist freilich nichts ersichtlich.

Ein solcher Nachweis ist vielmehr schon deshalb nicht möglich, weil die Annahme der Kammer dem grundsätzlichen Anliegen des seinerzeit maßgeblichen sozialistischen Strafrechts widerspräche. Es diente gerade nicht oder jedenfalls nicht primär der Durchsetzung eines konkreten individuellen oder öffentlichen Rechtsgüterschutzes. Vielmehr bezweckte es, rücksichtslos den von den Forderungen der Arbeiterklasse und der an ihrer Seite kämpfenden Partei diktierten unerbittlichen Klassenkampf gegen den Klassenfeind durchzusetzen. Klassenfeinde waren nach sozialistischem Verständnis per se die Junker, Feudalherren und Großgrundbesitzer, die aufgrund des ideologischen Versatzstücks des kommunistischen Antifaschismus stets auch Nazifaschisten waren. Der mit der Bodenreform verfolgte Zweck war deshalb primär darauf gerichtet, den Klassenfeind für sein reaktionäres, faschistisches und aggressives Verhalten zur Verantwortung zu ziehen. Dazu mussten keine einzelnen Taten angegeben werden. Der individuelle Vorwurf richtete sich bereits darauf, dass der Betroffene Junker oder Großgrundbesitzer war, die dem sozialistischen Strafrecht per se als kriminelle Bande galten. Dass allein der Vorwurf, Mitglied einer kriminellen Bande zu sein, auf ein sozialethisch verwerfliches Verhalten gerichtet und daher spezifisch strafrechtlicher Natur ist, belegen etwa bereits die bundesdeutschen Straftatbestände des § 129 StGB (Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung) und des § 129a StGB (Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung).

Dass Grund der Verfolgung nicht die Hofgröße, sondern ein individueller Schuldvorwurf war, ergibt sich auch aus dem Umstand, dass Ausführungsbestimmungen zur Bodenreformverordnung dem Betroffenen die Möglichkeit eröffneten nachzuweisen, ein aktiver Antifaschist gewesen zu sein. In diesem Fall galt er nicht als Reaktionär, Aggressor und Faschist. Die in den Bodenreformen gesetzlich vermuteten Vorwürfe wurden also – gleichsam aufgrund einer Umkehr der Beweislast – nicht mehr mit der Folge erhoben, dass er einen Resthof behalten durfte und nicht mit seiner Familien vertrieben wurde. Dass auch diese Bestimmung zum Nachteil der Betroffenen in schwerwiegender Weise missbraucht worden ist, ändert nichts daran, dass nach den gesetzlichen Bestimmungen ein individueller Vorwurf erforderlich war, um die Verfolgung nach Maßgabe der Bodenreformverordnung durchzuführen.

Die Bestimmung der Hofgröße selbst diente angesichts dieser Zweckrichtung der Bodenreformverordnung lediglich der Bestimmung der Personen, deren Strafbarkeit als Reaktionäre, Aggressoren und Faschisten gesetzlich vermutet wurde und die lediglich die Möglichkeit haben sollten, sich durch den Gegenbeweis ihrer Schuld zu exkulpieren. Dies folgt zwingend auch aus dem Umstand, dass eine Verfolgung von Landwirten mit einer Hofgröße unter 100 ha nur dann stattfinden durfte, wenn ihnen – nach den Straftatbeständen in den Ausführungsbestimmungen zur Bodenreformverordnung – Handlungen oder Verhaltensweisen nachgewiesen werden konnten, die sie als Nazi- und Kriegsverbrecher auswies.

Nach dem damaligen Rechtsverständnis in der SBZ ergab sich die Legitimation zur Bodenreform im übrigen aus den Vereinbarungen des Potsdamer Abkommens. Danach waren Zugriffe auf Vermögenswerte von Zivilpersonen nur zum Zweck der Demilitarisierung, der Dekonzentration von Konzernen und der Bestrafung von Kriegs- und Naziverbrechern zugelassen. Auch daraus ergibt sich, dass die damaligen Machthaber die Verfolgung durch die sog. Bodenreform als spezifisch strafrechtlich aufgefasst haben, weil sie nur aufgrund einer Bestrafung auf das Potsdamer Abkommen gestützt werden konnte.

Die sog. Bodenreform war im übrigen ein wesentlicher Teil der in der SBZ durchgeführten Entnazifizierung. Diese ist dort nach grundsätzlich anderen rechtlichen Vorgaben durchgeführt worden als in den westlichen Besatzungszonen. 1945 ist dazu zwar noch kein besonderes Verfahrensrecht erlassen worden. Grund dafür war u.a. der Umstand, dass die sowjetische Besatzungsmacht erst mit dem SMAD-Befehl Nr. 201 die grundsätzliche Zuständigkeit zur Entnazifizierung an deutsche Organe delegiert hatte und sie zuvor nach Maßgabe des KRG Nr. 10 noch durch eigene Organe wahrgenommen hatte, soweit sie nicht bereits für bestimmte Sanktionen – insbesondere für Vermögenseinziehungen – ausnahmsweise an deutsche Kommissionen übertragen war.

Dennoch legitimiert der SMAD-Befehl Nr. 201 noch nachträglich die Verfahrensweise bei der Bodenreform als Entnazifizierungsmaßnahme und bezieht sie ausdrücklich in das durch den Befehl geschaffene Rechtssystem der Entnazifizierung ein. Dies ergibt sich zum einen aus der Präambel des Befehls und zum anderen aus Ziff. 5 SMAD-Befehl Nr. 201 und Ziff. 20 Ausführungsbestimmung Nr. 3 zum SMAD-Befehl Nr. 201, wonach die Landesregierungen, welche auch die Entscheidungen der Bodenreform abschließend genehmigt haben, den justitiellen Straforganen der Entnazifizierung (sog. SMAD-Befehl Nr. 201-Gerichte) ausdrücklich gleichgestellt wurden.

Innerhalb des Systems des SMAD-Befehls Nr. 201 besteht kein Zweifel, dass die Bodenreformverfolgungen als spezifisch strafrechtlich bestimmt wurden. Der Befehl hat zwei unterschiedliche Entnazifizierungsverfahren etabliert: Zum einen ein verwaltungsrechtliches, in dem ausschließlich Maßnahmen der politischen Säuberung nach Maßgabe der KRD Nr. 24 verhängt werden konnten, und ein spezifisch strafrechtliches, in dem die in der KRD Nr. 38 vorgesehenen Sanktionen ausgesprochen wurden. Insbesondere die Vermögenseinziehung war den verwaltungsrechtlichen Entnazifizierungskommissionen ausdrücklich untersagt. Sie war ausschließlich den Strafverfolgungsorganen (SMAD-Befehl Nr. 201 Gerichte und diesen gleichgestellte Verwaltungsorgane) vorbehalten (Ziff. 5 SMAD-Befehl Nr. 201, Ziff. 20 Ausführungsbestimmung Nr. 3 zum SMAD-Befehl Nr. 201). Daher war die individuell verhängte Sanktion der Vermögenseinziehung immer spezifisch strafrechtlicher Natur. Gleiches gilt für die damit unmittelbar zusammenhängende Sanktion der Vertreibungs- und Deportationsentscheidung.

Und schließlich: Auch die Rechtsprechung des OG hat keinen Zweifel daran gelassen, dass die Maßnahmen der sog. Bodenreform nach seinerzeit geltendem Rechtsverständnis ausschließlich spezifisches Strafrecht darstellten.

Mit all diesen Umständen, die als Rechtstatsachen etwa im Landeshauptarchiv Schwerin ermittelt werden können, haben sich die Richter der Rehabilitierungskammer des LG Schwerin nicht im Ansatz befasst. Vielmehr haben sie gemeint, anstatt einer Aufklärung der tatsächlichen Verfolgungszusammenhänge ihr subjektives, aus dem Zusammenhang gerissenes Verständnis setzen zu können. Mit geltendem Recht ist ein solches Vorgehen unvereinbar.

BVerwG, Urteil vom 23. Oktober 2001 –3 C 39.00

Das Urteil betrifft den verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsantrag zu einer auf das Baulandgesetz der DDR gestützten, 1987 erfolgten Enteignung eines Grundstücks, das vormals im Eigentum einer offenen Handelsgesellschaft (OHG) stand. Das VG Berlin hatte die Klage abgewiesen, weil die Enteignung weder eine politische Verfolgung noch einen Willkürakt im Einzelfall dargestellt habe und daher die gesetzlichen Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 S. 1 VwRehaG nicht erfüllt habe.

Wortlaut der Entscheidung

Verantwortliche Richter: 

Prof. Dr. Hans-Joachim Driehaus, Vorsitzender Richter am BVerwG
Dr. Hermann Borgs-Maciejewski, Richter am BVerwG
Peter Kimmel,  Richter am BVerwG
Dr. Bernd Brunn, Richter am BVerwG
Hans Jürgen van Schewick, Richter am BVerwG

Anlaß und maßgeblicher Inhalt der Entscheidung: 

Das Urteil betrifft den verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsantrag zu einer auf das Baulandgesetz der DDR gestützten, 1987 erfolgten Enteignung eines Grundstücks, das vormals im Eigentum einer offenen Handelsgesellschaft (OHG) stand. Das VG Berlin hatte die Klage abgewiesen, weil die Enteignung weder eine politische Verfolgung noch einen Willkürakt im Einzelfall dargestellt habe und daher die gesetzlichen Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 S. 1 VwRehaG nicht erfüllt habe.

Das BVerwG geht dagegen zunächst nicht auf die Frage ein, ob die Enteignung eine von § 1 Abs. 1 S. 1 VwRehaG erfaßte Verfolgungs- oder Willkürmaßnahme dargestellt hat. Vielmehr stützt es die Zurückweisung der Revision darauf, daß das Verwaltungsrechtliche Rehabilitierungsgesetz nach § 1 Abs. 1 S. 2 VwRehaG nicht auf Maßnahmen anwendbar sei, die in den Anwendungsbereich des Vermögensgesetzes fallen.

Dazu hat der 3. Senat dargelegt, nach der Rechtsprechung des BVerwG (BVerwGE 99, 82, 85) setzten Ansprüche nach dem Vermögensgesetz Maßnahmen voraus, die zielgerichtet den Verlust des zurückgeforderten Vermögenswertes bezweckt haben. Demgegenüber zielten die in § 1 VwRehaG vorausgesetzten Unrechtsmaßnahmen auf andere Zwecke ab und seien durch grob rechtsstaatswidrige Eingriffe in die Persönlichkeitssphäre des Geschädigten gekennzeichnet (BVerwGE 102, 89, 93). Solche Eingriffe führten zwar nicht selten auch zu Vermögensentziehungen. Sie stellten aber gleichsam nur die Nebenfolge des primär bezweckten Zugriffs auf die Persönlichkeitssphäre des Betroffenen dar (BVerwGE 106, 210).

Demgemäß habe die Rechtsprechung des BVerwG Ansprüche nach dem Vermögensgesetz verneint, wenn sich die inkriminierte Maßnahme nicht als zielgerichteter Zugriff auf den Vermögenswert, sondern als primär personenbezogener Unrechtsakt erwiesen habe (BVerwGE 102, 89, 90). Entsprechendes müsse aber auch für den umgekehrten Fall gelten: Maßnahmen, deren vorrangiger Zweck das Ansichbringen eines Vermögenswertes gewesen sei, unterfielen allein dem Vermögensgesetz und schlössen die Anwendung des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes aus. Dies gelte selbst dann, wenn der auf das Vermögensgesetz gestützte Anspruch aus anderen Gründen nicht zum Erfolg führe, etwa wegen Verneinung unlauterer Machenschaften i.S.v. § 1 Abs. 3 VermG.

Da es bei der Enteignung auch an einem finalen Element fehle, eine Benachteiligung des Betroffenen herbeizuführen, sei auch das Merkmal „Willkürakte im Einzelfall“ i.S.v. § 1 Abs. 2 VwRehaG nicht erfüllt, das die Tendenz und Absicht voraussetze, den Adressaten bewusst zu benachteiligen.

Warum die Entscheidung unvertretbar ist: 

Das Urteil ist bereits mit Ausführungen begründet, die sich anläßlich dieses Falles gar nicht gestellt haben. Der Senat geht davon aus, daß die Enteignung nicht darauf gerichtet war, den Adressaten zu benachteiligen. Damit ist der Kläger durch sie weder politisch verfolgt noch durch einen Willkürakt i.S.v. § 1 Abs. 2 VwRehaG im Einzelfall geschädigt worden. Deshalb ist schon der in § 1 Abs. 1 S. 1 VwRehaG geregelte Anwendungsbereich des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes nicht betroffen. Die durch das Gericht entschiedene Frage, ob dieser nach § 1 Abs. 1 S. 2 VwRehaG wegen eines Vorrangs des Vermögensgesetzes ausgeschlossen ist, hat sich daher von vornherein gar nicht mehr gestellt.

Wesentlich gravierender jedoch ist die Fehlleistung, daß der Senat der Bestimmung des § 1 Abs. 1 S. 2 VwRehaG einen Inhalt zuschreibt, der ihm nach den gesetzlichen Regelungen offenkundig nicht zukommt. Der Senat stellt dazu die Behauptung auf, das Vermögensgesetz sei stets anzuwenden, wenn die Machthaber in er DDR den Zugriff auf Vermögenswerte bezweckt hätten. Nur dann, wenn ein solcher Zweck nicht feststellbar sei und ein nur die Persönlichkeitssphäre benachteiligender Unrechtsakt allein die an sich nicht intendierte Nebenfolge einer Vermögensschädigung herbeigeführt habe, soll das Verwaltungsrechtliche Rehabilitierungsgesetz eingreifen. Dies soll selbst dann gelten, wenn ein bezweckter Vermögenszugriff weitere gesetzliche Voraussetzungen nicht erfüllt.

Es mag zwar durchaus zutreffend sein, daß die Anwendung des Vermögensgesetzes eine Vermögensschädigung voraussetzt, mit der die Machthaber in der DDR den Zugriff auf Vermögenswerte bezweckt haben. Ob daraus aber auch, wie der Senat meint, folgt, daß das Vermögensgesetz immer anwendbar ist, wenn in SBZ und DDR mit der vermögensrechtlichen Schädigungsmaßnahme ein solcher Zweck verfolgt ist, kann jedoch nicht einfach behauptet werden. Vielmehr sind dazu die gesetzlichen Vorgaben für die Bestimmung des Geltungsbereichs des Vermögensgesetzes heranzuziehen und anzuwenden. Dies aber hat er Senat vollständig unterlassen. Statt dessen behauptet er den vollständigen Ausschluß des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes für sämtliche Fälle, in denen das SED-Regime den Zugriff auf Vermögenswerte bezweckt hat und zwar selbst dann, wenn das Vermögensgesetz auf den Fall gar nicht anwendbar ist, weil andere Tatbestandselemente in § 1 Abs. 1 bis 5 VermG nicht vorliegen. Dabei beruht die vom 3. Senat des BVerwG angenommene Abgrenzung von Vermögensgesetz und Verwaltungsrechtlichem Rehabilitierungsgesetz ausschließlich auf der Grundlage von Einzelfallentscheidungen des BVerwG, nicht aber auf der Auslegung der maßgeblichen gesetzlichen Vorgaben. Sie setzt deren Aussage, das Vermögensgesetz verlange, daß der Vermögenszugriff seinerzeit bezweckt war, in der Weise absolut, dieser Zweck bedinge stets die Anwendung des Vermögensgesetzes. Außerdem schließe er die Anwendung des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes selbst dann aus, wenn das Vermögensgesetz trotz des bezweckten Vermögenszugriffs nicht anwendbar ist, weil andere Tatbestandselemente von § 1 Abs. 1 bis 5 VermG nicht erfüllt sind.

Diese Argumentation ist schon deshalb unvertretbar, weil sich aus den in Bezug genommenen Entscheidungen des BVerwG nur ergibt, daß die Anwendbarkeit des Vermögensgesetzes in den entschiedenen Fällen jeweils einen bezweckten Vermögenszugriff voraussetzten, nicht aber, daß ein solcher Zweck allein die Anwendbarkeit des Vermögensgesetzes und die Anwendbarkeit des Verwaltungsrechtlichen Vermögenszugriffs per se ausschließe. Dies gilt erst recht für die Annahme, der Zweck des Zugriffs auf Vermögenswerte schließe selbst dann die Anwendbarkeit des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes aus, wenn das Vermögensgesetz trotz der bezweckten Vermögensschädigung nicht anwendbar ist. Zu dieser Konstellation haben sich die zitierten Entscheidungen des BVerwG nicht geäußert. Insofern beruht die Argumentation des 3. Senats auf einem Trugschluß und stellt schon deshalb einen Verstoß gegen die Denkgesetze dar.

Noch schwerer wiegt, daß der Senat die maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften nicht berücksichtigt und in offenem Widerspruch dazu entschieden hat. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut von § 1 Abs. 1 Buchst. a VermG und § 1 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 VwRehaG. Danach gilt das Vermögensgesetz nur für Enteignungen, das Verwaltungsrechtliche Rehabilitierungsgesetz dagegen für Zugriffe auf Vermögenswerte, die „der politischen Verfolgung gedient oder Willkürakte im Einzelfall dargestellt haben“. Dabei meint der Begriff der Enteignung schon nach seinem Wortsinn nur den bloßen Entzug des Eigentums durch den Staat, erfaßt aber nicht auch die Vermögensschädigung, die auf einer politischen Verfolgung beruht. Sie wird nicht als Enteignung, sondern als Vermögensentziehung oder strafrechtliche Vermögenseinziehung bezeichnet. Schon der Wortlaut der genannten Bestimmungen spricht deshalb dafür, das Vermögensgesetz nur den Vermögensentzug, der nicht verfolgungsbedingt erfolgt ist, regelt, während das Verwaltungsrechtliche Rehabilitierungsgesetz Vermögenszugriffe erfaßt, die Folge einer politischen Verfolgung waren. Für die Annahme des 3. Senats des BVerwG, das Vermögensgesetz gelte auch für verfolgungsbedingte Vermögenszugriffe, wenn die DDR damit zugleich auf das Vermögen abgezielt habe, während das Verwaltungsgerichtliche Rehabilitierungsgesetz nur dann anwendbar sein soll, wenn der Vermögensverlust lediglich die (unbeabsichtigte) Folge einer gegen die Persönlichkeitssphäre gerichteten Verfolgungsmaßnahme war, geben die Gesetzestexte von § 1 Abs. 1 Buchst. a VermG und § 1 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 VwRehaG nichts her.

Hinzu kommt, daß § 1 Abs. 1 und 5 StrRehaG auch die Rehabilitierung von strafrechtlichen Vermögenseinziehungen und Geldstrafen vorsieht. Mit der Verhängung dieser Strafen zielte die DDR immer auch auf den Vermögensverlust des strafrechtlich politisch Verfolgten ab. Häufig sind Wirtschaftsstraf- und strafrechtliche Entnazifizierungsverfahren sogar ausschließlich deshalb durchgeführt worden, um sich des Vermögens des verfolgten Unternehmensinhabers zu bemächtigen. Dennoch enthält das Strafrechtliche Rehabilitierungsgesetz keinen Anwendungsausschluß für vermögensschädigende Strafverfolgungsmaßnahmen. Wenn aber auf vermögensschädigende Verfolgungsakte auch das Vermögensgesetz anwendbar sein sollte, könnte ein Betroffener für vermögensschädigende Verfolgungsakte sowohl Rehabilitierungsansprüche als auch vermögensrechtliche Ansprüche geltend machen. Insofern wäre er etwa in der Lage, nach der strafrechtlichen Rehabilitierung als Folgeanspruch die Rückgabe des Vermögenswertes und im parallel verlaufenden vermögensrechtlichen Verfahren zusätzlich eine Entschädigung für den Vermögensverlust zu verlangen. Dies ist schon mit dem im Wiedergutmachungsrecht verfolgten Grundsatz der unzulässigen doppelten Wiedergutmachung nicht vereinbar.

Unvertretbar ist die Entscheidung des 3. Senats des BVerwG schließlich deshalb, weil der Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 S. 3 VwRehaG leer läuft, wenn der Geltungsbereich des Vermögensgesetzes grundsätzlich auch auf verfolgungsbedingte Vermögensverluste ausgedehnt wird. Die DDR hat den Vermögenszugriff nämlich stets auch dann bezweckt, wenn sie eine Person politisch verfolgt hat. Insofern stellte der Zugriff auf die Persönlichkeitssphäre auch einen politischen Mißbrauch dar, um Vermögenswerte in Volkseigentum zu überführen. Die einzige Ausnahme bilden Vermögensverluste, die als Folge der Zwangsaussiedlung an der innerdeutschen Demarkationslinie vorgenommen worden sind. Diese Fälle aber sind speziell in § 1 Abs. 3 VwRehaG geregelt.

Die rechtlich nicht vertretbare Abgrenzung von Vermögensgesetz und Verwaltungsrechtlichem Rehabilitierungsgesetz, die das BVerwG in dieser Entscheidung eigentlich gar nicht hätte vornehmen müssen, weil die Enteignung auf der Grundlage des Baulandgesetzes weder eine politische Verfolgungsmaßnahme noch einen Willkürakt im Einzelfall darstellte, ist aber offenbar hier deshalb schon erfolgt, um sie bei späteren Entscheidungen zur Boden- und Industriereform darauf zurückgreifen und als bereits entschieden hinstellen zu können.