BVerwG, Beschluß vom 11. April 2002 –3 B 16.01

Der Beschluß ist in einem Verfahren über die Zulassung der Revision ergangen, dessen Ausgangsverfahren die Vermögensschädigung eines gräflichen Gutes mit einer Größe von über 100 ha im Rahmen der Bodenreform zum Gegenstand hatte. Der 3. Senat des BVerwG hat die Beschwerde für unbegründet erachtet, weil kein Zulassungsgrund i.S.v. § 132 Abs. 2 VwGO gegeben sei. Dazu legt er insbesondere dar, daß die in der Beschwerde vor allem aufgeworfene Frage, ob Bodenreformmaßnahmen verwaltungsrechtlich zu rehabilitieren seien, bereits hinreichend geklärt sei. Deshalb seien in der Revision keine Grundsatzfragen mehr klärungsbedürftig. Dies ist angesichts des kurz zuvor ergangenen Urteils des 3. Senats des BVerwG vom 21. Februar 2002 – 3 C 16.01 –, das allerdings zu einer auf den SMAD-Befehl Nr. 124 gestützten Enteignung ergangen war, wahrscheinlich vertretbar. Unvertretbar sind aber die weiteren – für das Ergebnis der Entscheidung über die Zulassungsbeschwerde allerdings nicht erheblichen – Ausführungen, mit denen der Senat begründet, weshalb für auf einer politischen Verfolgung beruhende Vermögensschädigungen eine verwaltungsrechtliche Rehabilitierung ausgeschlossen sei.

Wortlaut der Entscheidung

Verantwortliche Richter: 

Prof. Dr. Hans-Joachim Driehaus, Vorsitzender Richter am BVerwG
Dr. Hermann Borgs-Maciejewski, Richter am BVerwG
Peter Kimmel, Richter am BVerwG

Anlaß und maßgeblicher Inhalt der Entscheidung: 

Der Beschluß ist in einem Verfahren über die Zulassung der Revision ergangen, dessen Ausgangsverfahren die Vermögensschädigung eines gräflichen Gutes mit einer Größe von über 100 ha im Rahmen der Bodenreform zum Gegenstand hatte. Der 3. Senat des BVerwG hat die Beschwerde für unbegründet erachtet, weil kein Zulassungsgrund i.S.v. § 132 Abs. 2 VwGO gegeben sei. Dazu legt er insbesondere dar, daß die in der Beschwerde vor allem aufgeworfene Frage, ob Bodenreformmaßnahmen verwaltungsrechtlich zu rehabilitieren seien, bereits hinreichend geklärt sei. Deshalb seien in der Revision keine Grundsatzfragen mehr klärungsbedürftig. Dies ist angesichts des kurz zuvor ergangenen Urteils des 3. Senats des BVerwG vom 21. Februar 2002 – 3 C 16.01 –, das allerdings zu einer auf den SMAD-Befehl Nr. 124 gestützten Enteignung ergangen war, wahrscheinlich vertretbar. Unvertretbar sind aber die weiteren – für das Ergebnis der Entscheidung über die Zulassungsbeschwerde allerdings nicht erheblichen – Ausführungen, mit denen der Senat begründet, weshalb für auf einer politischen Verfolgung beruhende Vermögensschädigungen eine verwaltungsrechtliche Rehabilitierung ausgeschlossen sei.

Zur Begründung seiner Ansicht, eine verwaltungsrechtliche Rehabilitierung sei für vermögensschädigende Maßnahmen der politischen Verfolgung ausgeschlossen, beruft sich der Senat zunächst auf sein zu § 1 Abs. 1 S. 2 VwRehaG ergangenes Urteil vom 23. August 2001 – 3 C 39.00 –. Danach werde ein zielgerichteter Zugriff auf Vermögenswerte, der nicht lediglich eine Nebenfolge einer als grob rechtsstaatswidriger Eingriff in die Persönlichkeitssphäre zu beurteilende hoheitliche Maßnahme der DDR war, vom Vermögensgesetz erfaßt und demzufolge nach § 1 Abs. 1 S. 2 VwRehaG aus dem Geltungsbereich des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes ausgeschlossen. Bereits diese im Urteil vom 23. August 2001 vorgenommene Abgrenzung zwischen Recht der offenen Vermögensfragen und verwaltungsrechtlichem Rehabilitierungsrecht ist allerdings mit geltendem Recht unvereinbar (siehe dazu die Besprechung des Urteils des BVerwG vom 23. August 2001 – 3 C 39.00 –). Schon weil die Bestimmung der Reichweite des auf die Fallgruppen des § 1 Abs. 8 VermG verweisenden Ausschlußtatbestandes diese Abgrenzung vollkommen übernimmt, ist auch seine Auslegung durch den Senat erkennbar rechtswidrig.

Auch die weiteren Ausführungen des 3. Senats zum Regelungsgehalt von § 1 Abs. 1 S. 3 VwRehaG stehen in offenkundigem Widerspruch zu gesetzlichen Vorschriften. Dies gilt zunächst für die Aussage, die Vorschrift bringe zum Ausdruck, daß Enteignungen auf besatzungsrechtlicher und besatzungshoheitlicher Grundlage „unter keinen Umständen rückgängig zu machen sind, gleichgültig, welchem der hier in Rede stehenden Gesetze sie ohne diese Ausschlussklausel unterfallen würde.“ Diese Aussage ist unvereinbar mit der Regelung des § 5 Abs. 1 AusglLeistG. Danach gilt für bewegliche Vermögenswerte, die auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage ergangen sind, der Rückgabegrundsatz. Unvereinbar ist die Aussage auch mit den Regelungen des § 6 Abs. 5 AusglLeistG. Danach haben Opfer der Bodenreform die Möglichkeit, bestimmte Flächen zurück zu erwerben, was Flächen, die 1945 geschädigt worden sind, einschließt. Im übrigen verweist § 1 Abs. 1 S. 3 VwRehaG nicht nur auf die Fallgruppe der in § 1 Abs. 8 Buchst. a, 1. Halbs. VermG in Bezug genommenen Enteignungen auf besatzungsrechtlicher und besatzungshoheitlicher Grundlage. Vielmehr gilt die Ausschlußregelung auch für die von § 1 Abs. 8 Buchst. d VermG erfaßten Gebietskörperschaften. Deshalb müßte auch für sie die Aussage des 3. Senats zutreffend sein. Tatsächlich stehen ihnen aber nach Maßgabe von § 11 Abs. 1 VZOG Rückübertragungsansprüche zu. Der Sache nach steht damit die Angabe des Senats, mit § 1 Abs. 8 VermG solle sichergestellt werden, daß die dort genannten Vermögensschädigungen nicht mehr rückgängig gemacht werden sollen, womit gemeint ist, daß sie keine Rückgabeansprüche mehr auslösen dürfen. Diese Aussage steht gleich in evidentem Widerspruch zu mehreren gesetzlichen Regelungen, die eine Rückgabe von in § 1 Abs. 8 VerrmG erfaßten Vermögenswerten vorsehen.

Soweit sich der Senat dann auf die Gesetzesmaterialien zum Entwurf von § 1 Abs. 1 S. 3 VwRehaG (Begründung der Bundesregierung zum Entwurf des Zweiten SED-Unrechtsbereinigungsgesetzes, BT-Drucks. 12/4994, S. 23) bezieht, stellt seine Argumentation einen logischen Trugschluß, also einen Denkfehler, dar. In der Begründung heißt es zwar, daß mit den Ausschlußklauseln des § 1 Abs. 8 Buchst., 1. Halbs. VermG, § 1 Abs. 1 S. 3 VwRehaG „im wesentlichen zwei große Enteignungsaktionen aus dem Anwendungsbereich des Vermögensgesetzes und der verwaltungsrechtlichen Rehabilitierung ausgeschlossen werden: Die entschädigungslosen Enteignungen im Bereich der Industrie zugunsten der Länder der ehemaligen SBZ bzw. im Rahmen der sogenannten ,demokratischen Bodenreform‘.“ Beide Aktionen haben aber nicht nur aus Enteignungen, sondern auch aus straf- und verwaltungsrechtlichen Verfolgungsmaßnahmen bestanden, mit denen Vermögenswerte eingezogen wurden. Daß diese nicht vom Begriff der „Enteignung“ umfaßt sind, ergibt sich bereits aus Nr. 9 der Gemeinsamen Erklärung vom 15. Juni 1990 (GE) und Art. 17 des Einigungsvertrages (EV), wonach sich die DDR ohne Einschränkungen zur strafrechtlichen Rehabilitierung von strafrechtlichen Vermögenseinziehungen verpflichtet hat. Dementsprechend sieht § 1 Abs. 1 und 5 StrRehaG auch die strafrechtliche Rehabilitierung von wesentlich rechtsstaatswidrigen strafrechtlichen Vermögenseinziehungen vor, die sich im Zeitraum vom 8. Mai 1945 bis zum 2. Oktober 1990 ereignet haben. Damit können strafrechtliche Vermögenseinziehungen nicht zugleich Enteignungen sein. Entsprechendes ergibt sich für verfolgungsbedingte verwaltungsrechtliche Vermögensentziehungen, weil sie nach dem Inhalt der Denkschrift zu Art. 17 EV (BT-Drucks. 11/7760, S. 363) ebenso wie strafrechtliche Verfolgungsakte rehabilitiert werden sollen. Deshalb gilt auch das Verwaltungsrechtliche Rehabilitierungsgesetz für im Zeitraum vom 8. Mai 1945 bis zum 2. Oktober 1990 verübte, wesentlich rechtsstaatswidrige verwaltungsrechtliche Verfolgungsfälle. Dennoch unterstellt der 3. Senat des BVerwG bei seiner Argumentation, daß auch verfolgungsbedingte Vermögensschädigungen vom Begriff der Enteignung umfaßt werden sollten. Deshalb gründet diese Argumentation auf der unrichtigen Annahme, als Enteignungen seien auch auf einer politischen Verfolgung beruhende Vermögensverluste zu verstehen. Damit ist auch die gezogene Schlußfolgerung, die Begründung der Bundesregierung zum Zweiten Unrechtsbereinigungsgesetz bestätige den Ausschluß auch von verfolgungsbedingten Vermögensentziehungen, unrichtig. Soweit der Senat darlegt, die Klarstellung in § 1 Abs. 8 Buchst. a, 2. Halbs. VermG, wonach die Ausschlußregelung des § 1 Abs. 8 Buchst. a, 1. Halbs. VermG in den von § 1 Abs. 7 VwRehaG erfaßten Fällen unberührt bleibt, setze zunächst die Aufhebung der vermögensschädigenden Verfolgungsmaßnahme voraus, ist dies zwar richtig. Wenn er dann aber darlegt, eine solche Aufhebung scheitere an der Ausschlußregelung des § 1 Abs. 1 S. 3 VwRehaG, ist diese Aussage jedenfalls deshalb nicht vertretbar, weil die Unberührtheitsklausel des § 1 Abs. 8 Buchst. a, 2. Halbs. VermG dann vollständig leerläuft, soweit sie auch Fälle des § 1 Abs. 7 VermG erfaßt. In der SBZ haben verfolgungsbedingte Vermögensschädigungen nämlich ausnahmslos den Vermögensverlust bezweckt. § 1 Abs. 1 S. 3 VwRehaG schließt dann stets die verwaltungsrechtliche Rehabilitierung aus, wenn auch solche Vermögenszugriffe unter das Vermögensgesetz fallen, wie der 3. Senat des BVerwG meint. Entsprechendes gilt für die Unberührtheitsklauseln in § 1 Abs. 1 S. 2 und Abs. 1a S. 2 AusglLeistG. Auch wegen dieses Leerlaufs ist es unvertretbar, Vermögensverluste, die infolge einer politischen Verfolgung eingetreten, als vom Vermögensgesetz erfaßte Enteignu

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