Wortlaut der Entscheidung
Verantwortliche Richter:
Prof. Dr. Siegfried Broß, Richter des BVerfG
Prof. Dr. Dr. Udo di Fabio, °Richter des BVerfG
Herbert Landau, Richter des BVerfG
Anlaß und maßgeblicher Inhalt der Entscheidung:
Dem Beschluß liegen diverse Verfassungsbeschwerden von Personen zugrunde, die Betroffene der sog. Boden- oder der sog. Industriereform oder deren Rechtsnachfolger waren. Sie hatten vergeblich um eine straf- oder verwaltungsrechtliche Rehabilitierung wegen der durchgeführten Verfolgungsakte nachgesucht. Mit den Verfassungsbeschwerden rügen sie, der Gesetzgeber habe es unter Verstoß gegen geltendes Verfassungs- und Völkerrecht unterlassen, ihnen einen durchsetzbaren Rehabilitierungsanspruch einzuräumen. Im Wege der Verfassungsbeschwerde haben sie das Ziel verfolgt, den Gesetzgeber zum Erlaß einer entsprechenden Gesetzgebung zu veranlassen.
Die 2. Kammer des Zweiten Senats des BVerfG hat die Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung angenommen. Eine verfassungsrechtliche Verpflichtung zu einer Rehabilitierung habe nicht bestanden, weil der Gesetzgeber für den in Rede stehenden Personenkreis bereits Ansprüche nach dem Ausgleichsleistungsgesetz erlassen habe. Dagegen seien Rehabilitierungsansprüche nach § 1 Abs. 1 Satz 3 VwRehaG i.V.m. § 1 Abs. 8 lit. a VermG ausgeschlossen. Dies sei auch verfassungskonform, weil die Sowjetunion bei den Verhandlungen über die Wiedervereinigung Deutschlands nach der maßgeblichen Einschätzung der Bundesregierung darauf bestanden habe, daß die Rechtmäßigkeit der Unrechtsakte nicht revidiert würde, was der Gesetzgeber als Rehabilitierungshindernis habe auffassen dürfen. Daß die Enteignungen zu mißbilligende Unrechtsakte gewesen seien, komme durch die Kompensation durch das Ausgleichsleistungsgesetz zum Ausdruck.
Warum die Entscheidung unvertretbar ist:
Die Entscheidung ist zwar im Ergebnis zutreffend. Unvertretbar sind aber die Rechtsausführungen der 2. Kammer des Zweiten Senats des BVerfG, mit denen die Nichtannahme der Verfassungsbeschwerden begründet wird.
Ein verfassungsrechtlicher Anspruch gegen den Bundesgesetzgeber, eine Rehabilitierungsgesetzgebung zugunsten der Betroffenen der Boden- und Industriereform zu erlassen, besteht nicht, weil er auch wegen der Fälle politischer Verfolgung während der stalinistischen Machtursupation unter sowjetischer Besatzungshoheit eine umfassende Rehabilitierungsgesetzgebung erlassen hat, die deshalb verfolgungsbedingte Akte der Boden- und Industriereform erfaßt. Soweit mit diesen Begriffen dagegen lediglich bloße Konfiskationsmaßnahmen beschrieben werden, deren Unrechtsgehalt sich darin erschöpft, daß lediglich auf Vermögenswerte zugegriffen wurde, ohne damit eine Person zu verfolgen, hat der Gesetzgeber Ansprüche nach dem Ausgleichsleistungsgesetz begründet (vgl. die Regelungen in § 1 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AusglLeistG). Daher ist für einen Anspruch auf Erlaß einer weitergehenden Gesetzgebung von vornherein kein Raum. Allein mit dieser Begründung hätten die Verfassungsbeschwerden abgelehnt werden müssen. Sie hätte auch nicht eingelegt werden dürfen, weil sie vom Gesetzgeber etwas verlangen, was dieser bereits längst geregelt hat.
Die von den Mitgliedern der 2. Kammer des Zweiten Senats des BVerfG gegebene Begründung ist aber deshalb unvertretbar, weil darin die unzutreffende Rechtsprechung des BVerwG rezipiert wird, wonach das Ausgleichsleistungsgesetz auch verfolgungsbedingte Vermögenszugriffe auf besatzungsrechtlicher und besatzungshoheitlicher Grundlage erfaßt, während Rehabilitierungsansprüche wegen Vorgaben der UdSSR gesetzlich ausgeschlossen seien, was verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei. Nach den Darlegungen der Kammer soll dies sowohl wegen verwaltungs- als auch für strafrechtlicher Verfolgungsmaßnahmen gelten.
Das Ausgleichsleistungsgesetz gilt nach § 1 Abs. 1 AusglLeistG aber lediglich für Enteignungen auf besatzungsrechtlicher und besatzungshoheitlicher Grundlage, für welche der Anwendungsbereich des § 1 Abs. 8 lit. a, 1. Halbs. VermG ausgeschlossen ist. Dabei handelt es sich ausschließlich um Unrechtsakte, deren Unrechtsgehalt sich im entschädigungslosen, diskriminierenden Vermögenszugriff erschöpft. Dagegen greift das Ausgleichsleistungsgesetz für Akte der politischen Verfolgung von vornherein nicht ein. Dies stellt bereits § 1 Abs. 8 lit. a, 2. Halbs VermG ausdrücklich klar. Danach bleiben Ansprüche nach § 1 Abs. 6 und 7 VermG von der Regelung des § 1 Abs. 8 lit. a, 1. Halbs. VermG unberührt. Deshalb bleibt das Vermögensgesetz nach § 1 Abs. 6 und Abs. 7 VermG auch dann entsprechend anwendbar, wenn die politische Verfolgung unter Herrschaft des NS-Regimes oder während der sowjetischen Besatzungshoheit den Verlust eines Vermögenswertes zur Folge hatte, der erstmals oder erneut unter sowjetischer Besatzungshoheit eingezogen wurde.
Diese Klarstellung wiederholt § 1 Abs. 1 Satz 2 AusglLeistG für das Ausgleichsleistungsgesetz. Danach greift weder die Nichtanwendungsregel des § 1 Abs. 8 lit. a, 1. Halbs. VermG ein noch ist der Anwendungsbereich des Ausgleichsleistungsgesetzes betroffen, wenn ein Fall der politischen Verfolgung vorliegt, auch wenn diese Unrechtsmaßnahme auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage erfolgt ist. Vielmehr sind vermögensrechtliche Rechtsfolgen der Verfolgungsakte in entsprechender Anwendung von § 1 Abs. 6 und 7 VermG abzuwickeln. Dem geht bei NS-verfolgungsbedingten Vermögensschäden kein weiteres Verfahren voraus. Bei Verfolgungsmaßnahmen unter sowjetischer Besatzungshoheit muß dagegen zunächst eine straf- oder verwaltungsrechtliche Rehabilitierung beantragt werden.
Unabhängig davon ist in den Gesetzesmaterialien zum Ausgleichsleistungsgesetz ausdrücklich darauf hingewiesen worden, daß dieses Gesetz keine Beseitigung eines durch Maßnahmen der politischen Verfolgung zugefügten persönlichen Makels vorsieht (vgl. etwa: Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates zu § 7 Abs. 1 E-VwRehaG, in: Begründung der Bundesregierung zum Entwurf des Zweiten Gesetzes zur Bereinigung von SED-Unrecht, BT-Drucks. 12/4994, S. 67). Damit ist die Aussage der Kammer des BVerfG, Verfolgungsmaßnahmen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage seien von den Regelungen des Ausgleichsleistungsgesetzes erfaßt, mit geltendem Recht nicht vereinbar.
Diese Rechtslage wird durch die geltenden Rehabilitierungsgesetze bestätigt. Das Strafrechtliche Rehabilitierungsgesetz gilt für sämtliche Maßnahmen der politisch motivierten Strafverfolgung „aus der Zeit vom 8. Mai 1945 bis zum 2. Oktober 1990“. Regelungen, die den Anwendungsbereich des Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes für strafrechtliche Vermögenseinziehungen oder Geldstrafen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage einschränken, enthält das Gesetz nicht. Für die Darlegung ihrer gegenteiligen Behauptung, die sich ausdrücklich auch auf das Strafrechtliche Rehabilitierungsgesetz bezieht, beruft sich die 2. Kammer des Zweiten Senats des BVerfG freilich lediglich auf § 1 Abs. 1 Satz 3 VwRehaG i.V.m. § 1 Abs. 8 lit. a VermG. Vergleichbare Vorschriften enthält das Strafrechtliche Rehabilitierungsgesetz aber nicht. Auch diese Aussage der 2. Kammer des Zweiten Senats des BVerfG stellt damit einen klaren Rechtsfehler dar, der nur als eine im Rechtsstaat nicht vertretbare Einladung des Gerichts an die Fachgerichte verstanden werden kann, geltendes Recht zu brechen.
Für verfolgungsbedingte Vermögensschädigungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage ist aber auch das Verwaltungsrechtliche Rehabilitierungsgesetz nicht ausgeschlossen. Dies gilt zunächst deshalb, weil auch dieses Gesetz nach § 1 Abs. 1 Satz 1 VwRehaG sämtliche verfolgungsbedingten Verwaltungsentscheidungen aus der Zeit vom 8. Mai 1945 bis zum 2. Oktober 1990 erfaßt. Im Gegensatz zum Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz enthält § 1 Abs. 1 Satz 3 VwRehaG zwar die Regelung, das Gesetz finde auf Verwaltungsentscheidungen für die in § 1 Abs. 8 lit. a VermG erwähnten Fallgruppen keine Anwendung. Zu diesen Fallgruppen gehören aber gerade nicht die verfolgungsbedingten Vermögensschädigungen i.S.v. § 1 Abs. 8 lit. a, 2. Halbs. VermG, für welche § 1 Abs. 6 und Abs. 7 VermG unberührt bleiben. Diese Maßnahmen werden damit bereits aus den Fallgruppen des § 1 Abs. 8 VermG ausdrücklich ausgeschlossen. Im übrigen stellen verfolgungsbedingte Vermögensschädigungen von vornherein auch keine Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage i.S. von § 1 Abs. 8 lit. a, 1. Halbs. VermG dar, weil danach lediglich Enteignungsmaßnahmen erfaßt werden, deren Unrechtsgehalt sich in der Umstrukturierung der Eigentumsordnung erschöpft und mit der keine anderen Rechtsfolgen oder anderen Maßnahmen mit anderen Rechtsfolgen rechtlich oder tatsächlich verbunden waren.
Dennoch läuft die Regelung des § 1 Abs. 1 Satz 3 VwRehaG nicht leer. Im Gegensatz zum Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz umfaßt der Anwendungsbereich des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes nämlich nicht nur Akte der politischen Verfolgung, sondern auch reine Willkürakte. Soweit willkürliche Enteignungsmaßnahmen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage erfolgt sind, werden sie von § 1 Abs. 8 lit. a, 1. Halbs. VermG erfaßt.
Im übrigen wäre es systemwidrig, wenn die Rehabilitierung von Verfolgungsakten davon abhängig wären, ob sie straf- oder verwaltungsrechtlicher Natur war. Der Grad des deshalb wiedergutzumachenden Verfolgungsunrechts hängt davon nicht ab. In der Denkschrift zum Einigungsvertrag ist deshalb auch ausdrücklich dargelegt worden, das Verwaltungsentscheidungen, die eine politische Verfolgung dargestellt haben, ebenso wie politische Strafverfolgungsmaßnahmen rehabilitiert werden sollen (vgl. BT-Drucks. 11/7760, S. 355, 363).
Ein Rehabilitierungsausschluß von Akten politischer Verfolgung mit vermögensschädigenden Rechtsfolgen wird zudem von Art. 143 Abs. GG weder gefordert noch legitimiert. Diese Bestandsgarantie erfaßt ausschließlich eigentumsschädigende Unrechtsakte i.S.v. Art. 41 des Einigungsvertrages (EV), die vorsehen, daß sie nicht mehr rückgängig gemacht werden. Art. 41 Abs. 1 EV erklärt wiederum die Gemeinsame Erklärung vom 15. Juni1990 zum Bestandteil des Einigungsvertrages. Die Gemeinsame Erklärung schließlich sieht in Ziff. 1 Satz 1 GE zwar vor, daß Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage nicht mehr rückgängig zu machen sind. Davon sind aber nicht die in Ziff. 9 GE erwähnten Vermögenseinziehungen im Zusammenhang mit rechtsstaatswidrigen Strafverfahren erfaßt. Für diese Fälle sieht zudem Art. 17 EV ausdrücklich eine Rehabilitierung vor, ohne daß es deshalb eine Einschränkung für Verfolgungsakte auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage gäbe. In der Denkschrift zum Einigungsvertrag sind dem Akte der verwaltungsrechtlichen politischen Verfolgungen ausdrücklich gleichgestellt. Daher steht außer Frage, daß Art. 143 Abs. 3 GG vermögensschädigende Akte der politischen Verfolgung auch dann nicht erfaßt, wenn sie auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage erfolgt sind.
Die Aussagen der 2. Kammer des Zweiten Senats des BVerfG zu einem gesetzlichen Rehabilitierungsausschluß von Verfolgungsakten auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage sind daher mit geltendem Recht nicht vereinbar.
Die Aussage der 2. Kammer des Zweiten Senats des BVerfG, für Akte der Boden- und Industriereform gebe es einen Rehabilitierungsausschluß, wäre deshalb nur dann unschädlich, wenn sie niemals solche der politischen Verfolgung, sondern ausschließlich Verstaatlichungsmaßnahmen gewesen sein sollten. Dies hat dieselbe Kammer in einem Beschluß vom 15. Dezember 2008 – 2 BvR 2462/07 – unter Berufung auf eine das Unrecht erkennbar nicht zutreffend aufarbeitende Arbeit von von der Beck (Die Konfiskationen in der Sowjetischen Besatzungszone von 1945 bis 1949, 1996, S. 91f.) zwar behauptet und dargelegt, es habe sich dabei um eine „nur vordergründig als politische Reinigungsaktion getarnte Verstaatlichung der Wirtschaft“ gehandelt.
Daß diese Darstellung der tatsächlich durchgeführten Verfolgung in aller Regel nicht den Tatsachen entspricht, ist dem BVerfG nicht anzulasten, da es kein Fachgericht ist und deshalb den Sachverhalt der Schädigung nicht festzustellen hat. Dies wäre, wie das BVerfG bereits im sog. Bodenreform II-Beschluß dargelegt hat, vielmehr Aufgabe der Fachgerichte, welche dieser Aufgabe bis heute freilich nicht nachgekommen sind. Daher seien hier einige maßgebliche Tatsachen der Verfolgung zunächst im Rahmen der Industriereform und im Anschluß daran der Bodenreform dargestellt, um zu belegen, daß es auf die Frage ankommt, ob die Rehabilitierungsgesetz auch für Verfolgungsmaßnahmen auf besatzungsrechtlicher und besatzungshoheitlicher Grundlagen einen Rehabilitierungsausschluß vorsieht oder nicht.
Soweit Industrielle in der SBZ als Kriegs- und Naziverbrecher beschuldigt worden sind, handelte es sich dabei immer um strafrechtliche Entnazifizierungsmaßnahmen. Sie waren auf die als Strafgesetz erlassenen, seinerzeit nicht veröffentlichten Richtlinien zum sächsischen Volksentscheid gestützt, die mit den Vereinbarungen der Alliierten im Potsdamer Abkommen zur Bestrafung der Kriegs- und Naziverbrecher gerechtfertigt wurden und ausdrücklich bestimmten, daß damit keine wirtschaftlichen Maßnahmen, sondern die Verfolgung von Naziverbrechern, aktivistischen Nazis und Kriegsinteressenten bezweckt gewesen seien. Schon deshalb stimmt es mit den tatsächlichen, bislang von keinem Rehabilitierungsgericht herangezogenen Rechtsgrundlagen nicht überein, wenn auch diesen Fällen der Industriereform eine bloße Umstrukturierung der Eigentumsordnung attestiert wird. Der ausdrückliche gesetzliche Zweck der Richtlinien war vielmehr die Verfolgung von Naziverbrechern, aktivistischen Nazis und Kriegsverbrechern.
Aufgrund der sächsischen Richtlinien zum Volksentscheid, die auch in den übrigen Ländern und Provinzen angewandt wurden, sind in jedem Einzelfall Ermittlungen zur Schuld der Betroffenen als Naziverbrecher, aktivistische Nazis oder Kriegsinteressenten erhoben worden. Darüber wurde unter schwerster Mißachtung sämtlicher strafprozessualer Garantien – noch weitreichender als in den sog. Waldheimprozessen – durch die als extralegale Repressionsorgane agierenden Landes- und Präsidialkommissionen entschieden. Diese Entscheidungen wurden vom Kabinett der Landesregierung (Gesamtministerium) bestätigt, das den justitiellen Strafverfolgungsorganen der Entnazifizierung (sog. SMAD-Befehl Nr. 201-Gerichte) nach Ziff. 5 SMAD-Befehl Nr. 201, Ziff. 20 Ausführungsbestimmung Nr. 3 zum SMAD-Befehl Nr. 201 als spezifisch strafrechtlich agierendes Repressionsorgan gleichgestellt war. In Ost-Berlin wurde die Verfolgung unmittelbar auf die KRD Nr. 38 gestützt, die nach Maßgabe des SMAD-Befehls Nr. 201 ausschließlich und unmittelbar als Strafgesetz zur Entnazifizierung anzuwenden war.
Die im übrigen erlassenen Enteignungsgesetze haben dagegen lediglich eine Rechtsfolge geregelt, die mit einem Schuldspruch auf der Grundlage der Richtlinien zum sächsischen Volksentscheid oder der KRD Nr. 38 verbunden war. Andere Rechtsfolgen ergaben sich unmittelbar aus den Richtlinien zum sächsischen Volksentscheid sowie aus einer Vielzahl anderer Gesetze. Sie traten aufgrund des Schuldspruchs kraft Gesetzes ein, ohne daß es einer weiteren Entscheidung bedurfte. Diese Rechtsfolgen waren: Einziehung des betrieblichen und des privaten Vermögens, Einziehung der Altguthaben, Aberkennung des aktiven und passiven Wahlrechts, Berufsverbot mit Ausnahme niederer körperlicher Arbeiten und öffentlicher Tadel sowie Registrierung als Kriegs- und Naziverbrecher.
Der Schuldspruch deutscher Kommissionen führte allerdings nicht unmittelbar zu einer Internierung, Freiheitsstrafe oder gar zur Verhängung der Todesstrafe. Dies gilt aber ausschließlich deshalb, weil sich diese Maßnahmen die sowjetische Besatzungsmacht nach Maßgabe des KRG Nr. 10 noch selbst vorbehalten hatte, so daß vor Erlaß des SMAD-Befehls Nr. 201 am 16. August 1947 noch keine Zuständigkeit deutscher Organe zur Verhängung solcher Strafen im Entnazifizierungsverfahren bestand. Dies heißt aber nicht, daß nach den sächsischen Richtlinien zum Volksentscheid schuldig Gesprochene wegen der ihnen deshalb zur Last gelegten Taten nicht auch inhaftiert, interniert oder mit dem Tod bestraft worden wären. Vielmehr führte der Schuldspruch automatisch zu einer Meldung an die zuständigen sowjetischen Organe, die dann ihrerseits eine Verhaftung vornahmen oder durch deutsche Organe vornehmen ließen. Sofern die Betroffenen noch nicht aus dem Gebiet der SBZ geflohen waren, wurden sie dann auch verhaftet und infolge des Schuldspruchs der deutschen Kommissionen von Sowjetischen Militärtribunalen (SMT) als Nazi- und Kriegsverbrecher zu einer durchschnittlichen Freiheitsstrafe von 25 Jahren verurteilt. Sind Betroffene etwa aufgrund von Denunziationen zunächst von sowjetischen Organen inhaftiert worden, haben diese ihrerseits Meldung an die deutschen Organe gemacht, damit auch eine Verurteilung durch die deutschen Kommissionen erfolgen konnte.
Insofern gab es bis zum 16. August 1947 noch unterschiedliche Zuständigkeiten für die strafrechtliche Entnazifizierung von Industriellen, wobei den deutschen Organen nur die Sanktionen der Vermögenseinziehung, des Berufsverbots, des Entzugs der politischen Rechte, des öffentlichen Tadels und der Registrierung vorbehalten war. Freiheitsstrafen, Internierung und Todesstrafen konnten dagegen zunächst nur die SMT verhängen. Soweit diese bis zur Gründung der DDR am 7. Oktober 1949 noch nicht entschieden hatten, sind diese Verfahren von dem Sondergericht in Waldheim nach sowjetischen Vorgaben abgeschlossen worden.
Trotz der zunächst bestehenden unterschiedlichen Zuständigkeiten besteht aber kein Zweifel an einem einheitlichen Verfolgungsplan. Es ist daher sowohl unzulässig, die Sanktionen der Vermögenseinziehung von den Sanktionen des Berufsverbots und der Aberkennung der politischen Rechte (aktives und passives Wahlrecht) zu trennen und gesondert zu beurteilen, als auch die von deutschen und von sowjetischen Organen verhängten Sanktionen. Insofern stehen auch die gegen die als Nazi- und Kriegsverbrecher hoheitlich beschuldigten Industriellen verhängten Sanktionen der Annahme entgegen, diese Entnazifizierungsmaßnahmen seien eine nur vordergründig als politische Reinigungsaktion getarnte Verstaatlichung gewesen.
Die jedenfalls bis zum 16. August 1947 in Aufgabenteilung zwischen deutschen und sowjetischen Organen durchgeführte Entnazifizierung gegenüber Industriellen hat sich der Sache nach daheer überhaupt nicht von Waldheimfällen i. S. von § 1 II StrRehaG unterschieden, wie die Kammer in ihrem Beschluß vom 15. Dezember 2008 – 2 BvR 2462/07 – unterschieden. Dies gilt sowohl für das vollständige Fehlen rechtsstaatlicher Garantien als auch für die dabei verhängten Sanktionen, die gegenüber denjenigen, denen die SMT habhaft wurden, ebenfalls hohe Freiheits- und Todesstrafen zur Folge hatten. Der einzige Unterschied ist, daß die Entnazifizierung auf der Grundlage des sächsischen Volksentscheides durch deutsche Kommissionen und durch SMT in zwei unterschiedlichen, aber aufeinander bezogene Verfahren durchgeführt wurde. Dieser allein auf zunächst bestehende unterschiedliche Zuständigkeiten beruhende Unterschied ist jedoch rein formaler Natur und rechtfertigt es nicht, diese Fälle materiellrechtlich unterschiedlich zu behandeln. Das gilt erst recht, weil die Waldheimfälle, soweit von ihnen Industrielle betroffen waren, an die Stelle von SMT-Urteilen traten, die bis zum 7. Oktober 1949 von den SMT noch nicht erledigt waren.
Spezifisch strafrechtlich waren die Maßnahmen im übrigen deshalb, weil sie zu dem später durch den SMAD-Befehl Nr. 201 gesetzlich geregelten System des Entnazifizierungsrechts gehörten. Danach konnte u.a. die Sanktion der Vermögenseinziehung niemals in einem verwaltungs-, sondern nur in einem spezifisch strafrechtlichen Verfahren verhängt werden (vgl. nur Ziff. 5 SMAD-Befehl Nr. 201, Ziff. 20 Ausführungsbestimmung Nr. 3 zum SMAD-Befehl Nr. 201 i.V.m. KRD Nr. 38). Ohnehin wurden die Verfolgungsakte mit den Vereinbarungen des Potsdamer Abkommens. Danach mußte aber eine Bestrafung von Nazi- und Kriegsverbrechern erfolgen.
Zwar berufen sich die Richter der 2. Kammer des Zweiten Senats auch noch 18 Jahre seit der Herstellung der deutschen Einheit auf die davon wesentlich abweichende Sachverhaltsdarstellung im sog. Bodenreformurteil aus dem Jahre 1991. Diese stützte sich aber ausschließlich auf wesentlich unvollständige und ersichtlich aus dem Zusammenhang gerissene Angaben der Bundesregierung, mit denen das geschehene Unrecht maßgeblich verharmlost worden ist. Eigene Ermittlungen hat das BVerfG dabei nicht angestellt, sondern im Bodenreform II-Beschluß sogar ausdrücklich darauf hingewiesen, dies sei Aufgabe der Fachgerichte.
Damit steht den von diesen Maßnahmen Betroffenen nach § 1 I 1 StrRehaG ein Anspruch auf strafrechtliche Rehabilitierung zu, der uneingeschränkt sämtliche strafrechtlichen Fälle politischer Verfolgung erfaßt, die im Zeitraum vom 8. Mai 1945 bis zum 2. Oktober 1990 im Gebiet der ehemaligen DDR vorgenommen wurden.
- 1 VIII lit. a, 1. Halbs. VermG läuft deshalb aber nicht leer, denn es hat auch bloße Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage gegeben, die den Maßnahmen, die im Rahmen der Industrie- und Wirtschaftsreform erfolgt sind, ebenfalls zugeordnet werden. Dies gilt etwa für die Enteignung von Banken, Versicherungen, Energieunternehmen, Bergwerken, privaten Eisenbahnunternehmen, Lichtspieltheater und Apotheken, aber auch für die Reparationsleistungen zugunsten der UdSSR.
Entsprechendes gilt – mit Ausnahme von Einzelfällen – auch für die Maßnahmen der sog. Bodenreform. Bei Inhabern von Höfen mit einer Größe von unter 100 ha war die Schuld des Betroffenen als Nazi- und Kriegsverbrecher in jedem Einzelfall von den Landesbodenkommissionen festzustellen. Die angewandten Straftatbestände ergaben sich jeweils aus den Ausführungsbestimmungen zu den Bodenreformverordnungen. Sie entsprachen Straftatbeständen der KRD Nr. 38 und der Richtlinien zum sächsischen Volksentscheid.
Im übrigen hatte der Schuldspruch eine vergleichbare Rechtsfolgen wie derjenige nach den sächsischen Richtlinien zum Volksentscheid. Zusätzliche Sanktionen waren aber außerdem der Kreisverweis und die Internierung nicht nur der Beschuldigten, sondern der gesamten Familien, sofern diese noch nicht geflohen waren. Dazu wurden mehrere Internierungslager unterhalten. Ein besonders bekannt gewordenes Internierungslager befand sich in Prora auf Rügen. Viele Betroffene wurden aber auch in andere NKWD-Speziallager verbracht oder in die UdSSR deportiert. Auch insofern ist es mit den tatsächlichen Verfolgungszusammenhängen nicht vereinbar, wenn die 2. Kammer des Zweiten Senats des BVerfG die Behauptung aufstellt, die Bodenreformverfolgung habe lediglich eine vordergründig als politische Reinigungsaktion getarnte Verstaatlichung dargestellt.
Bei Eigentümern über 100 ha wurde die Strafbarkeit als Nazi- und Kriegsverbrecher dagegen von Gesetzes wegen in den Bodenreformverordnungen vermutet. Dieser Personenkreis wurde damit strafrechtlich wegen ihrer Zugehörigkeit zur Gruppe der Junker, Feudalherren und Großgrundbesitzer verfolgt, die nach den Vorschriften der Bodenreformverordnungen per se Kriegs- und Naziverbrecher waren. In mehreren Ländern bzw. Provinzen hatten diese jedoch die Möglichkeit, den Nachweis zu erbringen, aktiver Antifaschisten gewesen zu sein. Gelang dieser Nachweis gegenüber der Landebodenkommission, wurde im Einzelfall kein hoheitlicher Vorwurf, Nazi- und Kriegsverbrecher gewesen zu sein, erhoben und ihnen wurde ein Resthof belassen. Im übrigen war die Verfolgung mit denselben Sanktionen verbunden wie bei den Personen mit Höfen unter 100 ha.
Sowohl bei Industriellen, die auf der Grundlage der Richtlinien zum sächsischen Volksentscheid verurteilt wurden, als bei Personen, die auf der Grundlage der Bodenreformverordnungen strafrechtlich verfolgt worden sind und deshalb interniert wurden oder dieser Gefahr nur durch ihre Flucht entkommen sind, sind Ansprüche auf strafrechtliche Rehabilitierung gegeben. Daher ist die Aussage der Mitglieder der 2. Kammer des Zweiten Senats des BVerfG, es bestehe für diese Fälle einen gesetzlichen Rehabilitierungsausschluß und sie könnten lediglich Ansprüche nach dem Ausgleichsleistungsgesetz erheblich bereits für das einfachrechtliche Entscheidungsergebnis. Insofern ist es für die weitere Rechtsverfolgung entscheidend, darauf hinzuweisen, daß die Aussagen der Kammerentscheidung insofern einen schweren Verstoß gegen geltendes Recht beinhalten.