BVerwG, Urteil vom 29. April 1994 –7 C 47.93

Das Urteil betrifft die Revision einen auf das Vermögensgesetz gestützten Antrag auf Rückgabe eines auf die Berliner Liste 1 gesetzten und 1949 enteigneten Unternehmens. Mit der Revision war geltend gemacht worden, die Ausschlußregelung des § 1 Abs. 8 lit. a, 1. Halbs. VermG sei verfassungswidrig, weil nach dem Bodenreformurteil des BVerfG vom 23. April 1991 neue Tatsachen bekannt geworden seien, wonach es keine Vorbedingungen der UdSSR und der DDR dafür gegeben habe, Enteignungen auf besatzungsrechtlicher und besatzungshoheitlicher Grundlage nicht mehr rückgängig zu machen. Die Begründung des BVerfG im Bodenreformurteil, mit der insbesondere die dem Ausschlußtatbestand des § 1 Abs. 8 lit. a, 1. Halbs. VermG zugrunde liegende deutsch-deutsche Vereinbarung in Nr. 1 Satz 1 der Gemeinsamen Erklärung vom 15. Juni 1990 (GE) verfassungsrechtlich gerechtfertigt worden sei, sei damit nicht mehr tragfähig.

Wortlaut der Entscheidung

Verantwortliche Richter: 

Dr. Stefan Paetow, Richter am BVerwG
Dr. Franz Bardenhewer, Richter am BVerwG
Dr. Michael Bertrams, Richter am BVerwG
Dieter Kley, Richter am BVerwG
Georg Herbert, Richter am BVerwG 

Anlaß und maßgeblicher Inhalt der Entscheidung: 

Das Urteil betrifft die Revision einen auf das Vermögensgesetz gestützten Antrag auf Rückgabe eines auf die Berliner Liste 1 gesetzten und 1949 enteigneten Unternehmens. Mit der Revision war geltend gemacht worden, die Ausschlußregelung des § 1 Abs. 8 lit. a, 1. Halbs. VermG sei verfassungswidrig, weil nach dem Bodenreformurteil des BVerfG vom 23. April 1991 neue Tatsachen bekannt geworden seien, wonach es keine Vorbedingungen der UdSSR und der DDR dafür gegeben habe, Enteignungen auf besatzungsrechtlicher und besatzungshoheitlicher Grundlage nicht mehr rückgängig zu machen. Die Begründung des BVerfG im Bodenreformurteil, mit der insbesondere die dem Ausschlußtatbestand des § 1 Abs. 8 lit. a, 1. Halbs. VermG zugrunde liegende deutsch-deutsche Vereinbarung in Nr. 1 Satz 1 der Gemeinsamen Erklärung vom 15. Juni 1990 (GE) verfassungsrechtlich gerechtfertigt worden sei, sei damit nicht mehr tragfähig.

Das Urteil vom 29. April 1994 hat die Revision abgewiesen. Dazu führt es aus, der mit der Klage geltend gemachte Rückgabeanspruch bestehe nicht, weil § 1 Abs. 8 lit. a, 1. Halbs. VermG die Restitution von auf besatzungsrechtlicher und besatzungshoheitlicher Grundlage enteigneten Vermögenswerten ausschließe. Diese Regelung sei vom BVerfG auch für verfassungswidrig erklärt worden, weil die UdSSR mit ihren Forderungen nach der Anerkennung der Rechtmäßigkeit und Legitimität sowie der Unumkehrbarkeit und Unantastbarkeit der unter ihrer Besatzungshoheit vorgenommenen Maßnahmen habe verhindern wollen, daß ihr deshalb im nachhinein ein Vorwurf gemacht werde. Schließlich hat das Gericht auch angenommen, daß es sich bei den auf die Liste 1 gesetzten Unternehmen auch um von § 1 Abs. 8 lit. a, 1. Halbs. VermG erfaßte auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage enteignete Vermögenswerte handelte.

Warum die Entscheidung unvertretbar ist: 

Das Urteil bildet mit dem am selben Tag ebenfalls zu einem Fall zur Berliner Liste 1 ergangenen Urteil 7 C 59.93 die Grundlage dafür, daß die auf einer politischen Verfolgung beruhenden Vermögenszugriffe im Rahmen der in der SBZ und Ostberlin vorgenommenen Boden- und Industriereform juristisch nicht aufgearbeitet sind. Dabei ist Urteil im Ergebnis zwar zutreffend entschieden. Die dafür gegebenen Begründungsansätze jedoch sind insgesamt unvertretbar.

Im Ergebnis ist die Entscheidung zutreffend, weil es sich bei den Maßnahmen der Berliner Liste 1 um straf- oder verwaltungsrechtliche Akte der politischen Verfolgung handelt, die ihrerseits, auch soweit sie eine Vermögensschädigung zum Gegenstand hatten, von vornherein nicht in den Anwendungsbereich des Vermögensgesetzes fallen, weil sie keine entschädigungslosen Enteignungen i.S.v. § 1 Abs. 1 lit. a, Abs. 8 lit. a, 1. Halbs., sondern strafrechtliche Vermögenseinziehungen (§ 1 Abs. 1 und 5 StrRehaG, Nr. 9 GE, Art. 17 Einigungsvertrag – EV –) oder verwaltungsrechtliche, verfolgungsbedingte Zugriffe auf Vermögenswerte (§ 1 Abs. 1 Satz 1 VwRehaG) darstellen. Die Betroffenen hätten also einen Rehabilitierungsantrag stellen müssen. Der auf das Vermögensgesetz gestützte Rückgabeantrag war dagegen unbegründet, weil dieses Gesetz per se keine strafrechtlichen Vermögenseinziehungen und keine verwaltungsrechtlichen, auf einer politischen Verfolgung beruhenden Zugriffe auf Vermögenswerte erfaßt. Mit dieser Begründung hätte das BVerwG die Revision abweisen müssen.

Die davon wesentlich abweichende Begründung ist dagegen mit geltendem Recht unvertretbar, wobei die Unvertretbarkeit im April 1994 noch nicht ganz so offensichtlich zutage trat wie bereits wenig später. Zu diesem Zeitpunkt waren nämlich weder das Verwaltungsrechtliche Rehabilitierungsgesetz vom 23. Juni 1994 noch das Ausgleichsleistungsgesetz vom 27. September 1994 (AusglLeistG) erlassen worden, deren Regelungen die Unhaltbarkeit der Begründungsansätze in den Urteilen vom 29. April 1994 noch offenkundiger gemacht haben. Lediglich das Vermögenszuordnungsgesetz vom 22. März 1991 (VZOG) war schon erlassen.

Bereits im April 1994 war es freilich offenkundig unvertretbar, den Regelungsgehalt des § 1 Abs. 8 lit. a, 1. Halbs. VermG als „Restitutionsausschluß“ zu bezeichnen. Das Urteil vom 29. April 1994 beschreibt den Inhalt der Norm denn auch zunächst zutreffend. Dazu heißt es richtig: „Nach § 1 Abs. 8 lit. a VermG gilt das Vermögensgesetz nicht für Enteignungen von Vermögenswerten auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage. In diesen Fällen ist demnach ein Anspruch des Geschädigten auf Rückübertragung des enteigneten Vermögenswerts nach § 3 Abs. 1 i.V.m. §§ 1 und 2 Abs. 1 VermG ausgeschlossen.“ Damit ist korrekt dargelegt, daß das Vermögensgesetz auch in den Fällen des § 1 Abs. 8 lit. a VermG nicht anwendbar ist und sich deshalb auch kein Rückgabeanspruch aus § 3 Abs. 1 VermG ergeben kann. Damit ist aber keine Aussage darüber getroffen, ob sich ein Rückgabeanspruch nicht aus einem anderen Gesetz ergeben kann.

Nur wenig später spricht das Urteil dann aber nur noch von dem Restitutionsausschluß des § 1 Abs. 8 lit. a VermG. Damit unterschiebt es der Norm einen ganz anderen Regelungsgehalt, nämlich den, damit werde die Rückgabe von auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage ausgeschlossen. Das aber bedeutet: Die Norm schließt nicht nur die Anwendbarkeit des Vermögensgesetzes aus, sondern auch, daß eine Rückgaberegelung gesetzlich ausgeschlossen ist, also auch nicht mehr in einem anderen Gesetz vorgesehen werden kann, ohne daß ein Widerspruch zum in § 1 Abs. 8 lit. a VermG enthaltenen Restitutionsausschluß besteht.

Dieser ganz andere Inhalt steht in offenkundigen Widerspruch zu auch bereits im April 1994 erlassenen gesetzlichen Regelungen. Er widerspricht evident dem Umstand, daß § 1 VermG ausschließlich den positiven und den negativen Geltungsbereich des Vermögensgesetzes, nicht aber bereits einzelne Ansprüche oder deren Ausschluß regelt. Im übrigen schließt § 1 Abs. 8 VermG den Anwendungsbereich des Vermögensgesetzes nicht nur für Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage aus, sondern nach § 1 Abs. 8 lit. d VermG etwa auch für Enteignungen von Gebietskörperschaften im Beitrittsgebiet, soweit sie vom Kommunalvermögensgesetz erfaßt sind. Für diese Enteignungen sah § 11 Abs. 1 Satz 1 VZOG aber bereits im April 1994 Rückübertragungsansprüche ausdrücklich vor. Damit stand es bereits im Zeitpunkt des Erlasses des Urteils vom 29. April 1994 in offenem Widerspruch, wenn dort angenommen wurde, § 1 Abs. 8 VermG habe Restitutionsausschlußregelungen enthalten. Seit Erlaß des Ausgleichsleistungsgesetzes steht die Annahme, § 1 Abs. 8si lit. a VermG enthalte einen Restitutionsausschluß, außerdem in offenem Widerspruch zur Begründung des Rückgabegrundsatzes für bewegliche, auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage enteignete Vermögenswerte in § 5 Abs. 1 AusglLeistG.

Unvertretbar ist darüber hinaus die Behauptung des 7. Senats des BVerwG, das Bodenreformurteil des BVerfG habe die auf besatzungsrechtliche und besatzungshoheitliche Enteignungen bezogenen Regelungen mit der Annahme gerechtfertigt, damit sei dem Umstand Rechnung getragen worden, daß die UdSSR im Rahmen der deutschen Wiedervereinigung verlangt habe, daß ihr das besiegte Deutschland wegen der unter ihrer Besatzungshoheit verübten Maßnahmen keinen Unrechtsvorwurf machen dürfe. Ein solcher Vorwurf sei aber mit der Rückgabe verbunden, weil sie wegen der unter Besatzungshoheit vorgenommenen Unrechtsakte erfolge.

Wäre diese Behauptung zutreffend, müßte jede Form der Wiedergutmachung für unter Besatzungshoheit verübten Unrechts ausgeschlossen sein, weil sie unabhängig davon, ob sie in Form der Rückgabe, des Rückerwerbs, der Rehabilitierung, der Entschädigung oder der Erlösherausgabe erfolgt ist, ausschließlich wegen verübten Staatsunrechts gewährt wird. Deshalb steht die Aussage bereits in offenkundigem Widerspruch zur deutsch-deutschen Vereinbarung in Nr. 1 Satz 4 GE, mit der sich die Bundesrepublik Deutschland das Recht vorbehalten, Ausgleichsleistungen für besatzungsbezogene Enteignungen zu gewähren. Ein offener Widerspruch besteht auch zu Nr. 9 GE, soweit davon auch strafrechtliche Vermögenseinziehungen unter Besatzungshoheit erfaßt werden. Gegen diese deutsch-deutschen Vereinbarungen in der Gemeinsamen Erklärung, die der sowjetischen Seite anläßlich der Zwei-plus-Vier-Verhandlungen durch Schreiben der beiden deutschen Außenminister vom 12. September 1990 übergeben wurde, hat sie keine Einwendungen erhoben. Wenn sie aber, wie das BVerwG dies behauptet, einen deutschen Unrechtsvorwurf wegen der von der UdSSR unter ihrer Besatzungshoheit hätte vermeiden wollen, hätte sie dem Vorbehalt von Ausgleichsleistungen und der Vereinbarung der Rehabilitierung von strafrechtlichen Vermögenseinziehungen widersprochen. Das ist nicht erfolgt.

Das Verständnis des Bodenreformurteils des BVerfG durch das BVerwG, wonach die dort erwähnten Forderungen der UdSSR nach Anerkennung der Rechtmäßigkeit und Legitimität ihrer Maßnahmen einen Unrechtsvorwurf gegenüber der sowjetischen Seite verhindern sollte, steht zudem im offenen Widerspruch zu Inhalten dieses Urteils. Das Bodenreformurteil bestätigt nämlich nicht nur, daß es der Bundesrepublik Deutschland trotz der Forderungen der UdSSR möglich sein soll, für unter sowjetischer Besatzungshoheit verübte Enteignungen Ausgleichsleistungen zu gewähren. Vielmehr sollte sie danach auch berechtigt sein, den Betroffenen eine Rückerwerbsmöglichkeit einzuräumen. Nach den Feststellungen des Bodenreformurteils sollte es nur unmöglich sein, die Enteignungen als nichtig zu behandeln und auf dieser Grundlage umfassend zu bereinigen. Damit aber zielte der Vorbehalt der UdSSR ausschließlich auf den beim Abzug von Besatzungsmächten üblichen Indemnitätsvorbehalt ab, wonach es der Bundesrepublik Deutschland verwehrt sein sollte, die Enteignungen als nichtig zu behandeln und darauf gestützt völkerrechtliche Schadensersatzansprüche gegenüber der UdSSR zu stellen.

Schließlich steht auch die Annahme des Urteils des BVerwG vom 29. April 1994 im Widerspruch zu gesetzlichen Vorschriften, verfolgungsbedingte Vermögensschädigungen wie die Vermögensentziehung gegenüber den auf der Berliner Liste 1 verzeichneten Unternehmensinhabern seien grundsätzlich ohne vorherige Rehabilitierung vom Anwendungsbereich des Vermögensgesetzes erfaßt. Dies war auch bereits im Zeitpunkt des Erlasses dieses Urteils offenkundig. Damals galt bereits das Strafrechtliche Rehabilitierungsgesetz, dessen Anwendungsbereich – ohne Ausschlußregelung – für Strafmaßnahmen und damit auch für strafrechtliche Vermögenseinziehungen den Zeitraum von 8. Mai 1945 bis zum 2. Oktober 1990 umfaßte und dabei auch für nicht gerichtliche Strafmaßnahmen galt (§ 1 Abs. 1 und 5 StrRehaG). Diese Regelungen entsprachen den deutsch-deutschen Vereinbarungen anläßlich der Verhandlungen über die Herstellung der Einheit Deutschlands in Art. 41 Abs. 1 EV i.V.m. Nr. 9 GE sowie Art. 17 EV. Deshalb war es im April 1994 bereits offenkundig, daß strafrechtliche Vermögenseinziehungen keine Enteignungen i.S.v. § 1 Abs. 1 lit. a, Abs. 8 lit. a, 1. Halbs. VermG sein konnten, weil sie ausnahmslos auch im Fall ihrer Besatzungshoheitlichkeit einen strafrechtlichen Rehabilitierungsanspruch auslösen sollte.

Dies wurde durch die ebenfalls bereits im April 1994 bestehende gesetzliche Regelung in § 1 Abs. 8 lit. a, 2. Halbs. VermG bestätigt, wonach die in § 1 Abs. 8 lit. a, 1. Halbs. VermG vorgesehene Unanwendbarkeit des Vermögensgesetzes in den Fällen des § 1 Abs. 6 und 7 VermG nicht gelten, die Anwendbarkeit dieses Gesetzes vielmehr unberührt bleiben sollte. Damit war bereits klargestellt worden, daß mit der strafrechtlichen Rehabilitierung auch von unter Besatzungshoheit erfolgter strafrechtlicher Vermögenseinziehungen das Vermögensgesetz anwendbar bleiben sollte.

Soweit verfolgungsbedingte Vermögensschädigungen verwaltungsrechtlicher Natur waren, war im April 1994 zwar das Verwaltungsrechtliche Rehabilitierungsgesetz noch nicht erlassen worden. Aber es gab bereits die Denkschrift zum Einigungsvertrag, die zu Art. 17 EV ausgeführt hatte, daß auch verwaltungsrechtliche Verfolgungsmaßnahmen zu rehabilitieren seien.

Mit dem Inkrafttreten des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes vom 23. Juni 1994 bestand deshalb ein weiterer offenkundiger Widerspruch des Urteils vom 29. April 1994 zu gesetzlichen Regelungen. Dieses Gesetz sieht in § 1 Abs. 1 Satz 1 VwRehaG u.a. die verwaltungsrechtliche Rehabilitierung für verfolgungsbedingte Verwaltungsentscheidungen vor, die zu einem Zugriff auf Vermögenswerte geführt haben. Im Gegensatz zum Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz wird die Anwendbarkeit des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes nach § 1 Abs. 1 Sätze 2 und 3 VwRehaG zwar u.a. dann ausgeschlossen, wenn die Vermögensschädigungen bereits vom Vermögensgesetz erfaßt werden oder wenn es sich um eine der Fallgruppen des § 1 Abs. 8 VermG handelt. Nimmt man aber mit dem Urteil vom 29. April 1994 an, auch verfolgungsbedingte Vermögensschädigungen seien vom Vermögensgesetz erfaßt, läuft der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Satz 1 VwRehaG jedenfalls für Zugriffe auf Vermögenswerte leer, weil das Verwaltungsrechtliche Rehabilitierungsgesetz dann – abgesehen von dem besonders in § 1 Abs. 3 VwRehaG geregelten Zugriff auf Vermögenswerte, die anläßlich der Zwangsaussiedlungen an der innerdeutschen Grenze erfolgt sind – stets durch das Vermögensgesetz verdrängt würde. Der Leerlauf gesetzlicher Regelungen darf dem Gesetzgeber aber nicht unterstellt werden.

Nachdem dann auch aus Ausgleichsleistungsgesetz vom 27. September 1994 erlassen war, hat es sich ebenfalls nicht für die Fälle in § 1 Abs. 6 und 7 VermG für anwendbar erklärt. Für verfolgungsbedingte Vermögenszugriffe unter NS- oder SED-Herrschaft bleiben anderweitige Regelungen durch das Ausgleichsleistungsgesetz vielmehr unberührt (§ 1 Abs. 1 S. 2, Abs. 1a S. 2 AusglLeistG). Auch diese Regelungen laufen vollständig leer, wenn verfolgungsbedingte Vermögensschädigungen unter Besatzungshoheit von der Fallgruppe des § 1 Abs. 8 lit. a, 1. Halbs. VermG erfaßt wäre, weil es dann keine besatzungsrechtlichen oder besatzungshoheitlichen Vermögenszugriffe gibt, auf die das Vermögensgesetz nach § 1 Abs. 7 VermG nach einer verwaltungsrechtlichen Rehabilitierung entsprechend anwendbar sein könnte.

Damit stehen sämtliche Begründungsansätze des Urteils vom 29. April 1994 in offenkundigem Widerspruch zu gesetzlichen Vorschriften. Dennoch bildet es die Grundlage für die weitere Rechtsprechungsentwicklung des BVerwG, mit der es eine verwaltungsrechtliche Rehabilitierung von verfolgungsbedingten Vermögenzugriffen unter Besatzungshoheit ausnahmslos abgelehnt hat.

BVerwG, Urteil vom 29. April 1994 – 7 C 47 .93

Das Urteil betrifft die Revision einen auf das Vermögensgesetz gestützten Antrag auf Rückgabe eines auf die Berliner Liste 1 gesetzten und 1949 enteigneten Unternehmens. Mit der Revision war geltend gemacht worden, die Ausschlußregelung des § 1 Abs. 8 lit. a, 1. Halbs. VermG sei verfassungswidrig, weil nach dem Bodenreformurteil des BVerfG vom 23. April 1991 neue Tatsachen bekannt geworden seien, wonach es keine Vorbedingungen der UdSSR und der DDR dafür gegeben habe, Enteignungen auf besatzungsrechtlicher und besatzungshoheitlicher Grundlage nicht mehr rückgängig zu machen. Die Begründung des BVerfG im Bodenreformurteil, mit der insbesondere die dem Ausschlußtatbestand des § 1 Abs. 8 lit. a, 1. Halbs. VermG zugrunde liegende deutsch-deutsche Vereinbarung in Nr. 1 Satz 1 der Gemeinsamen Erklärung vom 15. Juni 1990 (GE) verfassungsrechtlich gerechtfertigt worden sei, sei damit nicht mehr tragfähig.

Wortlaut der Entscheidung

Verantwortliche Richter: 

Dr. Stefan Paetow, Richter am BVerwG
Dr. Franz Bardenhewer, Richter am BVerwG
Dr. Michael Bertrams, Richter am BVerwG
Dieter Kley, Richter am BVerwG
Georg Herbert, Richter am BVerwG 

Anlaß und maßgeblicher Inhalt der Entscheidung: 

Das Urteil betrifft die Revision einen auf das Vermögensgesetz gestützten Antrag auf Rückgabe eines auf die Berliner Liste 1 gesetzten und 1949 enteigneten Unternehmens. Mit der Revision war geltend gemacht worden, die Ausschlußregelung des § 1 Abs. 8 lit. a, 1. Halbs. VermG sei verfassungswidrig, weil nach dem Bodenreformurteil des BVerfG vom 23. April 1991 neue Tatsachen bekannt geworden seien, wonach es keine Vorbedingungen der UdSSR und der DDR dafür gegeben habe, Enteignungen auf besatzungsrechtlicher und besatzungshoheitlicher Grundlage nicht mehr rückgängig zu machen. Die Begründung des BVerfG im Bodenreformurteil, mit der insbesondere die dem Ausschlußtatbestand des § 1 Abs. 8 lit. a, 1. Halbs. VermG zugrunde liegende deutsch-deutsche Vereinbarung in Nr. 1 Satz 1 der Gemeinsamen Erklärung vom 15. Juni 1990 (GE) verfassungsrechtlich gerechtfertigt worden sei, sei damit nicht mehr tragfähig.

Das Urteil vom 29. April 1994 hat die Revision abgewiesen. Dazu führt es aus, der mit der Klage geltend gemachte Rückgabeanspruch bestehe nicht, weil § 1 Abs. 8 lit. a, 1. Halbs. VermG die Restitution von auf besatzungsrechtlicher und besatzungshoheitlicher Grundlage enteigneten Vermögenswerten ausschließe. Diese Regelung sei vom BVerfG auch für verfassungswidrig erklärt worden, weil die UdSSR mit ihren Forderungen nach der Anerkennung der Rechtmäßigkeit und Legitimität sowie der Unumkehrbarkeit und Unantastbarkeit der unter ihrer Besatzungshoheit vorgenommenen Maßnahmen habe verhindern wollen, daß ihr deshalb im nachhinein ein Vorwurf gemacht werde. Schließlich hat das Gericht auch angenommen, daß es sich bei den auf die Liste 1 gesetzten Unternehmen auch um von § 1 Abs. 8 lit. a, 1. Halbs. VermG erfaßte auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage enteignete Vermögenswerte handelte.

Warum die Entscheidung unvertretbar ist: 

Das Urteil bildet mit dem am selben Tag ebenfalls zu einem Fall zur Berliner Liste 1 ergangenen Urteil 7 C 59.93 die Grundlage dafür, daß die auf einer politischen Verfolgung beruhenden Vermögenszugriffe im Rahmen der in der SBZ und Ostberlin vorgenommenen Boden- und Industriereform juristisch nicht aufgearbeitet sind. Dabei ist Urteil im Ergebnis zwar zutreffend entschieden. Die dafür gegebenen Begründungsansätze jedoch sind insgesamt unvertretbar.

Im Ergebnis ist die Entscheidung zutreffend, weil es sich bei den Maßnahmen der Berliner Liste 1 um straf- oder verwaltungsrechtliche Akte der politischen Verfolgung handelt, die ihrerseits, auch soweit sie eine Vermögensschädigung zum Gegenstand hatten, von vornherein nicht in den Anwendungsbereich des Vermögensgesetzes fallen, weil sie keine entschädigungslosen Enteignungen i.S.v. § 1 Abs. 1 lit. a, Abs. 8 lit. a, 1. Halbs., sondern strafrechtliche Vermögenseinziehungen (§ 1 Abs. 1 und 5 StrRehaG, Nr. 9 GE, Art. 17 Einigungsvertrag – EV –) oder verwaltungsrechtliche, verfolgungsbedingte Zugriffe auf Vermögenswerte (§ 1 Abs. 1 Satz 1 VwRehaG) darstellen. Die Betroffenen hätten also einen Rehabilitierungsantrag stellen müssen. Der auf das Vermögensgesetz gestützte Rückgabeantrag war dagegen unbegründet, weil dieses Gesetz per se keine strafrechtlichen Vermögenseinziehungen und keine verwaltungsrechtlichen, auf einer politischen Verfolgung beruhenden Zugriffe auf Vermögenswerte erfaßt. Mit dieser Begründung hätte das BVerwG die Revision abweisen müssen.

Die davon wesentlich abweichende Begründung ist dagegen mit geltendem Recht unvertretbar, wobei die Unvertretbarkeit im April 1994 noch nicht ganz so offensichtlich zutage trat wie bereits wenig später. Zu diesem Zeitpunkt waren nämlich weder das Verwaltungsrechtliche Rehabilitierungsgesetz vom 23. Juni 1994 noch das Ausgleichsleistungsgesetz vom 27. September 1994 (AusglLeistG) erlassen worden, deren Regelungen die Unhaltbarkeit der Begründungsansätze in den Urteilen vom 29. April 1994 noch offenkundiger gemacht haben. Lediglich das Vermögenszuordnungsgesetz vom 22. März 1991 (VZOG) war schon erlassen.

Bereits im April 1994 war es freilich offenkundig unvertretbar, den Regelungsgehalt des § 1 Abs. 8 lit. a, 1. Halbs. VermG als „Restitutionsausschluß“ zu bezeichnen. Das Urteil vom 29. April 1994 beschreibt den Inhalt der Norm denn auch zunächst zutreffend. Dazu heißt es richtig: „Nach § 1 Abs. 8 lit. a VermG gilt das Vermögensgesetz nicht für Enteignungen von Vermögenswerten auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage. In diesen Fällen ist demnach ein Anspruch des Geschädigten auf Rückübertragung des enteigneten Vermögenswerts nach § 3 Abs. 1 i.V.m. §§ 1 und 2 Abs. 1 VermG ausgeschlossen.“ Damit ist korrekt dargelegt, daß das Vermögensgesetz auch in den Fällen des § 1 Abs. 8 lit. a VermG nicht anwendbar ist und sich deshalb auch kein Rückgabeanspruch aus § 3 Abs. 1 VermG ergeben kann. Damit ist aber keine Aussage darüber getroffen, ob sich ein Rückgabeanspruch nicht aus einem anderen Gesetz ergeben kann.

Nur wenig später spricht das Urteil dann aber nur noch von dem Restitutionsausschluß des § 1 Abs. 8 lit. a VermG. Damit unterschiebt es der Norm einen ganz anderen Regelungsgehalt, nämlich den, damit werde die Rückgabe von auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage ausgeschlossen. Das aber bedeutet: Die Norm schließt nicht nur die Anwendbarkeit des Vermögensgesetzes aus, sondern auch, daß eine Rückgaberegelung gesetzlich ausgeschlossen ist, also auch nicht mehr in einem anderen Gesetz vorgesehen werden kann, ohne daß ein Widerspruch zum in § 1 Abs. 8 lit. a VermG enthaltenen Restitutionsausschluß besteht.

Dieser ganz andere Inhalt steht in offenkundigen Widerspruch zu auch bereits im April 1994 erlassenen gesetzlichen Regelungen. Er widerspricht evident dem Umstand, daß § 1 VermG ausschließlich den positiven und den negativen Geltungsbereich des Vermögensgesetzes, nicht aber bereits einzelne Ansprüche oder deren Ausschluß regelt. Im übrigen schließt § 1 Abs. 8 VermG den Anwendungsbereich des Vermögensgesetzes nicht nur für Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage aus, sondern nach § 1 Abs. 8 lit. d VermG etwa auch für Enteignungen von Gebietskörperschaften im Beitrittsgebiet, soweit sie vom Kommunalvermögensgesetz erfaßt sind. Für diese Enteignungen sah § 11 Abs. 1 Satz 1 VZOG aber bereits im April 1994 Rückübertragungsansprüche ausdrücklich vor. Damit stand es bereits im Zeitpunkt des Erlasses des Urteils vom 29. April 1994 in offenem Widerspruch, wenn dort angenommen wurde, § 1 Abs. 8 VermG habe Restitutionsausschlußregelungen enthalten. Seit Erlaß des Ausgleichsleistungsgesetzes steht die Annahme, § 1 Abs. 8si lit. a VermG enthalte einen Restitutionsausschluß, außerdem in offenem Widerspruch zur Begründung des Rückgabegrundsatzes für bewegliche, auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage enteignete Vermögenswerte in § 5 Abs. 1 AusglLeistG.

Unvertretbar ist darüber hinaus die Behauptung des 7. Senats des BVerwG, das Bodenreformurteil des BVerfG habe die auf besatzungsrechtliche und besatzungshoheitliche Enteignungen bezogenen Regelungen mit der Annahme gerechtfertigt, damit sei dem Umstand Rechnung getragen worden, daß die UdSSR im Rahmen der deutschen Wiedervereinigung verlangt habe, daß ihr das besiegte Deutschland wegen der unter ihrer Besatzungshoheit verübten Maßnahmen keinen Unrechtsvorwurf machen dürfe. Ein solcher Vorwurf sei aber mit der Rückgabe verbunden, weil sie wegen der unter Besatzungshoheit vorgenommenen Unrechtsakte erfolge.

Wäre diese Behauptung zutreffend, müßte jede Form der Wiedergutmachung für unter Besatzungshoheit verübten Unrechts ausgeschlossen sein, weil sie unabhängig davon, ob sie in Form der Rückgabe, des Rückerwerbs, der Rehabilitierung, der Entschädigung oder der Erlösherausgabe erfolgt ist, ausschließlich wegen verübten Staatsunrechts gewährt wird. Deshalb steht die Aussage bereits in offenkundigem Widerspruch zur deutsch-deutschen Vereinbarung in Nr. 1 Satz 4 GE, mit der sich die Bundesrepublik Deutschland das Recht vorbehalten, Ausgleichsleistungen für besatzungsbezogene Enteignungen zu gewähren. Ein offener Widerspruch besteht auch zu Nr. 9 GE, soweit davon auch strafrechtliche Vermögenseinziehungen unter Besatzungshoheit erfaßt werden. Gegen diese deutsch-deutschen Vereinbarungen in der Gemeinsamen Erklärung, die der sowjetischen Seite anläßlich der Zwei-plus-Vier-Verhandlungen durch Schreiben der beiden deutschen Außenminister vom 12. September 1990 übergeben wurde, hat sie keine Einwendungen erhoben. Wenn sie aber, wie das BVerwG dies behauptet, einen deutschen Unrechtsvorwurf wegen der von der UdSSR unter ihrer Besatzungshoheit hätte vermeiden wollen, hätte sie dem Vorbehalt von Ausgleichsleistungen und der Vereinbarung der Rehabilitierung von strafrechtlichen Vermögenseinziehungen widersprochen. Das ist nicht erfolgt.

Das Verständnis des Bodenreformurteils des BVerfG durch das BVerwG, wonach die dort erwähnten Forderungen der UdSSR nach Anerkennung der Rechtmäßigkeit und Legitimität ihrer Maßnahmen einen Unrechtsvorwurf gegenüber der sowjetischen Seite verhindern sollte, steht zudem im offenen Widerspruch zu Inhalten dieses Urteils. Das Bodenreformurteil bestätigt nämlich nicht nur, daß es der Bundesrepublik Deutschland trotz der Forderungen der UdSSR möglich sein soll, für unter sowjetischer Besatzungshoheit verübte Enteignungen Ausgleichsleistungen zu gewähren. Vielmehr sollte sie danach auch berechtigt sein, den Betroffenen eine Rückerwerbsmöglichkeit einzuräumen. Nach den Feststellungen des Bodenreformurteils sollte es nur unmöglich sein, die Enteignungen als nichtig zu behandeln und auf dieser Grundlage umfassend zu bereinigen. Damit aber zielte der Vorbehalt der UdSSR ausschließlich auf den beim Abzug von Besatzungsmächten üblichen Indemnitätsvorbehalt ab, wonach es der Bundesrepublik Deutschland verwehrt sein sollte, die Enteignungen als nichtig zu behandeln und darauf gestützt völkerrechtliche Schadensersatzansprüche gegenüber der UdSSR zu stellen.

Schließlich steht auch die Annahme des Urteils des BVerwG vom 29. April 1994 im Widerspruch zu gesetzlichen Vorschriften, verfolgungsbedingte Vermögensschädigungen wie die Vermögensentziehung gegenüber den auf der Berliner Liste 1 verzeichneten Unternehmensinhabern seien grundsätzlich ohne vorherige Rehabilitierung vom Anwendungsbereich des Vermögensgesetzes erfaßt. Dies war auch bereits im Zeitpunkt des Erlasses dieses Urteils offenkundig. Damals galt bereits das Strafrechtliche Rehabilitierungsgesetz, dessen Anwendungsbereich – ohne Ausschlußregelung – für Strafmaßnahmen und damit auch für strafrechtliche Vermögenseinziehungen den Zeitraum von 8. Mai 1945 bis zum 2. Oktober 1990 umfaßte und dabei auch für nicht gerichtliche Strafmaßnahmen galt (§ 1 Abs. 1 und 5 StrRehaG). Diese Regelungen entsprachen den deutsch-deutschen Vereinbarungen anläßlich der Verhandlungen über die Herstellung der Einheit Deutschlands in Art. 41 Abs. 1 EV i.V.m. Nr. 9 GE sowie Art. 17 EV. Deshalb war es im April 1994 bereits offenkundig, daß strafrechtliche Vermögenseinziehungen keine Enteignungen i.S.v. § 1 Abs. 1 lit. a, Abs. 8 lit. a, 1. Halbs. VermG sein konnten, weil sie ausnahmslos auch im Fall ihrer Besatzungshoheitlichkeit einen strafrechtlichen Rehabilitierungsanspruch auslösen sollte.

Dies wurde durch die ebenfalls bereits im April 1994 bestehende gesetzliche Regelung in § 1 Abs. 8 lit. a, 2. Halbs. VermG bestätigt, wonach die in § 1 Abs. 8 lit. a, 1. Halbs. VermG vorgesehene Unanwendbarkeit des Vermögensgesetzes in den Fällen des § 1 Abs. 6 und 7 VermG nicht gelten, die Anwendbarkeit dieses Gesetzes vielmehr unberührt bleiben sollte. Damit war bereits klargestellt worden, daß mit der strafrechtlichen Rehabilitierung auch von unter Besatzungshoheit erfolgter strafrechtlicher Vermögenseinziehungen das Vermögensgesetz anwendbar bleiben sollte.

Soweit verfolgungsbedingte Vermögensschädigungen verwaltungsrechtlicher Natur waren, war im April 1994 zwar das Verwaltungsrechtliche Rehabilitierungsgesetz noch nicht erlassen worden. Aber es gab bereits die Denkschrift zum Einigungsvertrag, die zu Art. 17 EV ausgeführt hatte, daß auch verwaltungsrechtliche Verfolgungsmaßnahmen zu rehabilitieren seien.

Mit dem Inkrafttreten des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes vom 23. Juni 1994 bestand deshalb ein weiterer offenkundiger Widerspruch des Urteils vom 29. April 1994 zu gesetzlichen Regelungen. Dieses Gesetz sieht in § 1 Abs. 1 Satz 1 VwRehaG u.a. die verwaltungsrechtliche Rehabilitierung für verfolgungsbedingte Verwaltungsentscheidungen vor, die zu einem Zugriff auf Vermögenswerte geführt haben. Im Gegensatz zum Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz wird die Anwendbarkeit des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes nach § 1 Abs. 1 Sätze 2 und 3 VwRehaG zwar u.a. dann ausgeschlossen, wenn die Vermögensschädigungen bereits vom Vermögensgesetz erfaßt werden oder wenn es sich um eine der Fallgruppen des § 1 Abs. 8 VermG handelt. Nimmt man aber mit dem Urteil vom 29. April 1994 an, auch verfolgungsbedingte Vermögensschädigungen seien vom Vermögensgesetz erfaßt, läuft der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Satz 1 VwRehaG jedenfalls für Zugriffe auf Vermögenswerte leer, weil das Verwaltungsrechtliche Rehabilitierungsgesetz dann – abgesehen von dem besonders in § 1 Abs. 3 VwRehaG geregelten Zugriff auf Vermögenswerte, die anläßlich der Zwangsaussiedlungen an der innerdeutschen Grenze erfolgt sind – stets durch das Vermögensgesetz verdrängt würde. Der Leerlauf gesetzlicher Regelungen darf dem Gesetzgeber aber nicht unterstellt werden.

Nachdem dann auch aus Ausgleichsleistungsgesetz vom 27. September 1994 erlassen war, hat es sich ebenfalls nicht für die Fälle in § 1 Abs. 6 und 7 VermG für anwendbar erklärt. Für verfolgungsbedingte Vermögenszugriffe unter NS- oder SED-Herrschaft bleiben anderweitige Regelungen durch das Ausgleichsleistungsgesetz vielmehr unberührt (§ 1 Abs. 1 S. 2, Abs. 1a S. 2 AusglLeistG). Auch diese Regelungen laufen vollständig leer, wenn verfolgungsbedingte Vermögensschädigungen unter Besatzungshoheit von der Fallgruppe des § 1 Abs. 8 lit. a, 1. Halbs. VermG erfaßt wäre, weil es dann keine besatzungsrechtlichen oder besatzungshoheitlichen Vermögenszugriffe gibt, auf die das Vermögensgesetz nach § 1 Abs. 7 VermG nach einer verwaltungsrechtlichen Rehabilitierung entsprechend anwendbar sein könnte.

Damit stehen sämtliche Begründungsansätze des Urteils vom 29. April 1994 in offenkundigem Widerspruch zu gesetzlichen Vorschriften. Dennoch bildet es die Grundlage für die weitere Rechtsprechungsentwicklung des BVerwG, mit der es eine verwaltungsrechtliche Rehabilitierung von verfolgungsbedingten Vermögenzugriffen unter Besatzungshoheit ausnahmslos abgelehnt hat.